Gruß zum Sonntag -
Gruß zum 14. Sonntag nach Trinitatis am 01. September 2024
von Pastorin Ute Parra
Liebe Gemeinde,
wir schreiben das Jahr 1324. Schon seit 100 Jahren beten die Nonnen in den Mauern des Preetzer Klosters. Auch zur Mittagszeit wie heute - 700 Jahre später - erfüllen die gregorianischen Psalmtöne den Raum.
Die Mittagshore liebt die junge Novizin Ida besonders. Sie mag das Licht der Sonne, wenn es durch die hohen Fenster fällt und in den Gesichtern der Nonnen – eben noch müde von der Arbeit des Vormittags – das Strahlen sichtbar macht.
Die Sonnenstrahlen machen es nur sichtbar, denn es kommt von innen heraus, das weiß Ida. Sie spürt es bei sich selbst. Die einfachen Melodien verbinden sich mit den Worten, die sie tragen: Wort und Antwort. Singen und Hören, Geben und Nehmen. Die einzelnen Stimmen verschmelzen in dem hohen Raum zu einem Ganzen, das mehr ist als seine Teile.
Sie singen die Antiphon gemeinsam auf Latein: „…apud te est fons vitae, et in lumine tuo videbimus lumen.“ Das hat sie in der Klosterschule gelernt und versteht, was das heißt: „Bei dir ist die Quelle des Lebens und in deinem Licht sehen wir das Licht (Ps 36,10).“ Ja, so will sie es übersetzen – für sich. Nicht: „Wir werden es sehen“, sondern „Wir sehen es jetzt und hier!“ Das Sonnenlicht, das Stahlen von innen, der Klang – das alles wird eins. Eine große Kraftquelle für den Rest des Tages. Die Quelle des Lebens für Ida.
Manches wird sie nie erfahren vom Leben. Ihre Eltern und Geschwister sieht sie nur selten. Die Nonnen, die sie unterrichten sind streng, die Arbeit hart. Sie wird keinen Mann, keine Familie haben. In Momenten wie diesem vermisst sie das auch nicht. Sie ist an der Quelle, durchstrahlt vom Licht, das sie aufnimmt und weitergibt, dessen Teil sie ist.
Vielleicht haben sie damals schon die Sonntagslesung gehabt, die heute unser evangelisches Gesangbuch auf deutsch für uns vorschlägt: „Dem König der Könige und Herr der Herren, der allein Unsterblichkeit hat und ein unzugängliches Licht bewohnt, den keiner der Menschen gesehen hat, auch nicht sehen kann. Dem sei Ehre und ewige Macht! Amen.“ (1. Tim 6, 15)
Und vielleicht hat Ida gedacht: Es gibt aber Momente, da lässt Gott uns erahnen, wie dies Licht aussieht, wie es sich anfühlt auf der Haut und wie es alles durchdringt und durchklingt.
Wir heute sind nicht mehr so geübt in diesem gemeinsamen Gesang, der alles durchströmt, aber vielleicht spüren wir etwas von seiner Kraft, wenn wir heute miteinander in den alten Klostermauern das Mittagsgebet aus unserem Evangelischen Gesangbuch nach dem gleichen Psalmton singen, den damals schon die Nonnen kannten.
Auch wenn wir heute viele neue Ausdrucksweisen hinzugewonnen haben, wenn unser Leben ein ganz anderes ist als das, das Ida gelebt hat: Es ist gut, dass es die alten Mauern des Klosters und der Stadtkirche noch gibt und dass wir hier an eine Spiritualität anknüpfen können, die die Menschen über Jahrhunderte getragen hat – auf unsere eigene Weise.
Ihre und eure Pastorin Ute Parra
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!