Gruß zum Sonntag
Gruß zum 21. Sonntag nach Trinitatis am 09. November 2025
von Pastorin Parra
Liebe Gemeinde,
Liebe Gemeinde,
heute ist ein düsterer Tag in der Geschichte unseres Landes. Am 09. November1938 geschah das Unvorstellbare, das Entsetzliche: Menschen legten ihre Menschlichkeit ab, wurden zum Mob, der zerstörungswütig durch die Straßen zog. Ein einfacher telefonischer Befehl der Gau- und SA-Leiter reichte, damit ganz Deutschland Trupps von Zerstörungswütigen die Nacht lang plündernd und brandschatzend durch die Gegend zogen. Sie misshandelten und verschleppten Menschen jüdischer Abstammung und so gut wie niemand versuchte, ihnen Einhalt zu gebieten.
Wie konnte solch schreckliches Unrecht auf offener Straße geschehen? Die Menschen können es nicht überhört haben, auch wenn sie schliefen. Der Lärm der splitternden Schaufensterscheiben, die Schreie der Opfer – Ohrenzeugen berichten, dass sie nachts davon erwachten. Und doch sind fast alle in ihren Häusern geblieben, haben Augen und Ohren verschlossen als schliefen sie fest. In Angst und Ohnmacht, in Gleichgültigkeit oder gar in Schadenfreude sahen sie durch die Gardinen draußen die Flammen der Fackeln und der brennenden Gebäude.
Diese Nacht war wie ein Kipppunkt, an dem Menschlichkeit, Mut und Moral besiegt wurden, an dem der Frieden gewissermaßen ohnmächtig geschlagen wurde.
Sie ist nun schon seit 87 Jahren Geschichte. Wir erinnern uns mit Schaudern an etwas, das lange vergangen ist, aber gleichzeitig an etwas, zu dem Menschen wie du und ich fähig waren. Diese Nacht der verleugneten Menschlichkeit wollen wir nicht vergessen. Wir erinnern uns mit allen, die es miterleben mussten an die Nacht des 9. Novembers. Wir erinnern uns auch mit Petrus, der beim Morgenrot als der Hahn krähte in Tränen ausbrach, an die Nacht, in der er alles verleugnet hatte, woran er glaubte (Mk 14,66ff).
Dass Menschen ihre Menschlichkeit ablegen und dass der Friede ohnmächtig scheint ist nicht Vergangenheit. Es das geschieht auch gerade jetzt an unzähligen Stellen auf dieser Erde. Das Entsetzen über die Gewalttaten in Israel und Palästina ist noch frisch und der Waffenstillstand fühlt sich nicht nach Frieden an, sondern eben nach Stillhalten der Waffen.
In der Ukraine, im Sudan und an so vielen Orten wird Unschuldigen Gewalt angetan. Was können wir schon tun? Und wo ist Gott, wo ist sein Friede, der uns versprochen wurde? Das Team der diesjährigen Friedendekade hat die Geschichte von Elia am Horeb ausgesucht, um nach Antworten auf diese Frage zu suchen:
Auch der Prophet Elia war mittendrin im Rausch der Gewalt. In der Gewissheit, Gott an seiner Seite zu wissen, hat er 450 Baalspropheten getötet. Was für ein Blutbad! Jetzt ist er auf der Flucht vor denen, die auf Rache sinnen während ihm alles sinnlos erscheint, das ganze nie enden wollende Morden, ja das Leben an sich. Er will nur noch sterben und ruft aus: „Es ist genug, so nimm nun, HERR, meine Seele; ich bin nicht besser als meine Väter!“ (1. Kön 19,5) Resigniert legt Elia sich unter einen Busch und schläft ein.
„Steh auf und iss“, so weckt ihn eine Stimme. Zweimal muss der Engel kommen, ihn mit Brot und Wasser und mit Zuspruch stärken. Einen langen Weg hat Elia nun vor sich bis er nach 40 Tagen und Nächten zu einer Höhle kommt. Dort begegnet er Gott. Es ereignet sich ein gewaltiges Naturspektakel: Sturm - aber Gott ist nicht darin, Erdbeben - aber Gott ist nicht darin, Feuer - aber Gott ist nicht darin. Erst als das Tosen sich legt und Stille einkehrt kann Elia ein sanftes Sausen vernehmen. Da spürt Elia: Nun ist Gott da. Und er lässt sich von Gott den Weg zurück ins Leben weisen. Er trifft Elischa, der gerade sein Feld pflügt.
Elia hat das Schwert abgelegt und macht sich gemeinsam mit Elischa auf einen neuen Weg mit Gott.
Beide Geschichten – die von Petrus und die von Elia – erzählen von der Verzweiflung und dem Gefühl der Sinnlosigkeit angesichts des Schrecklichen, zu dem wir Menschen fähig sind. Und sie erzählen auch davon, wie Gott uns da herausholt:
Jesus sagt zu Petrus: „Auf Dich will ich meine Kirche bauen. Weide meine Schafe.“
Der Engel sagt zu Elia: „Steh auf und iss. Du hast einen weiten Weg vor Dir.“
So wie die Progromnacht ein Kipppunkt war, an dem der Friede ohnmächtig geschlagen wurde und es dunkelste Nacht ward, so gibt es auch Punkte, an denen der Friede in uns geweckt wird: Durch Gott und durch andere Menschen die uns wie der Engel zu Boten Gottes werden: „Steh auf und iss. Du hast einen weiten Weg vor Dir!“
So weit ist der Weg, obwohl doch Friede eigentlich das Natürlichste von der Welt wäre. So wenig können wir uns oft vorstellen, dass es überhaupt einen anderen Weg aus dem Krieg gibt als mehr Waffen und das laute Tosen. Es ist gut, wenn wir uns daran nicht gewöhnen können, dass Menschen ihre Menschlichkeit ablegen und es ist gut, wenn wir wissen: Gott ist nicht im lauten Tosen, sondern im sanften Sausen. Er will in uns den Frieden wecken. Der Weg ist weit und noch sehen wir ihn vielleicht nicht, aber da ist ein Weg und Gott will ihn mit uns gehen, darauf dürfen wir vertrauen.
Ihre und Eure Pastorin Ute Parra
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!



