Grußwort-Archiv
Gruß zum 19. Sonntag nach Trinitatis am 06. Oktober 2024
Gruß zum 17. Sonntag nach Trinitatis am 22. September 2024
Gruß zum 16. Sonntag nach Trinitatis am 15. September 2024
Gruß zum 15. Sonntag nach Trinitatis am 08. September 2024
Gruß zum 14. Sonntag nach Trinitatis am 01. September 2024
Gruß zum 12. Sonntag nach Trinitatis am 18. August 2024
Gruß zum 11. Sonntag nach Trinitatis am 11. August 2024
Gruß zum 10. Sonntag nach Trinitatis am 4. August 2024
Gruß zum 9. Sonntag nach Trinitatis am 28. Juli 2024
Gruß zum 7. Sonntag nach Trinitatis am 14. Juli 2024
Gruß zum 5. Sonntag nach Trinitatis am 30. Juni 2024
Gruß zum 4. Sonntag nach Trinitatis am 23. Juni 2024
Gruß zum 3. Sonntag nach Trinitatis am 16. Juni 2024
Gruß zum 2. Sonntag nach Trinitatis am 09. Juni 2024
Gruß zum 1. Sonntag nach Trinitatis am 02. Juni 2024
Gruß zum Sonntag Trinitatis am 26. Mai 2024
Gruß zu Pfingsten am 19. Mai 2024
Gruß zum Sonntag Exaudi am 12. Mai 2024
Gruß zum Sonntag Rogate am 05. Mai 2024
Gruß zum Sonntag Kantate am 28. April 2024
Gruß zum Sonntag Jubilate am 21. April 2024
Gruß zum Sonntag Miserikordias Domini am 14. April 2024
Gruß zum Sonntag Quasimodogeniti am 07. April 2024
Gruß zum Ostersonntag am 31. März 2024
Gruß zum Sonntag Lätare am 24. März 2024
Gruß zum Sonntag Judika am 17. März 2024
Gruß zum Sonntag Lätare am 10. März 2024
Gruß zum Sonntag Okuli am 03. März 2024
Gruß zum Sonntag Reminiszere am 25. Februar 2024
Gruß zum Sonntag Invokavit am 18. Februar 2024
Gruß zum Sonntag Estomini am 11. Februar 2024
Gruß zum Sonntag Sexagesimae am 04. Februar 2024
Gruß zum letzten Sonntag nach Epiphanias am 28. Januar 2024
Gruß zum 3. Sonntag nach Epiphanias am 21. Januar 2024
Gruß zum 2. Sonntag nach Epiphanias am 14. Januar 2024
Gruß zum 1. Sonntag nach Epiphanias am 07. Januar 2024
Gruß zum Altjahrsabend am 31. Dezember 2023
Gruß zum 4. Advent/Heiligabend am 24.Dezember 2023
Gruß zum 3. Advent am 17.Dezember 2023
Gruß zum 2. Advent am 10. Dezember 2023
Gruß zum 1. Advent am 03.Dezember 2023
Gruß zum 19. Sonntag nach Trinitatis am 06. Oktober 2024
von Pastorin Parra
Wenn Sie möchten, hören Sie dazu: Yann Tiersen - Comptine d`un autre ete - l`apres-midi -
https://www.youtube.com/watch?v=NvryolGa19A
Liebe Gemeinde,
„Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut.“ (1. Tim 4,4) Eine fabelhafte Welt. An Erntedank können wir das sagen. Können dankbar sein für all die großen und kleinen Wunder dieser Schöpfung. Für die bunten Erntegaben, den klaren, hellen Gesang des Kinderchores und vieles andere. Und wir können uns selbst als Teil des Wunderwerkes Welt sehen. Wir wissen, welchen Gefahren dies Wunder ausgesetzt ist – auch durch uns. Wir wissen das so schmerzlich, dass uns die Worte „Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut,“ fast im Hals stecken bleiben.
Es gibt so viel Grund, sich um das, was in und mit dieser Welt geschieht, zu sorgen, so viel Hässliches. Darum ist es umso wichtiger, den Blick für die Schönheit zu öffnen – auch im Alltäglichen. Wer sich davon begeistern lässt, bekommt dadurch die Kraft, auch die Schrecken dieser Welt auszuhalten und ihnen entgegenzutreten. Am Anfang hat Gott die Welt „Sehr gut“ geschaffen. So steht es auf der ersten Seite der Bibel und so können wir es auch heute noch dankbar erleben.
„Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut“, und weiter steht im 1. Timotheusbrief: „Nichts, was man mit Dank annimmt, kann verwerflich sein – es ist ja geheiligt durch das Wort Gottes und das Dankgebet.“
Im Vorbereitungsteam des Ma(h)lzeit-Gottesdienstes haben wir uns gefragt: Heißt das dann, dass es auf unser tun und Lassen gar nicht ankommt? Dass wir alles für uns behalten dürfen anstatt zu teilen? Dass wir Energie verbrauchen und die Umwelt verschmutzen können soviel wir wollen, Hauptsache, wir sind dankbar?
Wirklich dankbar zu sein bedeutet in meinen Augen aber auch, das, was man hat wertzuschätzen und demzufolge liebevoll zu behandeln und die Freude darüber mit möglichst vielen anderen zu teilen.
Kennen Sie den Film, „Die Fabelhafte Welt der Amelie“? Amelie ist eine besondere junge Frau, die die Menschen genau beobachtet und über alle sagen kann, was diese besonders mögen: Die Kostüme beim Eiskunstlauf, die Ordnung im Werkzeugkasten, den Klang des Löffels, der die Kruste der Crème brûlée durchbricht…
Jeder und jede liebt andere Dinge, die für den Rest der Welt oft eher bedeutungslos sind.
Die eine von uns schwärmt von ihrem Morgenspaziergang durch den Garten:
Morgenlicht leuchtet, rein wie am Anfang.
Frühlied der Amsel, Schöpferlob klingt.
Dank für die Lieder, Dank für den Morgen,
Dank für das Wort, dem beides entspringt.
Sanft fallen Tropfen, sonnendurchleuchtet.
So lag auf erstem Gras erster Tau.
Dank für die Spuren Gottes im Garten,
grünende Frische, vollkommnes Blau. (EG 455)
Sie bleibt mit ihrer Gartenbegeisterung nicht allein sondern engagiert sich bei „Gärtnern mit Kindern“ und gibt sie dort weiter.
Die andere geht auf im körperlichen Tun: Dinge für andere schön machen, mit dem Boot über den Kirchsee paddeln…
Die dritte liebt den Blick über die Inseln des Lanker Sees, wenn morgens der Dunst vom Wasser aufsteigt.
Oder eine Tasse heiße Schokolade nach einem kalten Winterspaziergang.
Jeder Mensch ist einzigartig – auch dadurch, wie er oder sie sich an dieser Welt freut. Vielleicht ist diese Freude überhaupt das Geheimnis des Menschseins: Schönheit in ihrer Vielfalt entdecken und lieben können, das macht auch uns zu Wesen, über die man sich freuen und die man bestaunen kann. Vergessen wir das nicht und trauen wir uns, dankbar zu sein für die kleinen Wunder, die uns täglich widerfahren. - Und zwar erstmal ganz ohne Ziel und Zweck, denn die Kraft, die darin schlummert, wird sich von ganz allein entfalten.
Ihre und Eure Pastorin Ute Parra mit dem Ma(h)lzeit-Team
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zum 17. Sonntag nach Trinitatis am 22. September 2024
von Pastor Kroglowski
Liebe Gemeinde,
Jesus sprach zu einer Frau aus Kanaan: „Frau, dein Glaube ist groß. Dir geschehe, wie du willst! Und ihre Tochter wurde gesund zur derselben Stunde.“ (Matthäus 15, 21-28) Es ist die Geschichte von der kanaanäische Frau, die zu Jesus kommt, um für ihre kranke Tochter zu bitten. Da müsste mal ein Wunder geschehen. Vielleicht ist das der Grund, dass sie Jesus aufsucht. Schließlich ist sie für Jesus eine fremde Frau. Diese Frau gehört nicht zu den Juden. Klare Grenzen unter den Religionen. Aber trotzdem passt sie Jesus auf dem Weg ab und ruft ihn. Keine höfliche, vorsichtige Annäherung – sondern eine klare Grenzüberschreitung. Weil etwas anderes wichtiger ist. Sie braucht Hilfe für ihre kranke Tochter. Und setzt alles auf eine Karte – koste es, was es wolle!
Die Reaktion von Jesus überrascht. Er gibt ihr eine klare Absage. Da werden die Grenzen deutlich markiert: Zunächst kein Wort. Dann: Ich bin nicht dazu da, den Hunden das Brot vorzuwerfen, das für die Kinder bestimmt ist! Mit anderen Worten: Du gehörst nicht zu uns, für dich ist nichts da. Diese Geschichte von der kanaanäischen Frau ist auch eine Geschichte von Vorurteilen. Es ist Jesus selbst, der Vorurteile hat. Eine verzweifelte Frau kommt zu ihm, eine Ausländerin, und bittet für ihre kranke Tochter. Aber sie wird abgewiesen. Erst von den Jüngern, dann noch von Jesus. Und nicht nur das: sie wird gedemütigt. Jesus erklärt, er sei für Ausländer nicht da.
Fragen wir uns selbst, wenn das jemand mit uns macht – uns abserviert – und in diesem Fall noch Jesus. Mancher bleibt wohl konsterniert und stumm stehen. Den anderen packt die Wut – Kirchenaustritt? Kann man solch einen Jesus noch trauen – der nicht perfekt ist. Ich denke ja. Erst ein Jesus, der sich von einer Frau aus seinen Vorurteilen herausholen lässt, zeigt sein menschliches Gesicht. Und Jesus begegnet einer klugen Frau. Das merkt er sehr schnell. Sie schlägt ihn mit seinen eigenen Waffen: Geschickt und klug und ganz ruhig bringt sie ihr Anliegen noch einmal vor. Es reicht, wenn sie nur die Krümel kriegt. Es reicht, wenn sich Jesus ihr nur ein bisschen zu wendet. Daran glaubt sie und darauf vertraut sie. Und Jesus wird bei seinen eigenen Vorurteilen gepackt. Da ist er ganz Mensch wie wir. Ihr Vertrauen ist ihre Kraft. Glaube bewirkt, dass Jesus umdenkt. Eine erstaunliche Frau. Soviel Frauen-Power in der alten Bibel. Mutig und stark ist diese Frau gewesen – aber das nicht allein spricht mich an. Es ist das starke Vertrauen. Auch gegen die eigene bisherige Lebensgeschichte hat sie geglaubt, dass es noch Rettung für ihre Tochter gibt. Kein hoffnungsloser Fall bei Gott – dafür steht sie ein. Eine Geschichte, die Mut macht zu glauben – gegen den Trend an. Die mit alten Worten erzählt: Was dich bewegt, belastet – trag es zu Jesus Christus. Erwarte etwas von ihm. Du bist an der richtigen Adresse.
Unsere Lebenserfahrung zeigt uns aber, dass das Ganze nicht immer so einfach ist, mit unserem eigenen Glauben. Wie glücklich wären wir, wenn unser Gebet sofort erfüllt werden könnte. Manche warten unendlich lang – und am Ende keine Heilung. Auch die Frau in der Geschichte hat einen langen Weg hinter sich, bevor sie Vertrauen in Jesus findet. Die fremde Frau hat dennoch alles gewagt. Sie hat ihre Sorgen ihm anvertraut. Darin liegt ein erster Schritt. Sorgen teilen – darauf vertrauen, dass es Wege gibt, die ich nicht verstehen, die ich aber nicht allein gehen muss.
Ein Stück dieses Glaubens – dieses Vertrauen – wünsche ich uns für die kommende Woche
Ihr / Euer Pastor Lars Kroglowski
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zum 16. Sonntag nach Trinitatis am 15. September 2024
von Pastorin Anke Pfeifer
Liebe Gemeinde,
Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.
Diesen Satz haben wir eben in der Epistellesung gehört. Ein Satz, der gerne als Konfirmationsspruch genommen wir und der mich seit vielen Jahren begleitet. Und über den ich heute predigen möchte, weil vieles in dieser Zeit tatsächlich zum Fürchten ist.
Der schreckliche Krieg in der Ukraine, der deutlich zeigt, dass da ein Herrscher an der Macht ist, der die Macht hat, ein ganzes Volk kriegerisch zu überfallen und der über Leichen geht. Der junge Menschen in den Krieg schickt und damit auch den Tod seiner eigenen Landsleute billigend in Kauf nimmt.
Plötzlich ist der Krieg mitten in Europa angekommen und Menschen , die gestern noch von der Notwendigkeit einer Abrüstung überzeugt waren ,die am liebsten Schwerter zu Pflugscharen machen wollten, merken heute , dass ihnen eine Aufrüstung richtig und wichtig erscheint , um solchen Despoten Einhalt zu gebieten und sie von weiteren kriegerischen Überfällen auch noch anderer Völker abzuhalten.
Und auch die Gewalttaten der Hamas und der Krieg, der seither im Gazastreifen nur Tod, Not und Verwüstung bringt, zeigt die ganze Hilflosigkeit der Welt Wege zu Frieden und zur Versöhnung zu finden.
Viele , die sich auch hier bei uns plötzlich wieder vermehrt vor Krieg und Gewalt fürchten.
Junge Menschen, die sich auch bei uns radikalisieren und Gewalt ausüben ,Nazis, die in Parlamente gewählt werden oder Hass und Gewalt gegen Menschen anderer Herkunft und Hautfarbe ausüben oder schüren.
Aber damit ja nicht genug. Die Erde bebt ja und schreit förmlich nach Rettung angesichts der menschengemachten Klimaerwärmung mit den katastrophalen Folgen entsetzlicher Dürren und vernichtender Fluten.
Dazu dann die ganz persönlichen Sorgen und Nöte. Eine schlimme Krankheit , die uns zu schaffen macht oder die Sorgen angesichts unbezahlbarer Mieten. Menschen , die ihr Leben lang gearbeitet haben und nun von ihrer Rente nicht leben können.
Ja meine Lieben, wir haben allen Grund uns zu fürchten.
Die Frage ist, wie es gelingen kann die großen Fragen, Sorgen und Probleme dieser Zeit zu lösen.
Die Frage ist aber auch, wie es gelingen kann, überhaupt mit der Furcht leben. Mit einer Frucht , die ja regelrecht lähmen kann , sodass wir wie ein gelähmtes Kaninchen hilflos und reglos vor der Schlange sitzen oder uns so sehr an die Wand gedrückt fühlen , dass wir gar nichts mehr wissen und auch nicht mehr klar denken , geschweige denn handeln können.
Gut, dass es heute viele Techniken gibt, die uns helfen aus der Lähmung herauszukommen, Fachleute, die uns helfen mit unsren Problemen zu leben oder sie sogar zu lösen.
Und trotzdem gibt es dann immer noch vieles, was dann immer noch zum Fürchten ist. Und das ist auch nicht weg.
Auch Paulus damals in der Zeit des neuen Testaments wusste das und hat das das auch nicht klein und ausgeredet.
Aber er hat etwas ganz anderes daneben gestellt und gesetzt und hat deshalb gesagt: Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.
Paulus erinnert an den guten ,heilenden und heiligen Geist Gottes, mit dem Gott uns liebt ,der uns erreicht und durchdringt, sodass er noch ganz andere Fähigkeiten und Möglichkeiten in uns weckt , keimen und wachsen lässt, um der Furcht und allem , was uns fürchten lässt ,wirkungsvoll zu begegnen.
Paulus erinnert an die guten Gaben , Fähigkeiten und Kräfte , die wir in uns tragen und haben , die Gott uns schenkt und gegeben hat gegen die Furcht und gegen das, was uns Angst Macht und wovor wir uns fürchten .
Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.
Gott gab uns also und gibt uns bis heute den Geist der Kraft.
Und das wahrscheinlich oft anders, als wir denken. Vielleicht geht es dabei sogar um die Kraft , die gerade im Schwachen mächtig ist.
Die sogar Jesus in der allergrößten Not am Kreuz plötzlich wieder neu hoffen und glauben und darauf vertrauen lässt, trotzdem und dennoch von Gott und seiner Lieb umgeben gehalten und getragen zu sein , sodass er am Ende sagen, kann. Vater, in deine Hände befehle ich meinem Geist.
Es ist diese Kraft, die Menschen plötzlich haben und entwickeln und von der sie vorher noch gar nicht geahnt haben, dass sie die haben würden.
Ich denke die Menschen, die im Krieg und auf der Flucht plötzlich eine ungeheure Kraft entwickeln das Elend und Leid irgendwie doch zu überleben und zu überstehen.
An Feuerwehrleute und Rettungskräfte, die bei Fluten, Feuer und Erdbeben ungeahnte Kräfte entwickeln ,um andere Menschen zu retten. An Ärzte und Ärztinnen, Pfleger und Pflegrinnen die trotz akuten Personalmangels alle Kräfte mobilisieren, um für ihre Patienten da zu sein und ihnen zu helfen. An alleinerziehend Mütter , die auch die dritte schlaflose Nacht am Bett ihres kranken Kindes sitzen. An Männer und Frauen , die ihre pflegbedürftigen Angehörigen zu Hause versorgen und pflegen. Ohne selber überhaupt noch zu wissen, woher sie eigentlich die Kraft dafür nehmen. Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern den Geist der Kraft, die tatsächlich im Schwachen mächtig ist.
Und die noch viel stärker und kräftiger wird, wenn wir uns mit anderen Menschen zusammen tun und gegen alle lebenszerstörerischen Mächte gemeinsam angehen und versuchen Lösungen für die Probleme dieser Zeit zu finden.
Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe.
Die Liebe ist wahrscheinlich die Schönste und wunderbarste Gabe, die Gottes Geist in uns wirkt, weckt und wachsen lässt.
Die junge und frische Liebe, die uns beschwingt und beflügelt und uns das Gefühl gibt ,das Leben ist einfach herrlich und unsagbar schön, die wunderbare Vertrautheit einer alten Liebe, die durch die Höhen und Tiefen eines langen gemeinsamen Lebens gewachsen ist. Die Liebe, die Vieles erträgt, glaubt und hofft; die treue Liebe, die beim anderen bleibt, auch wenn er oder sie noch so garstig ist; die Liebe, die sich dem anderen in den Weg stellt, wenn er oder sie auf dem Holzweg ist; die Liebe mit der ein Mensch auch sich selber liebt und deshalb auch Grenzen setzt oder sogar die Kraft entwickeln muss, sich zu trennen.
Die Liebe, mit der Gott uns liebt und die er uns schenkt, damit auch wir lieben können, hat viele unterschiedliche Facetten und Gesichter. Aber sie ist immer eine Liebe, die dem Leben dient und die dazu hilft, dass Menschen gut ,in Frieden und Sicherheit in dieser Welt leben können . Und das schließt die Liebe zur Natur, zu Gottes guter Schöpfung und einen sorgsamen Umgang mit ihr und allen Geschöpfen mit ein.
Und außerdem: Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.
Und das beinhaltet dann auch die Fähigkeit zur Besinnung zu kommen mit ein. Wie sehr wünschen wir uns und beten darum, dass die Diktatoren dieser Welt und alle anderen Menschenverächter zur Besinnung kommen. Und das schließt die Umkehr und Abkehr von ihren mörderischen, kriegerischen und Menschen zerstörenden Absichten und Handlungen mit ein.
Wie sehr hoffen wir, dass Menschen auch angesichts der katastrophalen Klimaveränderungen zur Besinnung kommen und tun, was dem Leben und der Schöpfung dient. Gut, wenn wir alle unseren Teil zum Schutz der Natur und dieser Erde beitragen, und wenn viel das tun, werden wir auch noch viel mehr erreichen. Auch wenn eine wirkliche Umkehr, wohl erst durch den Willen der Regierungen weltweit und durch die Umsetzung von klimaschützenden Gesetzen in der weltweiten Wirtschaft zu erreichen ist.
Gott hat uns nicht den Geist der Furcht gegeben , sondern den Geist der Besonnenheit, der Fähigkeit zu denken , nachzudenken , sich selbst und das eigene Verhalten zu überdenken und zu reflektieren, um dann bewusst und auch im Sinne Gottes besonnen zu handeln.
Zu überlegen, was dem Wohl andrer Menschen, dem Gemeinwohl aber auch zu unserem eigenen Wohl dient und was dann auch im Sinne Jesu richtig und wichtig ist. Meinen Konfirmanden gebe ich immer die Frage mit auf den Weg. Überlegt mal: Was würde Jesus wohl dazu sagen? Und was würde er in dieser Situation mache?
Gar nicht so schlecht, sich angesichts einer konkreten Situation diese Frage zu stellen, nach Antworten zu suchen und dann in diesem Sinne besonnen zu handeln.
Liebe Gemeinde, in dieser Welt haben wir immer wieder Anlass genug uns zu fürchten. Aber Gott will uns immer wieder Mut machen und helfen, gegen die Furcht und gegen das, wovor wir uns fürchten, anzugehen.
Dazu gibt er uns seinen guten Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. Hierauf lasst und vertrauen und darauf verlassen und daraus dann auch Hoffnung und Zuversicht für unsre Leben, diese Welt und die Zukunft schöpfen.
Amen
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zum 15. Sonntag nach Trinitatis am 08. September 2024
von Propst Faehling
Liebe Gemeinde,
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater und dem Herrn, Jesus Christus. Amen.
Texterinnerung an Mt 6, 25-34,
wurde schon als Evangelium gelesen
Gott nährt die Vögel, die keine Vorräte sammeln
Gott macht Wiesenblumen schöner als Königinnenkleider.
Habt Vertrauen zu diesem Gott, der weiß, was wir brauchen.
Und deshalb:
Macht euch also keine Sorgen um den kommenden Tag – der wird schon für sich selber sorgen,
so wörtlich.
Schon immer, liebe Gemeinde, würde ich sagen, gilt dieser Text als Sehnsuchtstext und Skandaltext zugleich.
So schön wäre es, ich könnte sorgenfrei leben.
So trügerisch scheint es, dass Jesus scheinbar dazu einlädt.
In dem Konflikt zwischen schön und trügerisch sind verschiedene Haltungen zu den Worten Jesu gewachsen.
Die eine würde ich die kirchenkritische, zuweilen fast aggressive nennen: Dieser Text ist frommer Betrug.
Die andere wurde kirchlich lange genutzt, um eine fromme Lebensweise zu propagieren:
Wer fromm genug ist, braucht sich keine Sorgen zu machen.
Beide greifen für mein Verstehen daneben.
Vielmehr braucht ein Verstehen des hier Gesagten eine Einordnung in den Gesamtzusammenhang der Botschaft vom Leben Jesu zu.
Ich versuche es mal:
Dieser Jesus von Nazareth kommt als Kind armer und gleich nach Geburt verfolgter Menschen zur Welt. So beginnt die Erzählung. Und noch davor bleibt seine Herkunft rätselhaft – jedenfalls versucht die Überlieferung ein irdisches Rätsel daraus zu machen - vielleicht um eine göttliche Lösung anzubieten. Gott und sein Geist mischten mit.
Damals klappte das mehr oder weniger; heute bestehen hier massive Zweifel bezüglich Heiligem Geist und Jungfrauengeburt.
Eine übernatürliche Erzählung braucht man vielleicht viel weniger als manche früher noch meinten. Aber dazu später.
Jedenfalls geht der Weg Jesu dann über viele verschiedene Stationen, und er verläuft zwischen Anfeindungen durch die etablierten Religionsvertreter und entsprechende Distanz zur gewohnten Frömmigkeit einerseits und großer Nähe zu den Lebensbedürfnissen ganz normaler Menschen, denen Jesus begegnet andererseits. Hinzu kommt, dass die Etablierten sich oft als eher perfekt Gläubige darstellen, während unter denen, denen sich Jesus am ehesten und liebevollsten zuwendet, eher die Zweifelnden und die Menschen mit gesundheitlichen und seelischen Einschränkungen zu finden sind.
Jesus wendet sich eher den Kranken und Suchenden zu als den Etablierten und vermeintlich Sicheren der herrschenden Schicht.
Schließlich wird er noch kurz und überschwänglich vom Volk gefeiert, bevor er in einem populistischen Meinungsumschwung von der enttäuschten Menge und den etablierten Glaubensvertretern mithilfe der Besatzmacht zu Tode kommt.
Am Ende überlebt er diesen Tod nicht – das ist ein häufiges Missverständnis der Auferstehung; sondern er bekommt einen neuen Lebensbeginn von Gott geschenkt; ein Leben, das in irdischen Begriffen nicht mehr ganz abgebildet werden kann und deshalb mit viel neuem Rätselraten und manchem Zweifel zu kämpfen hat.
Und dennoch gibt es für mich einen relativ zweifelsfreien Bogen in der Geschichte Jesu und eine auch in der modernen Vernunft zu vertretende Botschaft.
Vielleicht kann ich es so zusammenfassen:
Gott, diese unfassbare Macht zwischen Himmel und Erde, die wir eigentlich nicht fassen und nicht beschreiben können, der wir aber Begleitung, Hilfe, Hoffnung und die Kraft zum Neubeginn zutrauen, hat in Figuren, die uns die Bibel beschreibt, einen Ausdruck gefunden, der uns hilft, das Unfassbare wenigstens ansatzweise fassen zu können.
Mit anderen Worten, und das finde ich wichtig: Wer die Bibel gelesen hat, kann auch beim besten Willen Gott niemals ganz erfassen und verstehen. Gott ist viel größer, als alles, was Menschen zu ihm denken, aufschreiben, weitererzählen können.
Wäre Gott eine riesige Glocke, unüberschaubar groß, wären wir immer nur eine kleine Fingerspitze, die diese Glocke berührt. Und trotzdem klingt die Glocke ich unter dieser kleinen Berührung.
Niemals sehen wir das ganze Meer, und trotzdem ist jeder Tropfen eine Berührung mit dem Ozean.
Wir erfassen Gott nicht, und doch erleben wir ihn in unserem Leben. Wir begreifen ihn nicht, und doch vertrauen ihm Menschen.
Das ist weder blind noch dumm, sondern beruht insofern auf einer gewissen Klugheit, die weiß und akzeptiert, dass niemand von uns das ganze Leben in Händen halten, überblicken, kontrollieren und nach eigenem Muster bestimmen kann.
Gott – oder welchen Namen wir auch immer verwenden – ist eine lebendige Macht, die alles Leben, das sichtbare und das unsichtbare, das verstandene und das nicht verstandene durchdringt und dabei von einem guten Geist erfüllt ist.
Wobei mir klar ist, dass das eine Unterstellung ist. Das kann ich nicht beweisen, zumal es genügend Not, Leid, Gewalt und Ungerechtigkeit in der Welt gibt.
Da setzt mein Glauben, da setzen meine Ideen vom Leben etwas voraus, das jemand anders auch anders behaupten könnte.
Aber mal angenommen, es macht Sinn, von dieser allumfassenden Macht Gutes zu erwarten, so wie bisher ja der Not immer wieder der Neunanfang folgt, auch in der riesenhaften Natur und ihren Gewalten und Lebewesen, dann macht es für mich auch Sinn, diese große Kraft auf mein kleines Leben herunterzubrechen und zumindest darauf zu hoffen, dass ich davon etwas miterleben kann.
Hier ist für mich das Bild von Wiesenblumen entstanden, die Gott schöner macht als Salomos Kleider. Geh aus mein Herz und suche Freud …
Dazu gehört auch das Bild von den Vögeln, wobei ich nie behaupten würde, dass der Mensch mehr wert ist, als die Tiere – das ist eher eine biblische und inzwischen überholte Zeitgeistbemerkung von vor 2000 Jahren.
Auch die Bemerkung über die Heiden, die immer zu wenig glauben, würde ich gerne entschärfen und befreien von einer glaubenden Überheblichkeit, die ich für ganz unangebracht halte.
Was bleibt, ist die Idee eines Gottes, von dem das Leben Jesu uns vermitteln will, wie dieser Gott es im Ganzen mit uns meint: Menschennah, hilfreich, hoffnungsvoll, auch das Schwere am Ende überlebend und manches mehr …
Dass er das tut, ist für mich wie ein fernes Grundrauschen des Lebens, als säße ich am Meer, wo ich nicht mehr die vielen einzelnen Weller höre, sondern ein Meeresrauschen mich etwas spüren lässt von der lebendigen Kraft eines anwesenden Seins, dass, so meinen die Psychologen uns Menschen auch deshalb so nahe kommt, weil es uns an das Rauschen im Mutterleib erinnert – ein Rauschen allererster Geborgenheit.
Wem das zu niedlich klingt, zu einfach, möge bei sich selbst oder bei anderen nach den Momenten suchen und fragen, wo wir uns resilient gefühlt oder verhalten haben und daraus heraus den nächsten manchmal echt schweren Schritt im Leben gewagt haben.
Vielleicht klingen meine Gedanken in Ihnen nach, vielleicht können Sie dem folgend, dieser Idee sogar etwas abgewinnen. Vielleicht aber ist es dabei auch so, dass wenn Sie nach diesen Gedanken heute Abend wieder die Tagesschau hören und die neuesten Nachrichten von den Wahlen aus Thüringen und Sachsen und ihren Folgen, dass Sie entmutigt oder sogar verärgert denken, war doch alles frommer Betrug. Die Welt spricht eine eigene harte und oft grausame Sprache.
Ja, das tut sie.
Und zugleich sind die Leitfiguren der Hoffnung zwischen Ghandi und Dietrich Bonhoeffer, seit Jesus bis hin zu denen, die sich heute als Frauen und Männer für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung einsetzen ja Menschen, die aus einem Bewusstsein schöpfen, wie Astrid Lindgren es mal ausgedrückt hat „Das habe ich noch nie vorher versucht, also bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe.“
Pippi Langstrumpf macht die Welt, wie sie ihr gefällt. Den Strengen und Vernünftigen gilt das als allzu riskante Kinderträumerei, erst recht, wenn vernünftige Erwachsene so sprechen.
Ich denke, diese Figur hat sich deshalb so in die Herzen der Menschen verankert, weil sie aus einer inneren Sicherheit der unfassbaren Geborgenheit gerade eines scheinbar verlassenen Kindes kommt.
Pippilotta ist eben gar nicht einsam, obwohl der Standardblick auf ihr Leben eine andere Sprache zu sprechen scheint.
Und wer glaubt, hat inneren Halt mitten in allen Sorgen.
Ich finde das eine zentrale Botschaft in dieser Zeit, in der so vieles sehr Bedenkliche geschieht zwischen Krieg und Erstarkung des Rechtsextremismus, zwischen weltweit erstarkendem Populismus und immer mehr Mauern, die an Ländergrenzen hochgezogen werden, tatsächlich oder im übertragenen Sinn.
Aber genau diese Zustände brauchen Menschen, die allen Ernstes sich dem stellen, gegenangehen, Hoffnung nicht aufgeben, Frieden suchen und Menschen nicht verlorengeben.
Man kann aus christlicher Haltung auch kämpfen, aber ich denke, es sind nie Kämpfe, die Gegner vernichten wollen, sondern solche, die Gewalt stoppen, den Rädern der Geschichte in die Speichen fallen, an Visionen von Verständigung und Gerechtigkeit festhalten, je lauter nach Vernichtung des Gegners gerufen wird, umso mehr.
Strebt vor allem nach Gottes Reich und seiner Gerechtigkeit heißt es im Predigttext. Das ist damit gemeint. Das ist praktisch geformter Friede, der an vielen scheinbar vernünftige Pragmatikern vorbei verhandelt werden muss.
Eine Zweistaatenlösung mit Gaza und Israel gilt als eines der schwierigsten Unterfangen dieser Art.
Die Alternative ist, solange zu kämpfen, bis alle tot sind.
Das ist gesichert falsch.
Gott wird euch alles schenken.
Das hat er bereits getan: Welt, Leben, Zukunft.
Daraus dürfen wir Leben gestalten.
Amen.
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zum 14. Sonntag nach Trinitatis am 01. September 2024
von Pastorin Ute Parra
Liebe Gemeinde,
wir schreiben das Jahr 1324. Schon seit 100 Jahren beten die Nonnen in den Mauern des Preetzer Klosters. Auch zur Mittagszeit wie heute - 700 Jahre später - erfüllen die gregorianischen Psalmtöne den Raum.
Die Mittagshore liebt die junge Novizin Ida besonders. Sie mag das Licht der Sonne, wenn es durch die hohen Fenster fällt und in den Gesichtern der Nonnen – eben noch müde von der Arbeit des Vormittags – das Strahlen sichtbar macht.
Die Sonnenstrahlen machen es nur sichtbar, denn es kommt von innen heraus, das weiß Ida. Sie spürt es bei sich selbst. Die einfachen Melodien verbinden sich mit den Worten, die sie tragen: Wort und Antwort. Singen und Hören, Geben und Nehmen. Die einzelnen Stimmen verschmelzen in dem hohen Raum zu einem Ganzen, das mehr ist als seine Teile.
Sie singen die Antiphon gemeinsam auf Latein: „…apud te est fons vitae, et in lumine tuo videbimus lumen.“ Das hat sie in der Klosterschule gelernt und versteht, was das heißt: „Bei dir ist die Quelle des Lebens und in deinem Licht sehen wir das Licht (Ps 36,10).“ Ja, so will sie es übersetzen – für sich. Nicht: „Wir werden es sehen“, sondern „Wir sehen es jetzt und hier!“ Das Sonnenlicht, das Stahlen von innen, der Klang – das alles wird eins. Eine große Kraftquelle für den Rest des Tages. Die Quelle des Lebens für Ida.
Manches wird sie nie erfahren vom Leben. Ihre Eltern und Geschwister sieht sie nur selten. Die Nonnen, die sie unterrichten sind streng, die Arbeit hart. Sie wird keinen Mann, keine Familie haben. In Momenten wie diesem vermisst sie das auch nicht. Sie ist an der Quelle, durchstrahlt vom Licht, das sie aufnimmt und weitergibt, dessen Teil sie ist.
Vielleicht haben sie damals schon die Sonntagslesung gehabt, die heute unser evangelisches Gesangbuch auf deutsch für uns vorschlägt: „Dem König der Könige und Herr der Herren, der allein Unsterblichkeit hat und ein unzugängliches Licht bewohnt, den keiner der Menschen gesehen hat, auch nicht sehen kann. Dem sei Ehre und ewige Macht! Amen.“ (1. Tim 6, 15)
Und vielleicht hat Ida gedacht: Es gibt aber Momente, da lässt Gott uns erahnen, wie dies Licht aussieht, wie es sich anfühlt auf der Haut und wie es alles durchdringt und durchklingt.
Wir heute sind nicht mehr so geübt in diesem gemeinsamen Gesang, der alles durchströmt, aber vielleicht spüren wir etwas von seiner Kraft, wenn wir heute miteinander in den alten Klostermauern das Mittagsgebet aus unserem Evangelischen Gesangbuch nach dem gleichen Psalmton singen, den damals schon die Nonnen kannten.
Auch wenn wir heute viele neue Ausdrucksweisen hinzugewonnen haben, wenn unser Leben ein ganz anderes ist als das, das Ida gelebt hat: Es ist gut, dass es die alten Mauern des Klosters und der Stadtkirche noch gibt und dass wir hier an eine Spiritualität anknüpfen können, die die Menschen über Jahrhunderte getragen hat – auf unsere eigene Weise.
Ihre und eure Pastorin Ute Parra
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zum 12. Sonntag nach Trinitatis am 18. August 2024
von Pastorin Ute Parra
Liebe Gemeinde,
haben Sie Ihren Sommerurlaub schon hinter sich? Oder sagen Sie bald: „Ich bin dann mal weg“ und gehen auf große Reise? Sind Sie schon erholt oder noch/schon wieder urlaubsreif? Hat der Fernweh Sie im Griff oder freuen Sie sich, nun wieder in den eigenen vier Wänden angekommen zu sein?
Das Reisen hat die Menschen von je her fasziniert. Es erweitert den eigenen Horizont, die Komfortzone zu verlassen und neues zu entdecken. Und es gab schon immer auch das Reisen aus spirituellem Anlass: Die Wallfahrt zum Heiligtum, die Pilgerreise. Schon immer ging es dabei nicht nur darum, an einen geographischen heiligen Ort zu gelangen, sondern auch darum dem Heiligen unterwegs zu begegnen. Das Weg ist das Ziel:
Man trifft andere Menschen. Eine Strecke gemeinsam zu gehen schafft oft eine Verbindung, die tiefgehende Gespräche ermöglicht. Wir hören in der Bibel davon, wie der Auferstandene zwei seiner Freunde ein Stück auf dem Weg begleitet und ihnen diese Begegnung die Augen öffnet. In der Coronazeit habe ich mit so vielen Menschen Spaziergänge zum Reden gemacht, aus denen ich ganz besondere Erinnerungen mitgenommen habe.
Man nimmt gehend die Natur anders wahr: Die Perspektive und der Lichteinfall wandeln sich ständig. Am Wegrand sind Pflanzen und Tiere zu entdecken. Vielleicht ist da auch ein Bach oder See, in dem man sich erfrischen kann. Eine grüne Blumenwiese, dann wieder ein finsteres Tal, ein gruseliger Abgrund.
Und man nimmt sich selbst anders wahr in der Bewegung. Der Kopf wird frei für neue Gedanken: Wer bin ich eigentlich? Wer will ich sein? Wer darf ich sein vor dem Angesicht Gottes, der mich so geschaffen hat – sein geliebtes Kind.
Aus der Distanz wird manchmal besonders deutlich, was Gott mir alles geschenkt hat.
Heute machen wir uns in der Sommerkirche auf eine Pilgerreise. Nein, nicht ganz ins ferne Santiago de Compostela, sondern bloß einmal um den Kirchsee. Im Rahmen unserer Sommerkirche probieren wir neue Gottesdienstformate aus und dies ist eins davon. Der Gottesdienst soll im Kleinen erlebbar machen, was eine große Pilgerreise verspricht: Auch wir sind „mal weg“ aus dem Alltag, können neue Blickwinkel einzunehmen, die Perspektive zu wechseln. Wir nehmen uns Zeit für Gott, Zeit für uns selbst, Zeit, herausfinden, was wirklich wichtig ist . Zeit, Kraftquellen entdecken, .Begegnungen und Austausch zu genießen, aber auch Zeit für Stille und für die Natur.
Uns begleitet auf dem Weg der Psalm 23:
Gott ist mein Hirte,
mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Aue
und führt mich zum frischen Wasser.
Er erquickt meine Seele.
Er führt mich auf rechter Straße
um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal,
fürchte ich kein Unglück;
denn du bist bei mir,
dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch
im Angesicht meiner Feinde.
Du salbst mein Haupt mit Öl
und schenkst mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit
werden mir folgen mein Leben lang,
und ich werde bleiben
im Hause Gottes immerdar.
Amen
Am Ende des Gottesdienstes steht der Pilgersegen, der uns wieder in den Alltag entlässt:
Gott sei vor dir, wenn du den Weg nicht weißt.
Gott sei neben dir, wenn du unsicher bist.
Gott sei über dir, wenn du Schutz brauchst.
Gott sei in dir, wenn du dich fürchtest.
Gott sei um dich wie ein Mantel, der dich wärmt und umhüllt.
Was, wenn das ganze Leben eine Pilgerreise sein könnte, wenn immer und überall Raum wäre, das Leben in seiner Tiefe und Weite zu ergründen?
„Buen Camino“ - einen guten, segensreichen Weg – ob in die Sommerfrische oder in einen erfüllten Alltag - wünsche ich Ihnen.
Ihre und eure Pastorin Ute Parra
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zum 11. Sonntag nach Trinitatis am 11. August 2024
von Pastor Kroglowski
Liebe Gemeinde,
„Lass dich überraschen,“ so lautet das Thema für unsere Sommerkirche an diesem Sonntag. Etwas passiert in meinem Leben, womit ich nicht gerechnet habe, Etwas dreht sich. Eine Situation verändert sich. Für einen Moment ist die Lebenslage eine andere. Ich mag Überraschungen, die unser Leben ins Positive drehen …
Für mich ist die Bibel ein Buch voller Überraschungen mitten im Leben. Ein Buch voller kleiner und großer Wundern, die das Leben eines Menschen ins Positive wenden.
Da ist der reiche Mann. Alles geht um Geld und Besitz in seinem Leben. Haben, haben. Und für alle Menschen in seinem Unfeld ist klar: Der gibt nie etwas ab. Ein Geizkragen. Der hat noch nie eine Einladung ausgesprochen. Doch bei näherem Hinschauen – er ist einsam. Er sehnt sich nach Gemeinschaft. Jesus sieht diese Sehnsucht. Und zur Überraschung aller in der Gemeinde kommt Jesus zu ihm zum Essen. Sein Leben ändert sich fundamental und er beginnt zu Teilen.
Da ist die Frau, die ihre Ehe gebrochen und aus Sicht der Menschen versagt hat. Die Gründe nennt die Bibel leider nicht. Für alle in der Gemeinde ist klar, die gehört bestraft. Mit Steinen soll sie beworfen werden und ihr Leben verlieren. Auge um Auge, Zahn um Zahn – uns allen ist diese Devise oft sehr vertraut. Zur Überraschung aller sagt Jesus: „Wer unter euch noch nie einen Fehler begangen hat, der werfe den ersten Stein.“ Die Frau bleibt unverletzt und am Leben.
Eine meiner Lieblings - Überraschungs - Geschichten ist die plötzliche Taufe am Wegesrand. Der Finanzminister aus Äthiopien trifft auf seiner Rückreise aus Jerusalem auf den Jünger Jesu Phillipus. Sie kommen über das Leben und über Gott ins Gespräch. Der Finanzminister öffnet in diesem Gespräch sein Herz und erzählt aus seinem Leben. Diese Begegnung und das Gespräch verändern sein Leben. Und zur Überraschung aller lässt er sich sofort taufen.
Eigentlich nur meine Lieblingsgeschichte. Gott berührt mitten im Leben einen Menschen. Doch zu meiner Überraschung habe ich vor zwei Wochen in unsrem Pfadfinder Zeltlager in Grube im Gottesdienst Ähnliches erlebt. Zwei Taufen standen fest und waren geplant. Als ich am Tag vor den Gottesdienst im Taufgespräch mit den Eltern und den Paten war, merkte ich, wie die große Schwester eines Taufkindes mit Interesse zu hörte. Ganz spontan fragte ich das 12jährige Mädchen: „Willst Du auch getauft werden?“ Und zur Überraschung aller sagte sie aus vollem Herzen: „Ja!“ So haben wir sie am folgenden Tag, dem Sonntag, zusammen mit den zwei anderen Kindern getauft.
Lassen wir uns immer mal wieder im Positiven überraschen …
wünscht Ihr / Euer Pastor Lars Kroglowski
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zum 10. Sonntag nach Trinitatis am 4. August 2024
von Pastorin Mechthild Karopka
Liebe Gemeinde,
Wir feiern Sommerkirche – am heutigen Sonntag zum Thema: Wer weiß denn das?! – Wissen – staunen – glauben.
Wissen Sie z.B., was es in der Natur wirklich gibt?
a) schwarze Palmenwälder
b) weiße Regenbögen
c) bunte Tintenfischtinte
(Quelle: Schmidt-Spiele: Wer weiss denn sowas?)
Die Antwort in poetischen Zeilen lautet:
Farbige Regenbögen in den schönsten Tönen,
damit können wir unser Auge wirklich verwöhnen.
Wenn aber sehr kleine Wassertropfen das Licht brechen,
dann ist ein bunter Regenbogen ein leeres Versprechen.
Er ist dann weiß – wie Schnee oder Eis.
Wissen ist wichtig, um Dinge einordnen zu können, um sich im Alltag orientieren und bewegen zu können, um sich nicht hilflos dem Geschehen auszusetzen. Wissen ist auch wichtig, um im Glauben wachsen zu können und um Beziehungen zu anderen aufbauen zu können. Aber reicht wissen allein, um wirklich eine hohe Lebensqualität zu haben? Nein, sage ich, ganz klar. Denn es wäre ein ziemlich rationales Dasein – zu einem erfüllten Leben gehören weitere Bausteine – z.B. – und für den heutigen Sonntag habe ich zwei weitere dazu ausgewählt – die Bausteine des Staunens und des Glaubens. Sie sind mindestens genauso wichtig, um wirklich glücklich zu sein.
Ein Text, in dem wissen, staunen und glauben zusammen kommen, ist die biblische Erzählung vom Hauptmann in Kapernaum – aufgeschrieben bei Matthäus im 8. Kapitel:
Evangelium: Der Hauptmann von Kapernaum
Als aber Jesus nach Kapernaum hineinging, trat ein Hauptmann zu ihm; der bat ihn und sprach: Herr, mein Knecht liegt zu Hause und ist gelähmt und leidet große Qualen. Jesus sprach zu ihm: Ich will kommen und ihn gesund machen. Der Hauptmann antwortete und sprach: Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst, sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund. Denn auch ich bin ein Mensch, der einer Obrigkeit untersteht, und habe Soldaten unter mir; und wenn ich zu einem sage: Geh hin!, so geht er; und zu einem andern: Komm her!, so kommt er; und zu meinem Knecht: Tu das!, so tut er’s. Als das Jesus hörte, wunderte er sich und sprach zu denen, die ihm nachfolgten: Wahrlich, ich sage euch: Solchen Glauben habe ich in Israel bei keinem gefunden! Und Jesus sprach zu dem Hauptmann: Geh hin; dir geschehe, wie du geglaubt hast. Und sein Knecht wurde gesund zu derselben Stunde.
Die Brücke zwischen „Wissen und glauben“ ist für mich mit „dem Staunen“ gebaut.
„Staunen“ – eine spontane, natürliche Reaktion von uns auf etwas, was uns überrascht, was uns beeindruckt. Das Staunen ist für mich dabei durchweg positiv konnotiert. Das negative Pendant dazu ist das Erschrecken.
Staunen können wir auch bewusst als Gefühl erleben – wenn wir die Schönheit der Natur bewundern, den grazilen Bewegungen eines Tieres nachsehen – so vieles ist in der Natur zu bestaunen.
Angesichts großartiger architektonischer, musikalischer, bildhafter und sonstiger künstlerischer Leistungen oder Präsentationen können wir genauso ins Staunen kommen wie über technische Erfindungen.
Schon immer hat der Mensch gestaunt – und damit sich neu inspirieren lassen – zu besonderen Kunstwerken oder Erfindungen, aber es ist auch wie ein Balsam für die Seele, wenn etwas ist oder passiert, dass eben mein alltägliches Denken, mein übliches Wissen, meine alltägliche Vorstellungswelt überschreitet. Staunen mit dem geöffneten Mund und mit weiten Augen – die typische Geste dafür, um dann ganz tief diese wunderbare Lebensluft einzusaugen.
Auch in unserer Bibel ist oft vom Staunen die Rede. Leider wird meistens das griechische Wort dafür mit „wundern“ übersetzt, z.B. in der Weihnachtsgeschichte, als die Hirten anderen Menschen von der Geburt Jesu berichteten. Da heißt es: Und alle, vor die es kam, wunderten sich über die Rede. Viel schöner und treffender hätten Luther u.a. übersetzen sollen: Alle staunten über das, was ihnen die Hirten sagten.
Meistens entsteht ein Staunen im Neuen Testament dann, wenn Jesus seine Heilungen vollzieht. Denn sie gehen über alles Wissen hinaus – und tun das bis heute. Nur wir sind leider eben nicht mehr direkt dabei – bei Jesu Wundern und Heilungen. Und manches Mal denke ich, wir haben auch in all den Jahren, die seitdem vergangen sind, das Staunen verlernt. Warum? Vielleicht, weil wir heute gerne alles ganz genau vorher ergründen, planen, selbst in der Hand haben – und weil uns so viele Reize überfluten und vieles so perfekt dargestellt, gestylt, zusammengeführt ist, dass das Staunen mehr und mehr sich leise aus dem Staub macht. Wann haben Sie das letzte Mal gestaunt? Und worüber?
Wenn es nicht gerade das Wachstum des Nachbarkindes war – „Bist du aber groß geworden“, dann sind Sie mit ihrem Staunen vielleicht sogar einer neuen Erkenntnis neugierig nachgegangen – und wissen wieder etwas mehr.
Das Staunen führt uns aber auch in die andere – wie ich finde – noch wichtigere Richtung – zum Glauben.
Und wie ich das meine, wird in unserem heutigen biblischen Text wunderbar nachgezeichnet. Zwei Männer staunen: Der Hauptmann hat von den Wundern gehört, die Jesus gemacht hat, nur deshalb beginnt er ja zu hoffen, dass auch für ihn so ein Wunder sich ereignen kann.
Wir kennen noch nicht einmal seinen Namen. Mit seinen Soldaten war er in Kapernaum stationiert, einer jüdischen Stadt am See Genezareth, in der auch Jesus gewirkt hat. Aber er gehörte nicht zum jüdischen Volk und als Repräsentant des römischen Staates war er nicht gern gesehen. Fromme Juden mieden es, das Haus eines Heiden zu betreten. Darauf spielt der Hauptmann auch an, wenn er einen Besuch Jesu in seinem Haus abwehrt. Als Soldat lebte der Hauptmann in einer eigenen Kultur; in seiner Welt ging es um Befehl und Gehorsam, ein klares Wort reichte: „Wenn ich zu einem sage: Geh hin! So geht er; und zu einem andern: Komm her!, so kommt er.“ Klare Strukturen, die man kennt, von denen man weiß.
Aber mit diesem Wissen kommt der Hauptmann jetzt nicht weiter. Sein Knecht, vielleicht ist es auch sein eigener Sohn, ist krank. So geht der römische Hauptmann zu Jesus, von dem er anscheinend viel Gutes gehört hat.
Erstaunlich ist das selbst für Jesus, denn als er diese Bitte hörte, wunderte er sich. Erwartet der Soldat, dass Jesus über alle Grenzen und Konventionen hinweg den Burschen eines Hauptmanns heilt, der die heidnische Besatzungsmacht vertritt? Der Hauptmann achtet die Regeln durchaus, darum sagt er: „Ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst“. Zugleich setzt er jedoch solches Vertrauen in Jesus, dass er ihm Heilung auch aus der Ferne zutraut.
Am Ende geschieht diese Wundergeschichte. Der Knecht wird geheilt – wie und wann auch immer. Es wird nichts über die Heilung erzählt, denn das Wunder, was uns beschäftigen soll – 2000 Jahre nach diesem ganzen Geschehen, ist ein anderes:
Dass ein Mensch aus einer ganz anderen Kultur solches Vertrauen zu Jesus hat und in diesem Vertrauen alle Grenzen überwindet. Der Hauptmann weiß: Jesus kann heilen – hat mehr oder weniger darüber bereits gestaunt. Und jetzt baut sich daraus die Basis seines Glaubens: Sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund.
Jesus staunt über das Vertrauen es Hauptmanns. Er sagt: Wahrlich, ich sage euch: Solchen Glauben habe ich in Israel bei keinem gefunden!
Gegenseitig bewundernd werden sich die beiden Männer gegenübergestanden haben – staunend über das Wissen und vor allem über das Vertrauen des anderen,
Unser Wissensstand ist viel größer als damals in biblischen Zeiten. Noch immer aber können wir über manches nur staunen. Noch immer gibt uns Gott die Möglichkeit, dass wir in seiner Schöpfung und über sein Handeln staunen können. Daraus kann ein tiefer Glaube wachsen, dass er ein lebensbejahender Gott ist. Daraus nährt sich unser Vertrauen, dass sein Wirken größer ist als alles, was wir je wissen werden.
Amen.
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zu 9. Sonntag nach Trinitatis am 28. Juli 2024
von Pastorin Glatthor
Liebe Gemeinde,
an diesem Sonntag feiern wir einen „Disney-Gottesdienst“ mit dem Motto „Alles, was wir brauchen, ist Glaube, Vertrauen und ein bisschen Feenstaub“ (Peter Pan) bei uns in der Stadtkirche!
Unser Leben lässt sich manchmal mit einem Abenteuer vergleichen – einem Abenteuer wie in einem unserer Disney-Filme.
Du bist auch aufgebrochen in dieses Abenteuer, das sich Leben nennt. Bist mitten drin, unser Täufling noch ganz am Anfang. Es gibt immer wieder neue Dimensionen des puren Glücks für unseren Täufling und für dich zu entdecken. Eine ganze Welt voller Wunder hat sich geöffnet und du bist mittendrin.
Doch die Welt voller Wunder, Träumereien und Phantasie bleibt manchmal nur auf unserem Bildschirm in weiter Ferne. Nicht immer gibt es happy Ends oder starke Held*innen, die aus gefährlichen Situationen befreien, oder Feenstaub, der hilft meine Unsicherheit zu überwinden und über mich hinauszuwachsen.
Aber was hilft, damit ich und du weiter nach diesen manchmal so unscheinbaren Momenten der puren Freude in unserem Leben Ausschau halten, weiter darauf vertrauen und daran festhalten können? An diesen Momenten, in denen er dir hilft oder sie dir die Tür aufhält; sich etwas zwischen euch entwickelt, dass sich Liebe nennt und euer Herz emporhüpfen lässt; du dich so siehst, wie Gott dich sieht – wunderbar gemacht, eine Held*in, die geliebt ist. An diesen Momenten, in denen dir Gott ganz nahekommt und ihr einen kurzen Blick austauscht, keine etwas sagen muss, weil alles schon von deinen Augen erzählt ist. Momente, wo deine Gebete auf der Straße blühen wie Löwenzahn und die Lieder alle im ¾ Takt erklingen, weil du das so schön findest. Und du spürst, dass du nicht tiefer fallen kannst und du Gottes Stimme ganz laut spürst, obwohl ihr beide nichts sagen müsst. Was hilft, damit du weiter daran festhalten und danach ausschauhalten kannst?
Es gibt kein Allheilmittel und keinen Zauberspruch. Und manchmal überwiegt das Gefühl alleine zu sein, alleine unterwegs in diesem Abenteuer, dass sich Leben nennt, wo Gefahren lauern, Untiefen vor dir liegen. Was du tun kannst? Herz und Seele voll machen mit Proviant, der durchs Leben trägt. Der beste Lebensproviant ist alles, was stark macht und von der Liebe erzählt. Jedes „Ich bin so froh, dass ich dich hab.“ „Ich bin so stolz auf dich“, „du schaffst das!“, „zeig allen, was in dir steckt!“ und jeder Gutenachtkuss schreibt Sätze in die Seele, die du brauchst um nicht zu verdursten. Dieser Proviant kann noch viele Jahre später satt machen. Und du darfst auf die Begleitung Gottes hoffen, zusätzlich, immer. Schon immer und immer wieder. Gott hat dich und mich und uns schon geträumt, bevor es uns gab. Gott hat uns ins Leben geliebt. Gott geht mit uns unseren Weg, begleitet uns durch jedes noch so große Abenteuer, dass das Leben für uns bereithält. In Freundschaft, Unsicherheit, Trauer, Verlust oder Liebe – Gott war und ist dabei.
So auch schon damals, als Blinde wieder sehen, Lahme wieder gehen konnten, Menschen über sich hinausgewachsen sind, mutig Schritt für Schritt gegangen sind.
Gott ist da. Besonders wenn das Abenteuer mal unzumutbar erscheint, du dir den nächsten Schritt nicht zutraust, nicht siehst, was in dir steckt.
Heute taufen wir unseren Täufling. Die Taufe ist kein Versprechen, dass im großen Abenteuer Leben immer alles gut geht oder leicht ist. In der Taufe liegt ein anderes Geheimnis: Das Wunder des Lebens kommt nicht nur aus uns selbst. Gott ist älter als die Zeit und geheimnisvoller als all unsere Gedanken. Deshalb hört unser Täufling heute Gottes Liebeserklärung noch einmal ganz laut, so dass selbst die Engel im Himmel es hören: Du bist wunderbar gemacht und Gott geht mit dir durch dick und dünn.
Und das gilt dir genauso! Gott wird da sein, wenn dein Abenteuer dich vor Herausforderungen stellt, du mit dir unzufrieden bist und das Leben dir Zitronen gibt. Und Gott ist da und tanzt mit dir, wenn das Leben dich anlacht. Wenn über dir ein neuer, leuchtender Tag beginnt und du Gott und die Welt umarmen möchtest.
Dein, Mein, unser Abenteuer geht weiter. Die Zusage Gottes begleitet uns wie eine Melodie durchs Leben: Mal ist sie leise, mal laut. Doch sie wird nie mehr aufhören. Die Liebeserklärung Gottes hält ein Leben lang. Mit den Worten von Peter Pan: „Alles, was wir brauchen ist Glaube, Vertrauen und ein bisschen Feenstaub.“ Also lasst uns durch Leben gehen: Mutig, frei, geliebt.
Amen.
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zum 7. Sonntag nach Trinitatis am 14. Juli 2024
von Florian Näcker
Liebe Gemeinde,
Was macht einen guten Herrscher aus?
Diese Frage stellen sich viele egal, ob Kanzler, Präsident oder andere Politiker.
Aber auch wir im Kleinen herrschen. Über unsere Haustiere, unsere Räumlichkeiten oder unseren Garten. Dazu gehören nicht kritische Fragen, welches Hilfsprojekt wird jetzt beschlossen oder welche Gesetze werden erlassen. Wir müssen uns den Fragen stellen: Muss ich vielleicht die Krallen meines Haustieres schneiden; Staub wischen, sodass ich nicht Krank werde oder muss ich die Hecke trimmen, damit sie nicht in den Garten meines Nachbarn wächst.
Es sind banale Aufgaben, die viel Wirkung haben. Sie können jedoch unterschiedlich wahrgenommen werden. Dabei den richtigen Weg zu finden, ist nicht einfach, dass wissen unsere Spitzenpolitiker besonders. Wie gut, dass es dazu die Bibel gibt. In beiden Schöpfungsberichten wird der Mensch beauftragt sich um die Schöpfung zu kümmern -zu Herrschen nach Gottesvorbild.
Doch wie ist Gott eigentlich? Dazu gibt es neben den Gleichnissen Jesus, heute moderne Varianten wie z.B. die des zurecht gestutzten Baumes:
„Ein junger Baum wuchs zufrieden vor sich hin und wollte nichts weiter als leben und wachsen, Wind und Regen spüren, Erde und Sonne fühlen, geliebt werden und andere liebhaben. Eines Tages wuchs er ein wenig nach links, weil von dort die Sonne so herrlich auf seine Blätter schien. Aber das gefiel dem Gärtner nicht der ihn gepflanzt hatte, und er beschnitt ihn. Von nun an wuchs der junge Baum strebsam in die Höhe, aber das gefiel auch nicht, weil er unverschämt schnell nach oben schoss. Jetzt wurden seine Äste gestutzt. Aus Trotz wuchs er in die Breite, aber auch das glaubte der Gärtner nicht dulden zu können und griff wieder zur Schere.
Da härte der Baum auf zu wachsen, weil ihm das Leben keine rechte Freude mehr machte. Der Gärtner hingegen war stolz auf ihn, weil er jetzt erwachsen und ein anständiger Baum geworden war- wie die anderen.
Eines Tages kam ein kleines Mädchen mit seinem Vater vorbei und fand, dass der Baum traurig und zurechtgestutzt aussähe. ‚Wenn jemand den Baum wirklich hat‘, sagte es, ‚kann er ihn auch wachsen lassen, wie er selbst will!‘ Jeden Tag, wenn es jetzt an ihm vorbeikam, sagte es: ‚Ich mag dich Baum. Ich halte zu dir. Gib nicht auf, mein Baum!‘ Und dann konnten alle beobachten, wie er zuerst zaghaft, dann kraftvoll und zuletzt gar ein wenig übermütig voller Lebensfreude weiter wuchs- weil er sich glücklich fühlte.“ -Andachtsreader-Bausteine Gebete und Texte u.v.m ….;KKJD Emsland-Bentheim
Ich glaube wir können uns von beiden etwas abschneiden, vom Gärtner der ein Auge auf den Baum hat, dass er gut wächst und vom kleinen Mädchen, die den Baum beim Wachsen fördert. Amen.
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zum 5. Sonntag nach Trinitatis am 30. Juni 2024
von Pastorin Pfeifer
Liebe Gemeinde,
das ist schon eine seltsame Geschichte, die wir da eben in der Evangelienlesung gehört haben, die Erzählung von der Nachfolge der ersten Jünger Jesu, wie sie uns der Evangelist Johannes erzählt.
Auf den ersten Blick, finde ich, erscheint die Geschichte merkwürdig blass. Aber bei genauerem Hinsehen gibt es dann doch manches zu entdecken.
Wenn ich eine Überschrift für diese Erzählung finden sollte würde ich sie vielleicht so nennen: Vom Sehen und Gesehen werden oder vielleicht sogar noch treffender: Vom Erkennen und Erkannt werden. Jedenfalls finde ich, dass die meisten Personen in dieser Geschichte ausgesprochen hellsichtig sind .Was mich tatsächlich verblüfft.
Da ist der Täufer Johannes - Der sieht Jesus vorübergehen und sagt zu zweien seiner eigenen Anhänger, die neben ihm stehen:
Das ist Gottes Lamm- Und fasst in diesem kurzen Satz beinahe schon die ganze Bedeutung Jesu zusammen. Erkennt nicht nur ,dass er der lang ersehnte Messias und Sohn Gottes ist, sondern erahnt auch schon sein bitteres irdisches Ende, seinen Tod am Kreuz ,zu dem er wie ein Lamm , das im Tempel geopfert wird, geführt werden wird. Zur Vergebung der Sünden für viele.
Die beiden Männer werden das vermutlich kaum verstanden haben. Aber so merken wir hier: Ihre Neugier ist geweckt. Sie spitzen die Ohren, hören ganz genau hin und folgen Jesus nach, um mehr von ihm zu sehen und von ihm zu hören.
Und Jesus merkt das und fragt sie: Was sucht ihr?
Und erkennt und beschreibt mit dieser Frage ihre Sehnsucht und ihre tiefe Bedürftigkeit den ersehnten Messias zu finden.
Denjenigen also, der nach damaliger Vorstellung ihre Sehnsucht nach Frieden und Gerechtigkeit , nach einem guten und friedvollen Zusammenleben aller Menschen verwirklicht und erfüllt. Der das Reich Gottes aufrichtet mitten in dieser Welt und der es schafft, dass alle Menschen nach Gottes Willen in Freundschaft und Liebe miteinander leben.
Und wir merken heute, angesichts des Kriegs in der Ukraine und im Gazastreifen ja ganz deutlich wie fragil und gefährdet der Friede ist. Wie sehr wir uns alle nach einem Leben in Frieden und Sicherheit und Freiheit sehen .Aber auch wie schwer das ist Despoeten Einhalt zu gebieten. Und wie schnell wir mit friedlichen Mitteln und unseren Möglichkeiten am Ende sind .Wie sehr wir aber auch auf eine höhere Macht, die uns beisteht und hilft, die uns ermutig und uns auf den Weg zum Frieden bringt, hoffen. Und dass es wirklich gut ist, Gott immer wieder um Frieden zu bitten, wie das in einem Lied in unsrem Gesangbuch zum Ausdruck kommt.
Gib Frieden, Herr, gib Frieden, die Welt nimmt schlimmen Lauf. Recht wird durch Macht entschieden, wer lügt liegt oben auf. Das Unrecht geht im Schwang, wer stark ist der gewinnt. Wir rufen Herr wie lange hilf uns die hilflos sind.
Gib Frieden, Herr, gib Frieden, denn trotzig und verzagt, hat sich das Herz geschieden von dem was Liebe sagt.
Gib Mut zum Händereichen, zur Rede die nicht lügt und mach aus uns ein Zeichen, dafür das Friede siegt.
Ja, liebe Gemeinde, wir merken die Sehnsucht nach Gott und nach seinem Frieden ist groß. Bis heute. Und auch die Frage Jesu: „Was sucht ihr? „ bleibt aktuell.
Die Jünger erhoffen bei Jesus Antwort auf ihre Suche. Darum sprechen sie ihn auch mit dem Ehrentitel Rabbi, Meister an und geben zu erkennen, dass er einer ist, der tiefer sieht und in der Lage ist ihre Fragen zu beantworten.
Einer von ihnen war Andreas, der Bruder von Simon Petrus. Der läuft voller Freude zu einem Bruder und sagt ihm: Wir haben den Messias gefunden, den Gesandten Gottes, der der Welt Liebe und Frieden und Freundschaft bringt und gekommen ist die Welt mit Gott zu versöhnen.
Andreas hat Jesus gesehen und gehört, erkannt und gespürt wer da gekommen ist. Er hat die Nähe und Liebe, die Gegenwart und die Freundschaft Gottes gespürt in Jesus Christus. Und ist davon komplett erfüllt, begeistert und hin und weg.
Und geht zu seinem Bruder und bringt ihn zu Jesus, damit der das auch spürt, sieht und erkennt.
Und kaum, dass Jesus ihn sieht sagt er zu ihm: Du bist Simon, der Sohn des Johannes, du sollst Kephas heißen, das heißt übersetzt: Fels.
Und das ist wieder ein kleiner aber bemerkenswerter Passus in unserer Geschichte.
Denn kaum , das Jesus Simon sieht, erkennt er , wen er da vor sich hat und nennt ihn beim Namen.Simon , der Sohn des Johannes.
Schon die ersten Christen haben darin den Hinweis auf die Taufe gehört: Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein. Und schon in der Nennung des Namens die Berufung des Simon erkannt und gehört.
Aber diese besondere Berufungsgeschichte geht ja noch weiter. Jesus gibt ihm auch gleich einen neuen Namen: Kephas, das heißt übersetzt Fels oder auch Petrus.
Und in diesem Namen ist schon alles enthalten, was und wie Simon dem Wesen nach ist, aber auch was er noch sein wird. Nämlich der Fels auf den Christus dann sehr viel später seine Kirche baut.
Ein Fels ,der allerdings auch in Sachen des Glaubens alles andere als felsenfest ist. Der später an seinem Kleinglauben scheitern wird und beinahe untergegangen wäre, wenn Jesus nicht an ihm festgehalten und ihn gerettet hätte. Der noch später 3 Mal leugnen würde, Jesus zu kennen und der darüber noch viel später vollkommen entsetzt und verzweifelt ist.
In dem Jesus aber von Anfang an den liebevollen und liebenswerten, ernsthaft bemühten aber auch immer wieder schwachen und scheiternden Menschen erkennt,
den er aber gerade so lieb hat und annimmt und zu sich nimmt. Und den er mitnimmt auf allen Wegen, die jetzt noch in der Zukunft vor ihm liegen.
Mir, liebe Gemeinde, tut der Gedanke an die Berufung des Simon Petrus gut. Weil sie ganz deutlich zeigt , dass Jesus und Gott in ihm uns Menschen so nimmt , annimmt und liebt wie wir sind, mit unseren schönen und liebevollen Seiten , mit unseren Begabungen und Fähigkeiten aber auch mit unseren Fehlern und Schwächen.
Und trotzdem traut Jesus Simon Petrus und uns allen allerhand zu. In seiner Nachfolge zu leben, mit ihm gemeinsam durchs Leben zu gehen und auch immer wieder Neues, wie hier einen neuen Aufbruch zu wagen. Simon Petrus jedenfalls folgt ihm nach und auch Philippus, den Jesus kurz danach in die Nachfolge ruft.
Mich überrascht jedes Mal an den biblischen Geschichten wie bereitwillig manche Menschen damals mit Jesus gegangen sind. Wie schnell sie alles Bisherige hinter sich lassen
Ich weiß nicht, ob ich das könnte. Mein Leben, meine Lieben, meine ganze Existenz verlassen und hinter mir lassen. Aufgeben woran mein Herz hängt und wofür ich ja auch Verantwortung habe. Ich möchte das nicht. Und kann auch nicht glauben, dass das heute der Gottes Wille ist.
Aber wir merken , dass das damals in der unmittelbaren Begegnung mit Jesus , seiner Persönlichkeit , seiner Ausstrahlung und seiner Verkörperung der Liebe Gottes anders war und vielleicht sogar noch bis heute ist, in der Begegnung mit dem , was uns sofort und unmittelbar einleuchtet und angeht, was wir als wertvoll und wichtig erkennen.
Solche Erfahrungen machen wir ja bis heute. Da hören wir Worte, die uns unmittelbar angehen und berühren. Ich erinnere mich an die Erzählung unsres Altbischofs Ulrich, der erst Schauspieler war und dann von dem vorgetragenen Psalm einer Kollegin so sehr persönlich berührt und betroffen war, dass er tatsächlich für einen Moment seinen Auftritt vergaß und danach dann damit begann Theologie zu studieren. An den 15 jährigen Jungen, der kurz vor Ende des 2.Welztkriegs noch nach Berlin sollte, um dort als Luftwaffenhelfer verheizt zu werden und der dann plötzlich träumte, dass eine Stimme ihm sagte. Hab keine Angst du musst da nicht hin. Und der das dann auch nicht mehr musste weil der Krieg dann eben doch zu Ende war.
Es gibt diese dichten, besonderen Erfahrungen aber auch im Alltag mitten unter uns. Etwas das mich persönlich plötzlich besonders berührt und angeht. Eine innere Stimme, die mich dazu drängt, jemanden anzurufen und der mir dann sagt, dass er genau darauf gewartet hat, der sechste Sinn, der mich dazu bringt, doch noch einen Besuch zu machen. Der dann ungeahnt wichtig ist oder mir selbst eine ganz neue Perspektiven eröffnet.
Der plötzliche Geistesblitz, der mich dazu bringt etwas ganz anderes oder ungewöhnliches zu machen. Der tiefe Sinn , den ich manchmal erkenne, wenn plötzlich wirklich eins zum anderen passt. Wenn ich mich durch eine Reportage im Fernsehen plötzlich dazu gerufen und auch gebracht werde für Menschen in Not zu spenden oder mich sogar daran mache einen Lastwagen voller Hilfsmittel zu packen oder sogar dorthin zu bringen.
Ja es gibt diese besondere Hellhörigkeit und Hellsichtigkeit mitten im Leben für das, was existentiell und auch essentiell richtig und wichtig ist, bis heute. Die Frage ist aber auch, ob ich diesen Ruf höre .Kann schon sein ,dass mich ein Ruf oder eine Erkenntnis so unmittelbar trifft und ergreift , dass ich gar nicht anders kann ,als das wahrzunehmen und darauf zu reagieren. Kann aber auch sein, dass ich innehalten und zur Besinnung kommen muss, um das wahrzunehmen und zu spüren.
Aber zurück zu unserer Geschichte. Auch Philippus hört Jesu Ruf und lässt sich sofort in die Nachfolge Jesu rufen. Und geht sogar noch zu Nathanael um ihm voller Freude zu erzählen: Wir haben den gefunden, von dem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben: Jesus, Josephs Sohn aus Nazareth. Komm und sieh!
Aber Nathanael bleibt skeptisch: Was kann aus Nazareth schon Gutes kommen. Trotzdem folgt er der Aufforderung von Philippus und geht mit.
Kaum aber sieht Jesus ihn, sagt der zu ihm er zu ihm: Siehe ein rechter Israelit, an dem kein falsch ist. Und Nathanael fühlt sich sogar richtig erkannt und angesprochen und fragt: Woher kennst du mich?
Und Jesus antwortet, dass er ihn schon, bevor Philippus ihn rief, unter den Feigenbaum sitzen sah. Woraufhin Nathanael sofort überzeugt ist und sagt. Rabbi, du bist Gottes Sohn, du bist der König Israel. Eine Reaktion, die, bis heute verblüfft und kaum zu erklären ist. Dass Nathanael sich gesehenen und erkannt fühlt und an Jesus, als den Sohn Gottes glaubt.
Aber auch Jesu Antwort ist verblüffend: Du glaubst, weil ich dir gesagt habe, dass ich dich unter dem Feigenbaum gesehen habe. Du wirst noch größeres sehen als das. Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel hinauf-und hinabfahren sehen über dem Menschensohn.
Ihr werdet den Himmel offen sehn. Eine größere Verheißung kann es kaum geben. Jesus erinnert an den offenen Himmel in Jakobs Traum, an Engel, die auf der Leiter, die Himmel und Erde miteinander verbindet, hinab und heraufsteigen um Himmel und Erde, Gott und Mensch zu verbinden. Aber und das ist neu: Über dem Menschensohn Jesu von Nazareth, dem Messias und Christus. In dem Gott und Mensch, Himmel und Erde verschmolzen sind, damit die Menschen sich daran halten und die Liebe und Freundschaft Gottes begreifen können. Damals und heute. Damit wir bis heute die Freundschaft und Liebe Gottes erfahren und begreifen. Damit wir der Liebe Gottes gewiss und sicher sind.
Auch und gerade in Zeiten wie diesen , in denen der Friede plötzlich in ganz Europa und auch weltweit wieder unsicher geworden ist. Gut, wenn wir dann an die Liebe Gottes glauben und auf Gott hoffen können. Dass bei ihm immer noch anderes und noch viel mehr machbar und möglich ist, wenn wir als Menschen schön längst nicht mehr weiter wissen. Darauf lasst uns hoffen und auch vertrauen. Und Gott auch immer wieder um solches Vertrauen ,um Hoffnung und Zuversicht bitten.
Amen
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zum 4. Sonntag nach Trinitatis am 23. Juni 2024
von Propst Faehling
Liebe Gemeinde,
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater und dem Herrn, Jesus Christus.
Amen.
1. Sam 24, 1-20
Nun der dritte Teil der Geschichte, die Verse 17-20
17 Als David ausgeredet hatte, fragte Saul:
»Ist das nicht deine Stimme, mein Sohn David?«
Und Saul begann laut zu weinen.
Dann sagte er zu David:
»Du bist mir gegenüber im Recht!
Denn du hast Gutes an mir getan,
ich aber habe dir Böses angetan!
Gerade heute hast du bewiesen,
dass du Gutes an mir getan hast.
Du hast mich nicht getötet,
obwohl der HERR mich in deine Hand gab.
Wenn einer auf seinen Feind trifft,
lässt er ihn dann in Frieden seinen Weg ziehen?
Nein! Du aber hast das heute getan!
Der HERR soll dich dafür belohnen,
dass du mich an diesem Tag verschont hast.
Tja, da hat David wohl den richtigen Zeitpunkt verpasst, klare Kante zu ziehen. Unter Königen ist man besser nicht zimperlich, erst Recht, wenn einer wie Saul immer mehr die Macht verdreht, immer depressiver, immer stimmungsabhängiger regiert und am Ende das Volk um ein Haar in den Untergang führt und dem nur entgeht, indem er sich selbst in sein Schwert stürzt und stirbt. Kurz zuvor war der von Gott eingesetzte König noch bei der Hexe von Endor gewesen und hatte sich im dunklen Zelt die Karten legen lassen.
Muss man nicht dem Rad der Geschichte in die Speichen greifen, den Tyrannen ermorden, den Autokraten, der Europa mit Krieg überzieht, stürzen?
Die Themen von damals und heute liegen gar nicht so weit auseinander, obwohl 3000 Jahre dazwischenliegen.
Aber David, der als kleiner Junge Goliath mit der Steinschleuder zu Fall bringt und später ein so mächtiger König wird, dass Israel sich bis heute auf ihn beruft, verzichtet hier darauf, den Lauf der Geschichte in die eigene Hand zu nehmen.
Er tut das nicht pazifistisch, zögerlich, aus unklarer politischer Haltung. Er tut es, weil er sich an seinem inneren Kompass ausrichtet und an dem dort angezeigten Kurs festhält.
Hinter wem jagst du her? Hinter einem toten Hund, hinter einem einzelnen Floh?
Markant beschreibt David, wie Menschen ohne inneren Kompass oft einem momentanen Impuls, einer überkommen Idee, einem Bild folgen, dass von der Realität des großen Ganzen nicht gedeckt ist.
Auch hier entdecke ich eine Parallele zu vielen Dingen der aktuellen Politik. Die Kriege dieser Welt, sie werden unter dem Brennglas des Augenblicks geführt, diskutiert und entschieden. Wer hat wem gegenüber unerträgliche Gewalt, übergroße Ungerechtigkeit, angstmachende Bedrohung ausgeübt? Und immer wird es Antworten geben, die die Antwort des Augenblicks rechtfertigen. So war im zweiten Weltkrieg die Bombardierung Dresdens zu rechtfertigen und die unfassbar verlustreiche Schlacht rund um den D-Day.
Was vorher alles geschehen war an politisch unzureichenden Abkommen, an Nicht-Ernstnehmen einer faschistischen Machtergreifung, an Kuhhändeln quer durch Europa und die Welt – es verschwand im aktuellen Szenario und wurde erst später wieder von den Geschichtsschreibern hervorgeholt. Und dann entsteht alles, was einmal unter der Gnade der späten Geburt auch als überhebliche Rechthaberei der nachfolgenden Generationen gehandelt wurde.
Davids innerer Kompass – an den er sich selbst natürlich gar nicht ein Leben lang gehalten hat, auch dazu gibt es heftige biblische Erzählungen – hätte hier angewandt allerdings bedeutet, das Überlebensrecht des Einzelnen, die unantastbare Menschenwürde und das ehrliche Aufarbeiten menschlicher Fehlentscheidungen auszuhalten und durchzubuchstabieren.
Mit anderen Worten: Mord, auch nicht der politisch gut begründete, gehört zum Heilsplan Gottes für eine friedliche, lebenswürdige Welt.
Gottes Plan, wenn ein Mensch sich überhaupt anmaßen könnte, zu meinen, er könnte Gottes Plan in Worte fassen; Gottes Plan ist nach meinem Verstehen jedenfalls einer, der dem Leben Vorrang lässt unter den Überschriften von Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung. Diesen Dreiklang finde ich immer wieder unübertroffen.
Und natürlich höre ich die vernunftbegabten Kritiker sagen: Der Pastor, der Gutmensch, er klinkt sich wieder einmal aus der Realität der Welt aus – wie unrealistisch – träum weiter.
Und ich weiß, es ist ein Traum. Und ich vergleiche ihn mit Jakobs Traum von der Himmelsleiter, oder mit Josefs Traum, der ihn mit Maria und dem Kind nach Ägypten fliehen lässt oder mit Josefs Träumen, die ihn zum Retter der Israeliten werden lassen. Träume werden belächelt, Josef wurde dafür sogar in die Sklaverei verkauft. Am Ende ist der Himmel den Träumen näher als meiner gewaltbereiten Hand.
Was bedeutet es für unser reales menschliches Handeln, wenn ich so spreche?
Für mich bedeutet es, so oft als möglich – und ich selbst scheitere darin immer wieder – mich an den Ausgangspunkt und den Zielpunkt des Lebens zu erinnern; von Ewigkeit zu Ewigkeit heißt die schwer verständliche Formel dazu. Herunterbuchstabiert könnte ich vielleicht so sagen: Das Leben ist soviel größer als ich und all mein Denken und Fühlen, dass ich gut daran tue, immer wieder nach einem Halt zu suchen, der nicht in meiner kleinen Seele begrenzt liegt.
Gott zu vertrauen ist keine fromme Pflichtübung, sondern die großartige Chance, einen mich übersteigenden und zugleich umfassenden Maßstab zu finden, in den ich mein Handeln immer neu einsortieren kann. Nicht von Unterordnung spreche ich, sondern von Einsortieren in ein überweltliches Gesamtkonzept, indem meine großen Pläne mit Davids Worten oft wie tote Hunde oder kleine Flöhe wirken.
Oder wie Saul sagt: Du hast Gutes an mir getan, obwohl es leicht gewesen wäre, Deine Pläne mit Hilfe einer Abkürzung zu verwirklichen und mich zu töten.
Einen letzten Gedankenzug zu alledem möchte ich mit Blick auf die Europawahl vor 14 Tagen ansprechen. Der Rechtsruck, der so eine große Mischung aus Bestürzung und Empörung verursacht, kam alles andere als überraschend.
Er kam in einer Zeit, in der schon länger die große Politik vielfach die Anschlussfähigkeit an die normalen Menschen verloren hat. Kevin Kühnert hat es selbst so formuliert.
Wir reden viel zu wenig miteinander, wir achten viel zu wenig einander und aufeinander. Es gibt soviel Rechthaberei und Sicherung der eignen Pfründe. Und viel zu viel wird unter dem Brennglas toter Hund oder Floh betrachtet und damit von unbedeutend zu wichtig erhoben.
Und natürlich ist das nur eine nachdenkliche Annäherung meinerseits; die Patentlösung habe ich auch nicht zur Hand.
Und doch bin ich sicher, dass aus der Haltung Davids, der töten könnte, aber nur das Stoffstück abschneidet, der Gottes Heilsplan wichtiger nimmt als sein momentanes politisches Interesse, und der sich dem politischen Gegner ernsthaft versöhnlich gegenüberstellt und dazu seine Soldaten mitnimmt, einen guten gedanklichen Ansatz liefert, auf dem man neue politische Wege weiterdenken könnte.
Manchmal bin ich ganz froh, dass wir als Kirche auch ein bisschen als politisch aus der Zeit gefallen gelten, denn die Hast, die Überheblichkeit, die Abkürzungen und die kurzen politischen Zündschnüre dieser Zeit sind nicht meins. Stattdessen die Welt und die Menschen immer wieder aus dem Blickwinkel des großen Ganzen, aus dem Blickwinkel dessen zu sehen, den ich Gott nenne, weitet, macht demütig, verlangsamt und hilft, neue Wege zu gehen.
Ich glaube Gottes Weg zum Leben ist seit dem Anfang aller Schöpfung jeden Tag ein neuer. Insofern, finde ich, hat David genau im richtigen Moment nicht getötet.
Amen.
Ihr Propst Erich Faehling
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zu 3. Sonntag nach Trinitatis am 16. Juni 2024
von Pastorin Karopka
Liebe Gemeinde,
Junge Leute zählen oft die Tage, bis es endlich so weit ist: Koffer packen für einen Flug, um ein Jahr im Ausland zu sein. Vom Abigeld ein altes Auto kaufen und mit dem Freund richtig lange Ferien machen – ohne zu wissen, wann genau ihr Ende ist. Mit der Freundin in eine WG ziehen oder im Krankenhaus ein soziales Jahr absolvieren. Junge Leute zählen oft die Tage, bis endlich die Schule vorbei ist, wenn sie aus dem Elternhaus ziehen können, sich in neuen Tätigkeitsfeldern erproben.
Mit 20 stehen die Tore der Welt offen. Aber selbst im wirklich jungen Alter enden nicht alle Wege im goldenen Glück. Unser heutiger biblischer Text nimmt uns mit auf einen Weg von Aufbruch und Ankommen. Er ist uns aufgeschrieben im 15. Kapitel des Lukasevangeliums.
Es nahten sich Jesus Zöllner und Sünder, um ihn zu hören. Und die Pharisäer und die Schriftgelehrten murrten und sprachen: Dieser nimmt die Sünder an und isst mit ihnen. Er sagte aber zu ihnen dies Gleichnis und sprach:
Ein Mensch hatte zwei Söhne. Und der jüngere von ihnen sprach zu dem Vater: Gib mir, Vater, das Erbteil, das mir zusteht. Und er teilte Hab und Gut unter sie. Und nicht lange danach sammelte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land; und dort brachte er sein Erbteil durch mit Prassen. Als er aber alles verbraucht hatte, kam eine große Hungersnot über jenes Land und er fing an zu darben und ging hin und hängte sich an einen Bürger jenes Landes; der schickte ihn auf seinen Acker, die Säue zu hüten. Und er begehrte, seinen Bauch zu füllen mit den Schoten, die die Säue fraßen; und niemand gab sie ihm. Da ging er in sich und sprach: Wie viele Tagelöhner hat mein Vater, die Brot in Fülle haben, und ich verderbe hier im Hunger! Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. Ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße; mache mich einem deiner Tagelöhner gleich! Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und es jammerte ihn, und er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn. Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße. Aber der Vater sprach zu seinen Knechten: Bringt schnell das beste Gewand her und zieht es ihm an und gebt ihm einen Ring an seine Hand und Schuhe an seine Füße und bringt das gemästete Kalb und schlachtet’s; lasst uns essen und fröhlich sein! Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden. Und sie fingen an, fröhlich zu sein. Aber der ältere Sohn war auf dem Feld. Und als er nahe zum Hause kam, hörte er Singen und Tanzen und rief zu sich einen der Knechte und fragte, was das wäre. Der aber sagte ihm: Dein Bruder ist gekommen, und dein Vater hat das gemästete Kalb geschlachtet, weil er ihn gesund wiederhat. Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Da ging sein Vater heraus und bat ihn. Er antwortete aber und sprach zu seinem Vater: Siehe, so viele Jahre diene ich dir und habe dein Gebot nie übertreten, und du hast mir nie einen Bock gegeben, dass ich mit meinen Freunden fröhlich wäre. Nun aber, da dieser dein Sohn gekommen ist, der dein Hab und Gut mit Huren verprasst hat, hast du ihm das gemästete Kalb geschlachtet. Er aber sprach zu ihm: Mein Sohn, du bist allezeit bei mir und alles, was mein ist, das ist dein. Du solltest aber fröhlich und guten Mutes sein; denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wiedergefunden.
Die biblische Geschichte spricht für sich. Und doch lohnt es sich, ein wenig tiefer in sie einzutauchen.
Da ist ein junger Mann, den es hinaus in die Welt zieht. Eigene Erfahrungen will er machen und unbekannte Wege gehen. Die Welt will er entdecken und seine Fähigkeiten ausprobieren. Auf dem Hof seines Vaters sieht er für sich keine Zukunft, denn er weiß, dass der ältere Bruder ihn nach dem Tod der Eltern übernehmen wird. So bittet er seinen Vater, sein Erbe schon vorher ausgezahlt zu bekommen. Der Vater willigt ein – und lässt ihn gehen. Keine Kritik und keine Warnung, keine Ratschläge und erst recht keine Nörgelei oder gar Vorwürfe. Der Junge darf den Duft der großen weiten Welt kosten. Er ist frei – mit dem bereits ausgezahlten Erbteil.
Aber der junge Mann scheitert. Das hat verschiedene Gründe. Deutlich ist, dass er selbst einen nicht geringen Anteil an seinem Niedergang hat: Er ist mit seinem Geld nicht sparsam und vorausschauend, sondern verschwenderisch umgegangen, brachte sein Erbteil durch mit Prassen. Eine Hungersnot im Lande verschärfte die Schwierigkeiten für alle. Mit dem Hüten von Schweinen hat er eine Tätigkeit gefunden. Seinen Hunger wollte er mit den Schoten stillen, die die Schweine fraßen, aber niemand gab ihm davon etwas. Einsam, hungrig, arm – am Boden sitzend kam der junge Mann ins Nachdenken. Er dachte an sein Elternhaus, an die dort angestellten Tagelöhner, denen es besser ging als ihm in der Fremde. Und er entschloss sich, den Heimweg anzutreten, auch wenn er sich sicher ist, es wird nicht mehr wie früher sein: „Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen.“
Ganz ehrlich zu sich selbst nahm er sein Scheitern an – und wird es offen bekennen: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir.“ So macht er sich auf den Weg und sieht schon von weitem seinen wartenden Vater. Wie überrascht muss er gewesen sein, als sich da offene Arme zeigten.
Die wenigsten von uns sind schon zu Lebzeiten der Eltern mit dem Erbteil in die weite Welt gezogen. Aber der eine oder die andere wird aufgebrochen sein nach dem Schulabschluss in andere Gegenden, in ferne Länder, große Städte. Und wie schön ist es dann, mit all seiner Erfahrung, mit seinem Erfolg, aber auch mit den Erfahrungen des Scheiterns offene Arme in vertrauter Umgebung zu finden, ein Willkommen in der Familie und bei Freunden feiern zu können.
Aber wir blicken in dieser Geschichte auch auf den älteren Bruder, der sich nicht mitfreuen kann. Treu und fleißig hat er seinem Vater zur Seite gestanden. Viel hat er gearbeitet, pflichtbewusst hat er sich auf die Aufgabe vorbereitet, die nach dem Tod seines Vaters auf ihn zukommt: die Übernahme des Hofes. Vielleicht war er manches Mal genervt von der Sorge der Eltern, was wohl der jüngere Sohn macht. Vielleicht hat er sich manches Mal auch gewünscht, fortgehen zu dürfen. Aber er blieb.
Und nun hört er schon von weitem das rauschende Fest. Als er den Grund erfährt, wird er zornig und will gar nicht dabei sein, wenn die anderen feiern. Sein Vater kommt auch ihm entgegen, muss sich aber den ganzen Zorn seines älteren Sohnes anhören. So viele Jahre diene ich dir und habe dein Gebot nie übertreten – und du hast mir nie einen Bock gegeben, dass ich mit meinen Freunden fröhlich wäre.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass das nicht so war. Auch für den älteren Sohn wird der Vater hin und wieder die Scheune umgeräumt haben, auch für ihn und seine Freunde etwas Leckeres serviert haben. Aber all das ist jetzt überschüttet mit der Enttäuschung, dass sein Bruder gefeiert wird, der es in seinen Augen so nicht verdient hat.
Ich kann auch diese Sichtweise des Älteren verstehen. Schon manches Mal habe ich ähnliche Erfahrungen gehört, wie z.B.: Ich pflege meine Mutter Tag und Nacht – und dann kommt meine Schwester aus Berlin angereist und ist die allerbeste.“ - „Den Betrieb meines Vaters habe ich all die Jahre in seinem Sinne weitergeführt, habe auf Abitur und Lehre verzichtet. Meine jüngeren Geschwister aber konnten das alles machen.“ So und ähnlich klingen die Worte heute.
Die dritte Figur in diesem Gleichnis ist der Vater. In dem Moment, als er seinen jüngeren Sohn zurückkommen sieht, durchzieht ihn Mitleid und Freude. Er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn. Der Vater hört die Reue des Sohnes, aber die Freude ist größer als alles, was er an Groll, an Sorgen, an Vorwürfen in den letzten Wochen in Gedanken an ihn hatte. Die Übergabe von Kleid und Ring an seinen Sohn macht deutlich, dass dieser wieder sofort in die Familie integriert wird. Die Schuhe erheben den jüngeren Sohn in den Stand eines freien Herrn. Diese Symbolik erhält durch das Ausrichten des Festes seine öffentliche Bestätigung. Lasst uns essen und fröhlich sein! Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden. Was für wunderbare Worte elterlicher Liebe. Welch starke Freude, einen verloren geglaubten Menschen wieder in seinem Leben haben zu dürfen.
Eine biblische Geschichte, in der wir uns mit so vielen Gedanken und Gefühlen, Erinnerungen und Hoffnungen wiederfinden können. Erzählt wird sie uns von Jesus aber als Gleichnis für Gottes Liebe. Was auch immer hinter uns liegt, welche Nähe wir auch immer zu Gott hatten und haben – seine Arme für uns sind geöffnet, so dass auch das Tor ins Leben mit seiner Begleitung niemals ins Schloss fällt.
Jesus zeigt uns durch dieses Gleichnis aber auch: Uns wird ein Leben unter Geschwis-tern zugemutet. Niemand ist auf der Welt allein. Wer bekennt: „Ich glaube an Gott den Vater…“, der verbindet sich mit allen, die ebenfalls an den göttlichen Vater glauben. Sie werden ihm zu Brüdern und Schwestern. Sie helfen, stützen und stärken mich, ich kann mit ihnen meine Zweifel und Fragen zu Gott teilen und Ermutigung auf dem Glaubensweg erfahren. Aber von meinen Brüdern und Schwestern kann ich mich nicht einfach lossagen, sie sind Gottes Kinder wie ich selbst.
Eine großartige Familiengeschichte. Im Kleinen, weil sie von einem Vater und zwei Söhnen erzählt. Im Großen, weil sie uns mit hineinnimmt in Gottes Familie – Gott als Vater, wir seine Kinder, die in eigener Freiheit mit seiner Hilfe immer wieder ihren Weg gehen können – aufbrechen dürfen – bei ihm aber auch immer wieder ankommen können. Amen.
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zum 2. Sonntag nach Trinitatis am 09. Juni 2024
von Pastorin Parra
Liebe Gemeinde,
Sonntag für Sonntag sitzen wir in der Stadtkirche beisammen. Uralte Gemäuer sind das. Der Grundstein wurde vermutlich schon im 12. Jahrhundert gelegt.
Noch älter ist der Brief an die Gemeinde in Ephesus. Er entstand im ausgehenden ersten Jahrhundert nach Christus. In Ephesus hatte sich eine Gemeinde aus Menschen gebildet, die nicht aus Juden, sondern aus ehemals Andersgläubigen bestand. Das junge Christentum galt den Römern als jüdische Sekte, den Juden als Irrglauben und den Wohlwollenderen als kleine Schwester des Judentums, als ein neuer Spross am alten Baum. Die Christengemeinden wussten vielfach selber nicht, wer sie nun sein wollten und was sein würden. Sollten sie sich nun als Neubürger des Judentums verstehen und sich zum Beispiel an die althergebrachten Speise- und Bekleidungsvorschriften halten? Waren sie als Christen vielleicht sogar nur Juden zweiter Klasse, Proselyten, Zugezogenen im Glauben? Alles war im Umbruch, alles war neu. Sie waren im Grunde geistliche Migranten, die jungen Christen: Sie entflohen der römischen Einerlei-Kultur und der beliebigen Vielgötterei ihrer Umwelt, sie suchten eine neue geistliche Heimat im Glauben an den Auferstandenen Christus.[1]
Und an diese Menschen schreibt der Autor:
„Christus ist unser Friede. Er kam und hat diesen Frieden allen verkündet: euch, die ihr fern wart, und ebenso denen, die nahe waren. Durch ihn dürfen wir beide, Juden und Nichtjuden, in einem Geist vor Gott, den Vater, treten Ihr Menschen aus den anderen Völkern seid also nicht länger Fremde und Gäste. Ihr habt Bürgerrecht im Himmel zusammen mit den heiligen Engeln, ihr seid Gottes Hausgenossen.“ (Eph 2, 17-19)
Der Autor des Epheserbriefes benutzt das Bild des Hauses für die christliche Gemeinde. Es gibt ein Fundament: Das sind die alttestamentlichen Propheten ebenso wie die Apostel, die die Botschaft Jesu weitergetragen haben. Und den Eckstein im Fundament bildet Christus. Der trägt alles. Er ist unser Friede.(Eph 2,20f)
Einen anderen Grund kann niemand legen. Wer will suche ein anderes Ziel. Das Haus der Christen ist auf ihn gegründet.
„Durch ihn wird der ganze Bau zusammengehalten, durch ihn, den Herrn, wächst er auf zu einem heiligen Tempel. Weil ihr zu Christus gehört, seid auch ihr als Bausteine in diesen Tempel eingefügt, in dem Gott durch seinen Geist wohnt.“
Also doch wieder Mauern, die von der Außenwelt trennen? Wer nicht an Christus glaubt, gehört nicht dazu? Ich denke, die Chance unserer Kirche heute besteht darin, sich des eigenen Grundsteins zu versichern und fest darauf zu bauen, aber die Türen offen zu halten. Überhaupt tut es alten Gemäuern gut, wenn sie gründlich gelüftet werden.
Der Eckstein unserer Stadtkirche ist recht leicht zu finden. Vielleicht gehen Sie nachher auf die Suche. „Soli Deo Gloria“ steht darauf. Allein Gott sei Ehre. Wir haben einen Grundstein, auf den wir bauen können. Wir müssen es nicht aus eigener Kraft tun. Es ist nicht unser Haus, sondern es gehört Gott. Aber wir sind Bausteine, aus denen das Haus aufgebaut ist – je bunter, desto lebendiger. Sicher gibt es ganz verschiedene Namen für diesen Grundstein. Das werden wir schon entdecken.
Kein Gegeneinander mehr – Menschen aus der Ferne und aus der Nähe – Gottes Kinder. Bürgerrecht im Himmel haben als Gottes Hausgenossen. Für mich klingt das wundervoll. An diesem Tag, an dem wir das Europaparlament wählen, sehne ich mich nach diesem Frieden hier in Europa und in der ganzen Welt. Einer Welt, in der es nah und fern Kriege und Krisenherde gibt. In der die Kulturen und Religionen einander oft fremd und feindlich gegenüberstehen und Grenzen unüberwindlich scheinen. In der immer mehr Menschen nicht mehr auf Integration, sondern auf Remigration setzen.
Heute dürfen wir mit entscheiden, wer im Haus Europa in Zukunft das Sagen hat: Die, die unter sich bleiben wollen und sich abschotten – auch untereinander, aber erst recht nach außen oder die, die wissen: Für das Haus Europa und für das Haus Welt erreichen wir Menschen zusammen am meisten. Ich wünsche mir darin verschiedene Traditionen und Kulturen, das Wachhalten der Erinnerung an Gelingendes und Schreckliches. Ich wünsche mir einen Austausch über all das, der die Fremdheit überwindet und Zukunft möglich macht.
Für jede lebendige Gemeinschaft gilt: Die Steine, mit denen weitergebaut wird, dürfen vielfältig sein, so wie die ersten christlichen Gemeinden es waren. Es muss keine Berührungsängste geben – weder in unserem Gotteshaus noch in anderen Gemeinschaften, sondern offene Türen und offene Herzen. Komm, sag es allen weiter: Gott selber lädt uns ein! Gott lädt uns ein an seinen Tisch, mit ihm die Gemeinschaft zu feiern und den Frieden.
Ihre Pastorin Ute Parra
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zum 1. Sonntag nach Trinitatis am 02. Juni 2024
von Pastorin Parra
Liebe Gemeinde,
der alte, rostzerfressene VW-Bus klappert die Auffahrt hoch. Pia kennt den Klang genau, denn sie hört ihn jeden Abend. Als sie klein war, lag sie manchmal schon im Bett wenn ihre Mutter nach einem langen Arbeitstag nach Hause kam. Jetzt ist es das Signal, dass Papa uns sie das Essen auf den Tisch stellen können.
Es ist so ein „Alles-ist-in Ordnung-Geräusch“. Pia liebt die alte Blechkiste, in der sie zusammen schon so manchen Urlaub erlebt haben. Ja, es stimmt: Alles hier auf der Erde geht irgendwann kaputt Wer sein Herz zu sehr daran hängt, für den endet das Ganze schließlich traurig. Wie haben sie alle mitgefiebert, als es im vergangen Jahr mit dem TÜV auf der Kippe stand! Einmal ist es noch gutgegangen. Und wenn das Auto dann auf den Schrott muss, behalten sie als Erinnerung vielleicht noch das Nummernschild – so lange das hält.
Wir sollen auf Erden keine Schätze sammeln, sollen nicht an Irdisches unser Herz hängen, so heißt es in der Bergpredigt. Motten und Rost können sie zerfressen und Diebe stehlen.
Und doch ist uns auf der Erde so vieles lieb und teuer. Ist das falsch? Wie könnte es falsch sein, seine Familie zu lieben? Und die Dinge, die wir von besonderen Menschen geschenkt bekommen haben oder die uns an schöne Erlebnisse erinnern, in Ehren zu halten? Dadurch sind wir doch nicht gleich wie Dagobert Duck, der nur glücklich ist, wenn er im Geld badet und für den eine Welt zusammenbricht wenn die Panzerknacker ihn berauben. Oder?
Manchmal brauchen wir Dinge, die uns hier auf der Erde vorübergehend zu Schätzen werden, weil sie uns einen Raum eröffnen, weil wir uns durch sie Bilder und Worte für etwas leihen können, für das uns beides fehlt.
Pia könnte auch „Geborgenheit“ sagen oder eben „Alles in Ordnung!“. Aber das wäre doch nicht genau das, was sie fühlt, wenn der Motor in der Auffahrt knattert.
Und wie schwer ist das Ganze erst, wenn es um Gott geht. Wir haben kein Bild von ihm, können und sollen uns keins machen. Und wir haben kein Wort für das, was Gottes Liebe in uns auslöst. Aber wir haben Symbole. Zum Beispiel: Unsere Liebe zu Gott ist wie Schatz im Himmel, den nichts und niemand zerstören kann.
Und: Gottes Freude über uns, wenn wir zu ihm umkehren, ist wie die Freude einer Frau, die nach langem, bangem Suchen ein verlorenes Geldstück wiederfindet. Alle lädt sie ein und sagt: Freut euch mit mir!
Wohl alle kennen das Gefühl, wie glücklich man ist, wenn man etwas Verlorenes wiederbekommt. Oder wenn man ein Schmuckstück trägt, das man von einem wichtigen Menschen zu einem besonderen Anlass geschenkt bekommen hat. Oder wenn in einem aus dem Urlaub mitgebrachten Stein das ganze Glitzern des Meeres, die salzige Brise und das Möwengeschrei steckt.
Symbole helfen uns, von unergründlichen Geheimnissen, von unseren innersten Empfindungen, ja von Gott selbst anderen etwas mitzuteilen - mit ihnen zu teilen.
Von Gott reden können wir eigentlich nur in Symbolen, die über sich hinaus weisen: Ein Stein, der im Wasser Kreise zieht, ein Funke, der helle Flammen entfacht und das Dunkel erhellt…
Vielleicht sind solche Symbolgegenstände wie ein vorläufiger Schatz auf der Erde, der für einen endgültigen Schatz im Himmel steht. Ja, der VW-Bus wird vom Rost zerfressen. Aber auch wenn er einmal nicht mehr die Auffahrt hochklappert, ja selbst wenn Pia einmal alt ist und ihre Eltern nicht mehr leben: Sie darf sich weiter geborgen fühlen und wissen: Dies Gefühl der Geborgenheit, das „Alles-ist-in-Ordnung-Gefühl“ ist ein Schatz im Himmel, der auch in schweren Zeiten trägt.
Ihre und Eure Pastorin Ute Parra
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Gruß zum Sonntag Trinitatis am 26. Mai 2024
von Simone Czemper und Pastorin Ute Parra
vom ökumenischen Schusterfest-Gottesdienst in Preetz
Liebe Preetzerinnen und Preetzer,
Gott begegnet uns auf vielfältige Weise. So reich, dass wir von ihm nicht nur auf eine Weise sprechen können. Muslime haben 99 Namen für den einen Gott. Wir Christen haben eigentlich auch nicht nur drei. Aber wir versuchen durch den Gedanken der Dreifaltigkeit auszudrücken, dass Gott mehr ist, als wir je begreifen könnten:
Zuerst Gott der Vater. Gott der Schöpfer. Gott der Allmächtige. Manche stellen sich vor, dass er in der Höhe auf einem Thron sitzt. Dass er von dort sogar auf den Himmel hinabschaut (Ps 113,6). Alles hat er im Blick. Aber sein Blick ist der eines liebenden Vaters. Er hat das alles gemacht - diese ganze wundervolle Natur: Den Kirchsee und den Postsee, die Ostsee, die Buchenwälder und die wogend-grünen Felder mit dem frischen Korn. All die Weite um und über uns. Alle seine Geschöpfe hat er lieb und seine Liebe gießt er über sie aus wie einen warmen Regen. (Also – hoffentlich nur bildlich gesprochen…😊Weil wir uns nicht vorstellen können, was es bedeutet, dass Gott überall und alles in allem ist, braucht es Bilder.) Haben Sie schon die Seeadler überm Lanker See kreisen sehen? Das Bild lässt einen vielleicht ein bisschen ermessen, was gemeint ist, wenn wir singen: „Lobet den Herren, der alles so herrlich regieret, der dich auf Adelers Fittichen sicher geführet…“ (EG 317)
Mitten in diese wundervolle Schöpfung hat Gott uns Menschen gestellt und er sagt uns: Gebt auf das alles Acht! Gebt aufeinander Acht! Wir versuchen das hier in Preetz - mit Nahwärmenetzen und Klimaneutralitäts-Zielen, mit Flüchtlingshilfe und Preetzer Tafel. Wir versuchen das auch in der Nachbarschaft, mit Demos gegen Rechtsradikalismus und vielem mehr. Und dennoch kommt uns das alles manchmal vor wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Immer weniger Geld und immer mehr Aufgaben. Immer mehr Sorgen auch um diese Erde. Was können wir hier in diesem kleinen, beschaulichen Preetz überhaupt tun? Liebe Preetzerinnen und Preetzer, Gott lässt uns nicht allein mit alldem. Er ist auch und gerade dort, wo wir an unsere Grenzen kommen und scheitern. Er ist mitten in den Schmerzen und hält sie mit aus. Der allmächtige Gott: Mensch wie wir. Ein Kind, ein Zimmermann, ein Obdachloser, am Ende als Verbrecher hingerichtet – aber er lebt. Und auch wir sollen leben. Manchmal geraten wir in Sackgassen und allzu oft scheitern wir sogar an ganz einfachen Dingen. Gott ist das nicht egal. Wir sind Gott nicht egal. Für uns gibt er sich selbst auf. Aus eben dieser Liebe aus der er als Vater alles geschaffen hat, wird er uns zum Bruder und Retter: Gott der Sohn.
Und dann ist da noch der dritte im Bunde dieser Herrenriege: Der Heilige Geist. Der ist am schwersten zu begreifen. Ist flüchtig wie der frische Wind, der hier über den Marktplatz fegt. Nein, bestimmt ist er nicht einer von drei weißem Männern mit Bart, die im Himmel die Köpfe zusammenstecken und über uns hier auf der Erde schütteln. Vielleicht hilft es erstmal schon, von der „Geistkraft“ zu reden. Dann hat man wenigstens ein weibliches Wort. Auch im Hebräischen hat die „Ruach“ Gottes einen femininen Artikel. Aber an dieser Stelle sind Namen nur Schall und Rauch. Die Geistkraft Gottes weht wie und wo sie will, anders als wir es uns vorstellen. Verschlossene Türen, Mauern oder Grenzen halten sie nicht auf. Die Geistkraft macht frei, Neues zu wagen. Wer sich von ihr begeistern lässt, der oder die kann über sich hinauswachsen.
Wir alle dürfen uns verbunden wissen durch die Liebe des dreifaltigen und dreieinigen Gottes: Schöpfer, Befreier, Inspiration.
Ihre Simone Czemper und Ute Parra
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Gruß zu Pfingsten am 19. Mai 2024
von Pastor Kroglowski
Liebe Gemeinde,
am Sonntag feiern wir Christen Geburtstag. Eigentlich schade, dass wir kein Geschenk bekommen, oder doch und von wem? Um das beantworten zu können, müssen wir zunächst wissen, was denn überhaupt zu Pfingsten im Jahre 30 nach Christus in Jerusalem geschah. Während die Weihnachts- oder Passionsgeschichte selbst bei den Konfirmanden noch bekannt ist, kennen nur wenige die Pfingstgeschichte. Liegt es vielleicht daran, dass wir zu Pfingsten lieber in die Natur als in den Gottesdienst gehen? Liegt es daran, dass Johann Sebastian Bach kein Pfingstoratorium komponiert hat? Oder liegt es einfach an den fehlenden Geschenken?
Wer sich am Sonntag zum Gottesdienst aufmacht, wird es erfahren, warum die Christen das Pfingstfest feiern. Wir hören in der ersten Lesung aus der Apostelgeschichte die Pfingstgeschichte, wo die Jünger den Heiligen Geist (wie Feuerflammen) empfangen und von der froh machenden Botschaft von Jesus Christus in verschiedenen Sprachen reden können. An einem Tag werden 3.000 Menschen getauft. Das sind ungefähr so viele Menschen, wie es zzt. evangelische Gemeindeglieder in jeweils unseren 3 Pfarrbezirken Lanker See, Postsee und Schwentine gibt. An einem Sonntag kommt einfach ein neuer Pfarrbezirk hinzu, das wäre doch was!
Das Pfingstfest ist somit der Beginn, also der Geburtstag, der Kirche und die meisten Gemeinden schmücken das Geburtstagskind mit frisch geschlagenen Birken. Der Kirchenraum ist das sichtbare Zeichen für die Gemeinschaft der Gläubigen, die ihren Beginn in Jerusalem nahm. So gesehen, haben morgen alle Christen Geburtstag. Wir feiern seit Jahren einen schönen Freiluft Gottesdienst im Park Sophienhof mit Taufen und einen stimmungsvollen musikalischen Gottesdienst in der Stadtkirche.
Eigentlich schade, dass es kein Geschenk gibt. Oder doch? Gott will uns beschenken mit seinem Heiligen Geist, den man zwar nicht sehen, aber durchaus erfahren kann. Im Neuen Testament wird er mit dem Wind verglichen. Was starker Wind anrichten kann, haben wir im … bei dem Orkan … erleben müssen. Die Spuren der Verwüstung kann man noch heute im Wald sehen. Es gibt aber auch die guten Seiten der Windkraft, zum Beispiel bei den Windmühlen, die am Pfingstmontag wieder zur Besichtigung einladen.
Der Heilige Geist will auch uns in Bewegung bringen, so wie die großen Flügel der Windmühlen. Wir dürfen also am Sonntag und am Montag Geburtstag feiern, aber nicht bis der Arzt kommt, sondern bis wir die Früchte des Geistes empfangen, welche sind: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte und Treue. (Galaterbrief 5,22)
Frohe und gesegnete Pfingsten
wünscht Ihr / Euer Pastor Lars Kroglowski
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Gruß zum Sonntag Exaudi am 12. Mai 2024
von Pastorin Parra
Liebe Gemeinde,
heute ist Muttertag. Das ist ja eigentlich kein kirchlicher Feiertag, aber warum sollten wir eine Gelegenheit, die Liebe zu feiern, auslassen? Im Konfirmationsgottesdienst morgens in der Stadtkirche danken die Konfirmandinnen und Konfirmanden ihren Eltern für all das Gute, das sie durch sie erfahren durften. Das ist ihnen ein ganz großes Bedürfnis. Und indem sie das tun, wird für sie selbst noch einmal deutlich, was sie so dankbar macht: Dass da Menschen waren, die sie genährt und getröstet haben, auf den Hüften getragen und auf den Knien geschaukelt. Menschen, die ihnen Raum zum Wachsen und Aufblühen gegeben haben.
Indem sie ihren Eltern dafür danken, weitet sich ihr Blick. Dass ihre Eltern da sind und sie lieben, dass sie in Frieden und behütet, sicher und inmitten einer wundervollen Natur hier in Preetz aufwachsen dürfen - das alles ist nicht selbstverständlich. Irgendwo kommt das alles her.
Auch viele von diesen jungen Menschen haben schon Schicksalsschläge erlebt und Grenzen menschlicher Liebe kennen gelernt. Heute stellen sie sich unter den Segen der grenzenlosen Liebe, die uns zufließt wie ein rauschender Strom.
Der Prophet Tritojesaja benutzt das Bild der Mutterliebe für seine Heilsverheißung an die, die in den Trümmern des zerstörten Jerusalems leben und nicht wissen, ob es ihnen jemals gelingen wird, diese Stadt wieder aufzubauen:
Freut euch mit Jerusalem
und jubelt über die Stadt,
alle, die ihr sie liebt!
Seid fröhlich über sie,
alle, die ihr über sie getrauert habt!
Trinkt euch satt an ihrer Brust
und lasst euch trösten!
Saugt an ihrer Mutterbrust
und genießt ihren Reichtum!
Denn so spricht der Herr:
Ich werde Jerusalem Frieden geben,
der sich ausbreitet wie ein Fluss.
Der Reichtum der Völker fließt der Stadt zu
wie ein rauschender Strom.
Auch ihr werdet ihn genießen.
Wie ein Kind werdet ihr auf der Hüfte getragen
und auf den Knien geschaukelt.
Ich will euch trösten,
wie eine Mutter ihr Kind tröstet…
Ihr werdet aufblühen wie frisches Gras.“
(Jes 66,10-14a)
Den Anblick frischen, maigrünen Grases können wir alle in diesen Tagen genießen (und hoffentlich wird die Freude darüber nicht gleich wieder durch den Gedanken ans Rasenmähen getrübt). Das Knospen und Sprießen belebt die Jungen, die sich Sorgen um die Zukunft machen ebenso wie die Alten, die sich noch an ein Leben in Trümmern erinnern. Auch für sie ist Muttertag. Auch wenn ihre Eltern schon lange nicht mehr auf dieser Welt sind und Kinder und Enkel weit weg wohnen.
Für jedes Lebensalter gilt: Sich an die Anfänge des eigenen Lebens zu erinnern und denen dankbar zu sein, die uns wie zarte Pflänzchen mit ihrer Liebe genährt und getröstet haben macht Hoffnung. Da muss eine Quelle sein, aus der die Liebe fließt und sich ausbreitet: Stark, nährend, tröstend.
Die anderen Erfahrungen gibt es auch: Gewalt und Missbrauch, Krieg und Trümmer, ausgedorrter Boden. Aber mitten dazwischen sprudelt und rauscht es und maigrüne Halme sprießen. Manchmal muss man zweimal hinhören und hinsehen, aber es lohnt sich, denn es ist genug in dieser Quelle, dass alle sich daran satttrinken können. Alle dürfen sich trösten lassen und aufblühen wie frisches Gras um Gottes Liebe mit anderen zu teilen so wie eine Mutter ihr Kind damit nährt.
Einen gesegneten Muttertag! Ihre Pastorin Ute Parra
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zum Sonntag Rogate am 05. Mai 2024
von Pastorin Pfeifer
Liebe Gemeinde,
es ist Abend. Die Familie sitzt entspannt auf dem Sofa. Im Fernsehen läuft gerade die Sendung: Wer wird Millionär. Es ist gerade besonders spannend. Eine junge Frau hat die 250000 Euro Frage geknackt. Wird sie die nächste Frage und dann die 1 Million Euro Frage heute noch schaffen?
Es knistert nicht nur die Spannung sondern auch die Tüte mit den Kartoffelchips. Gleich nach der Werbung geht’s weiter, die Erkennungsmelodie ertönt. Aber leider auch unüberhörbar die Klingel an der Haustür.
Alle Familienmitglieder denken: Ausgerechnet jetzt!
Alle warten noch einen Moment, in der Hoffnung, dass sich ein anderer erbarmt und aufsteht, um an die Haustür zu gehen. Schließlich geht der Vater zur Tür, öffnet und sieht überrascht den Nachbarn vor sich stehen. Der entschuldigt sich für die Störung. Mein Wagen springt nicht an, können Sie mir bitte Starthilfe geben, sie haben doch die Kabel in der Garage liegen.
Der Vater unterdrückt einen Seufzer, nimmt den Autoschlüssel und begleitet den Nachbarn zum Parkplatz. Eine Viertelstunde vergeht, bis die Kabel richtig angeschlossen sind. Man macht das ja nicht jeden Tag. Bevor der Nachbar davon fährt, bedankt er sich: Nächstes Mal bin ich dran.
Als der Vater zurück ins Wohnzimmer kommt, ist die eine Million-Euro -Frage längst vorbei und die Kartoffelchips sind aufgegessen.
Liebe Gemeinde, wenn Ihnen der Vater jetzt leid tut, liegen sie falsch.
Theologisch interessant ist nicht, dass der Vater die Sendung verpasst. Hilfsbereitschaft braucht nun mal Zeit. Und auch der leichte Groll, wegen einer verpassten Sendung, ist schnell vergessen.
Interessant ist für uns heute viel eher, dass der Nachbar sich traut, um Hilfe zu bitten. Dass er dafür sogar in Kauf nimmt am Abend zu stören.
Manche von uns kennen das. Dass es gar nicht so leicht fällt, um Hilfe zu bitten. Erst recht nicht, wenn das unpassend erscheint und wir damit einen anderen Menschen stören könnten. Da muss man schon einen guten Grund und ein wichtiges Anliegen haben, um sowas zu machen. Und um die eigene Scheu zu überwinden.
Darf ich dem anderen überhaupt zumuten, mir zu helfen?
Kann ich jemanden bitten?
Und darf ich deshalb sogar aufdringlich sein?
Die Antwort Jesu ist eindeutig und klar: Ja. Natürlich darfst du das. Natürlich kannst und sollst du jemand anderen um Hilfe bitten. Jesus geht in der Geschichte vom hilfesuchenden Freund, die wir eben in der Evangelienlesung gehört haben, davon aus, dass es selbstverständlich ist, um Hilfe zu bitten. Erst recht einen guten Freund oder eine gute Freundin.
Weil der Kumpel aus dem Fußballverein oder die beste Freundin , selbst bei der lästigsten Bitte, kaum nein sagen wird, wenn es ihm oder ihr irgendwie möglich ist, zu helfen. Weil es unter Kumpeln und besten Freundinnen schlicht selbstverständlich ist, einander zu helfen und füreinander da zu sein.
Aber selbst wenn die Freundschaft nicht so dick oder die Bitte sogar einigermaßen unverschämt ist, werden Menschen sie oder sie zu machen.
So, sagt Jesus, reagieren Menschen nun mal. Und das ist auch gut so.
Aber Jesus erzählt diese Geschichte nicht, um menschliche Verhaltensweisen zu erklären oder zu bestärken. Er erzählt diese Geschichte um deutlich zu machen, so wie der gute Kumpel, wie die beste Freundin ist Gott.
Und so selbstverständlich bis unverschämt wie die beste Freundin oder den besten Freund kannst und darfst du Gott auch immer wieder um Hilfe und Beistand bitten.
Beim Beten, beim lauten oder stummen Sprechen zu Gott musst du kein Blatt vor den Mund nehmen, sondern darfst ihm alles sagen, bitten und klagen, so wie dir innerlich gerade zumute oder wie dir der Schnabel gewachsen ist. Vor Gott darfst du schreien vor Zorn, stammeln vor Aufregung, stottern vor Peinlichkeit, Seufzen vor Kummer und sogar Schweigen, wenn dir die Worte fehlen oder Kummer und Leid dir die Sprache verschlagen hat.
Du kannst sogar darauf vertrauen, dass Gott selbst deine unausgesprochenen Gedanken und Gefühle, deine stummen Gebete hört und versteht. Dass er begreift, was du manchmal selbst kaum verstehen oder begreifen kannst.
Gott kannst und darfst du alles sagen. Und darauf vertrauen und bauen, dass Gott wirklich wahr ist und da ist und dich erhört. Das er hört und versteht, worum du ihn bittest. Denn bittet, so wird euch gegeben, suchet, so werdet ihr finden, klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt und wer da sucht, der findet, und wer da anklopft, dem wird aufgetan.
Liebe Gemeinde, was Jesus hier sagt ist Verheißung pur.
Macht Hoffnung und nährt die Zuversicht, dass Gott, wie ein guter Freund ein vertrauensvolles, persönliches Gegenüber ist, dass Gott sich, wenn wir ihn suchen auch finden lässt, dass er uns auftut , wenn wir nur nachdrücklich und beharrlich genug nach ihm suchen und an seine Tür klopfen.
Jeus will uns dazu ermutigen, beharrlich zu sein und nicht locker zu lassen, in dem Versuch zum Glauben, zum Vertrauen an Gott zu kommen, nach Gott zu fragen und ihn zu suchen. Weil Gott sich nicht verschließt, sondern finden lässt. Wir sollen und dürfen zu Gott zu beten in dem Vertrauen, dass er uns erhört.
Und sich durch uns und unsere Bitten dazu bewegen lässt einzugreifen und an uns und für uns zu handeln.
Also: Bittet so wird euch gegeben, suchet, so werdet ihr finden, klopfet an, so wird euch aufgetan. Werdet ihr die Liebe und Freundschaft Gottes erfahren und wird Gott an euch, in euch und durch euch handeln.
Und manchmal vielleicht auch durch andere Menschen , die gut zu uns sind. Die uns beistehen und helfen und die Last und die Not, die wir haben, mit uns teilen und mit uns tragen.
Wenn wir erleben, dass wir Menschen haben, die uns an die Hand nehmen oder sich uns den Weg stellen, wenn wir dabei sind uns zu verrennen.
Bittet so wird euch gegeben. Auf Gott und seine Liebe könnt ihr vertrauen und dürft ihr euch verlassen.
Genauso wie auf die Kraft des Gebets, das seine Wirkung schon haben wird, weil Gott sich dadurch berühren und zum Handeln und Eingreifen bewegen lässt. Schon verlernt haben zu beten?
Jesus selbst gibt uns durch das Vater Unser ein Gebet an die Hand, mit dem wir beten können. Und es ist gut, dass wir dieses eine Gebet haben, das uns auch dabei helfen kann, wieder beten zu lernen, wenn wir das Beten schon längst verlernt oder vergessen haben. Vater unser im Himmel geheiligt werde dein Name, dein Reich komme dein Wille geschehe.
Wenn wir diese alten Worte wiederfinden und neu sprechen, kann es gut sein, dass wir erstmal gar nichts merken und kein Empfinden dabei haben.
Kann aber auch sein, dass wir, wenn wir sie häufiger und regelmäßiger sagen, irgendwann eine Wirkung in uns und an uns spüren. Dass wir wieder neu mit einer Macht und einer Kraft leben die außerhalb unsrer selbst liegt und dass wir dadurch dann innerlich wieder ruhiger und zuversichtlicher werden und sogar neu hoffen können.
Dass uns plötzlich eine Kraft durchströmt, die uns aufatmen und auftanken lässt. Die uns dazu bringt, dass wir neue Ideen und Einfälle haben oder andere Perspektiven bekommen.
Und es kann sein, dass ich Gott dann langsam und allmählich, auch meine ganz eigenen und persönlichen Wünsche und Sorgen sage.
Auch wenn viele meiner Probleme dadurch nicht gelöst sind. Kann sogar sein, dass ich enttäuscht bin, weil Gott meine tiefsten Wünsche und Sehnsüchte, meine Klagen und Bitten scheinbar nicht erhört oder zumindest nicht so erfüllt ,wie ich mir das wünsche und worum ich ihn inständig gebeten habe. Denn es ist ja nicht so, dass Gott unsere Gebete immer so, wie wir uns das vorstellen und wünschen, erfüllt.
Selbst Jesus Christus hat das am Kreuz und im Garten Gethsemane auch so erlitten und so erfahren. Vater ist s möglich, so lass diesen Kelch an mir vorübergehen. Und wir wissen, dass er dann trotzdem die Last und die Not seines Kreuzes zu tragen hatte, dass er sich am Kreuz dann aber trotzdem Gott gewandt hat, um ihm seine ganze Not und Einsamkeit zu sagen und zu klagen.
Und wir leiden, wie Jesus bis heute darunter, dass auch wir unser Kreuz, unser Leid, Krankheit und Not und auch den Tod immer noch zu tragen und zu ertragen haben.
Auch wenn Jesus uns lehrt, dass wir in der Not und im Leiden nicht alleine sind. Dass Gott bei uns, in uns und an unserer Seite ist, um uns zu halten und um uns zu tragen, um uns beizustehen, aber auch, um uns zu helfen und alle Not, alle Krankheit und sogar den Tod letztendlich zu überwinden.
Gott, liebe Gemeinde, kann und wird unsere Gebete, unsere Wünsche und Bitten nicht immer erfüllen und vielleicht auch nicht erfüllen können.
Aber wir dürfen darauf vertrauen, dass Gott letztendlich alles für uns gut machen will und gut machen wird.
Das ist jedenfalls die große Hoffnung und Zuversicht, die wir seit Jesus Christus haben und mit der wir leben dürfen. In dem Vertrauen, dass Gott immer und überall an unserer Seite ist und dass wir uns immer wieder vertrauensvoll an ihn wenden können.
Denn Bittet so wird euch gegeben, suchet, so werdet ihr finden, klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt und wer da sucht, der findet und wer da anklopft, dem wird aufgetan. Amen
Ihre Pastorin Anke Pfeifer
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zum Sonntag Kantate am 28. April 2024
von Pastorin Pfeifer
Liebe Gemeinde,
Froh zu sein bedarf es wenig und wer froh ist ein König.
Kennen sie dieses Lied? Wir haben es früher oft auch als Kanon gesungen. Und das hat uns dann auch immer wieder viel Spaß gemacht.
Überhaupt: Singen macht Spaß und Singen tut gut- in fast jeder Lebenssituation und Lebenslage.
Da kann man durch das Singen richtig fröhlich sein und durch den Gesang sogar richtig gute Laune bekommen. Und man kann das, was einen persönlich bewegt zur Sprache bringen.
Man kann durch ein Lied aber auch nachdenklich werden und sogar richtig angerührt und bewegt sein, wie bei dem Lied "Lobe den Herrn meine Seele", das wir eben gesungen haben. Wenn man das singt, finde ich, wird auch in uns selbst das Vertrauen oder zumindest die Hoffnung lebendig, dass Gott, was auch passiert, immer und überall an unserer Seite ist, dass wir uns auf seine Nähe, Liebe und Hilfe verlassen können. Und wir werden auch daran erinnert, dass es im Leben trotz allem auch immer noch viel Gutes gibt, das Gott uns schenkt und auch gibt, damit wir uns daran freuen können. Sodass meine Seele sich auch wirklich daran machen kann Gott zu loben.
Angesichts des Werdens uns Wachsens ringsherum. das uns ja wieder das Staunen lehrt über das Wunder der Schöpfung Überall schon im April das satte Maigrün an Bäumen und Sträuchern und das strahlende Gelb des Rapses, das einem entgegen lacht und entgegen leuchtet und einfach wohl tut und gut tut und aufatmen lässt. Der Gesang der Amsel, der am Abend erklingt und Herz und Sinne belebt .Aber auch das fröhliche Winken des Nachbarn oder das Lachen eines Kindes, das die Stimmung hebt und gute Laune macht das Gefühl gibt , das es einfach gut ist und schön ist auf der Welt zu sein. Gut , wenn wir das so erfahren und auch empfinden können.
Manchmal sind es tatsächlich die kleinen und sogar unscheinbaren Dinge und Erfahrungen, die in Wahrheit unendlich wichtig und kostbar sind.
Manchmal ist das Leben aber auch einfach nur schön, Fröhlich, bunt und vergnügt wie ein herrlicher Sommertag auf einer bunten Sommerwiese. So hell und fröhlich wie ein Dur-Akkord.
Vielleicht können wir ja einmal eine kleine Melodie in Dur hören. Musik.
Ja so leicht und beschwingt fühlt sich das Leben manchmal an. Und es ist gut, wenn wir diese Zeiten dann auch nach Strich und Faden genießen, wenn uns das Herz vor Freude hüpft.
Aber wir wissen, dass es im Leben auch ganz andere Zeiten, dunkle Tage, Momente und Augenblicke gibt, in denen wir traurig und mutlos sind, weil wir Kummer oder Sorgen haben. Wenn uns plötzlich alles zu viel wird oder zu schwer geworden ist oder wir Mühe haben, wieder auf die Beine zu kommen. Wenn wir selbst oder unsere Lieben von Krankheit oder Pflegebedürftigkeit betroffen sind und wir auch mit unserer eigenen oder uns selbst am Ende sind. Da erscheint uns das Leben plötzlich dunkel und grau, wie ein Mollakkord. Vielleicht können wir nun auch nochmal eine kleine Melodie in Moll dazu hören. Musik.
Wenn man das hört, kann man tatsächlich regelrecht traurig werden.
Die Musik, das Spielen eines Musikinstruments oder auch das Summen und Singen einer Melodie bietet uns wirklich eine ganz wunderbare Möglichkeit das, was wir Denken aber vor allem das, was wir Empfinden und Fühlen zum Ausdruck zu bringen.
Und die Musik schafft es sogar wie von selbst unser Empfinden und Fühlen zu beeinflussen und zu verändern und sogar unsere Gedanken zu erhellen und wenigstens ein Bisschen heller und froher zu machen.
Wenn wir zum Beispiel eine Melodie hören, die sich langsam von Moll zu Dur hin moduliert und verändert. Vielleicht können wir auch so eine Melodie einmal hören. Musik
Wir merken es und wir hören es auch. Musik ist wirklich etwas ganz Wunderbares. Sie ist eine wunderbare Gabe Gottes, die tatsächlich die Kraft hat, das, was wir fühlen zum Ausdruck zu bringen und sogar zu verändern. Sodass sogar in ganz dunklen Momenten plötzlich ein Funke der Hoffnung erklingt und mit Gottes Hilfe sogar in uns eindringt, sodass wir plötzlich auch wieder ein Bisschen mehr Zuversicht spüren oder neue Hoffnung haben.
Etwas ganz Besonderes ist es, finde ich, dann nochmal, wenn sich Musik und Wort verbinden. Wenn wir das, was wir denken und fühlen nicht nur sprechen und sagen, sondern wenn wir das dann auch singen.
Da schafft ein Lied oft viel mehr, als Worte alleine erreichen können. Weil das gesungene Wort noch ganz andere Seiten und Schichten in uns zum Klingen und Schwingen bringen. Da können wir dann auch unsere Sehnsucht in den Himmel singen und vor Gott bringen. Zum Beispiel mit dem Lied „da wohnt ein Sehnen tief in uns“, das ich nun mit Ihnen singen möchte
Da wohnt ein Sehnen tief in uns, o Gott, nach dir, dich zu seh´n, dir nah zu sein. Es ist ein Sehnen, ist ein Durst nach Glück, nach Liebe, wie nur du sie gibst.
1.Um Frieden, um Freiheit, um Hoffnung bitten wir. In Sorge, im Schmerz, sei da, sei uns nahe Gott.
Da wohnt ein Sehnen tief in uns, o Gott, nach dir, dich zu seh´n, dir nah zu sein. Es ist ein Sehnen, ist ein Durst nach Glück, nach Liebe, wie nur du sie gibst.
2. Um Einsicht, Beherztheit, um Beistand bitten wir. In Ohnmacht, in Furcht, sei da, sei uns nahe Gott.
Es ist ja wirklich so: Wir sehnen uns so sehr nach Gott .Und nach manchem, was uns auf den ersten Blick sogar unerreichbar erscheint.
In dieser Zeit sehnen wir uns angesichts des Kriegs in der Ukraine und im Gazastreifen und des Konflikts zwischen dem Iran und Israel ganz besonders nach Frieden.
Für die Menschen dort, die unter dem Schrecken von Krieg, Terror und Gewalt leiden- aber auch für uns, weil wir plötzlich merken, wie fragil und gefährdet der Frieden in Wirklichkeit ist; und dass Frieden tatsächlich immer wieder errungen und bewahrt werden muss.
Da ist es gut, dass wir einen Gott haben, an den wir uns wenden können. Einen Gott, der immer noch mehr und noch andere Perspektiven und Möglichkeiten für uns bereit hält und auch neu eröffnet, wenn wir Menschen schon längst keinen Ausweg mehr wissen. Gut, dass wir uns in Zeiten wie diesen an Gott wenden können, dass wir ihm alles sagen und klagen können, dass wir ihn aber auch immer wieder um Hilfe, um Lösungen der Konflikte und um Wege zum Frieden bitten können, in der Gewissheit und mit der Zuversicht, dass er unsere Bitten hört und erhört.
Aber es tut mir auch gut, beim Singen zu merken, dass ich mit meiner Sehnsucht, meinen Ängste und Befürchtungen, meiner manchmal so kleinen Hoffnung aber auch mit meiner Zuversicht nicht alleine bin.
Dass wir in der Gemeinde mit unserem gemeinsamen Singen unsere Sehnsucht, unsere Hoffnungen und Wünsche alle gemeinsam vor Gott bringen und in den Himmel singen.
Dass wir Menschen haben, die zu uns gehören, die mit uns singen, hoffen und beten; mit denen wir lachen und weinen und uns austauschen können. Die uns an die Hand oder in den Arm nehmen, die mit mir und für mich da und an meiner Seite sind.
Sodass wir unser Lebenslied in Moll oder Dur dann auch gegenseitig wahrnehmen und hören und dann auch gemeinsam singen können.
So wie wir das auch gleich wieder tun werden mit dem nächsten Lied .Wenn wir alle gemeinsam singen: Ich sing dir mein Lied. In ihm klingt mein Leben…
Und lasst uns dabei dann auch gemeinsam darauf vertrauen und bauen, dass Gott uns hört. Amen
Ihre Pastorin Anke Pfeifer
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zum Sonntag Jubilate am 21. April 2024
von Propst Faehling
Liebe Gemeinde,
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater und dem Herrn, Jesus Christus.
Amen.
2. Kor 4, 14
Denn wir wissen, dass der, der den Herrn Jesus auferweckt hat, wird uns auch auferwecken mit Jesus und wird uns vor sich stellen samt euch. 15 Denn es geschieht alles um euretwillen, auf dass die Gnade durch viele wachse und so die Danksagung noch reicher werde zur Ehre Gottes. 16 Darum werden wir nicht müde; sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert. 17 Denn unsre Bedrängnis, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit, 18 uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.
„wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert.“
Mit Gott wird das Leben neu, jeden Tag.
Jeden Tag beginnt mit dem Aufstehen praktisch ein neues Leben.
Wie das gehen kann, dazu später einige Ideen.
Zunächst einmal will ich sagen: Wir können das gebrauchen.
Wir können gebrauchen, dass uns jemand weckt.
Wir können gebrauchen, dass uns jemand Hoffnung macht, dass es jeden Morgen weitergeht.
Das können wir gebrauchen, weil das Leben als solches anstrengend ist.
Das geht schon für Kinder los, die morgens hochmüssen und zur Schule gehen, auch wenn sie sich noch gar nicht ganz wach fühlen.
Das geht für uns Erwachsene im eigenen Leben los, wo wir nach langen Nächten, intensiven Krisen, gescheiterten Plänen morgens wieder aufstehen und den Tag und das Leben in Angriff nehmen.
Das ist auch noch ein Thema für die Alten, die schon so viel vom Leben gesehen und erlebt haben und auch mit müden Knochen noch Lust haben wollen auf den kommenden Tag.
Es gilt für unser persönliches Leben.
Es gilt aber auch im Gegenüber zu den Themen der Welt, die schon eine Reihe von Jahren wirken, als würden sie sich stapeln.
Und natürlich ist nicht jeder Tag mühsam. Manchmal springen wir auch aus dem Bett, können es kaum erwarten, diesen Tag zu erleben mit seinen schönen Dingen – vielleicht war das z.B. heute für die Täuflinge so.
Und insgesamt geht es bei alledem auch gar nicht um die Last des Lebens, als sei das Leben ein immerwährend deprimierendes Gewicht auf unseren Schultern.
Sondern es geht darum, dass das Leben eine Aufgabe ist, die uns jeden Tag herausfordert. Wenn wir bewusst leben, spüren wir das. So viele Begegnungen, so viele Entscheidungen gehören zu jedem einzelnen Tag unseres Lebens.
Und die Kraft für all das?
Menschen fragen nach der Kraft. Die Bücherregale in Buchhandlungen sind voller Ratgeber zu dem Thema; die Regale der Apotheken und Drogerien sind voller Hilfspräparate.
Ärzte, Therapeutinnen werden um Hilfe gebeten.
Dabei, denke ich, geht es oft um Tipps und Tricks, um Medikamente und Stoffe, die einer Selbstoptimierung des Lebens dienen sollen.
Als gäbe es perfekte Menschen und ein perfektes Leben; als wäre gelingendes Leben eine Aufgabe, die Menschen aus eigener Kraft erledigen könnten.
Aber kein Mensch kann das.
Tatsächlich ist das Leben insgesamt eine große Herausforderung und eine Kunst zugleich. Und dabei geht es nicht um Perfektion – sie ist noch nicht einmal erstrebenswert.
Stattdessen ist Leben eine ständige Bewegung zwischen Gelingen und Nicht-Gelingen, zwischen Licht und Schatten, zwischen Trauer und Ausgelassenheit, zwischen Gesundheit und Krankheit, letztlich zwischen Himmel und Erde.
Und ein Leben, das wir vielleicht ein gutes Leben nennen würden, lebt vermutlich von der Balance zwischen den Kräften, vom Ausgleich zwischen den Polen und von der Fähigkeit, immer wieder aufzustehen. Und auch ein schönes Leben wird immer dunkle Seiten haben. Damit klarzukommen, nennt man Resilienz.
Und, was ich so spannend finde, nicht wir allein haben diese Balance. Resilienz ist kein Besitz. Die Fähigkeit zum Aufstehen und zum nächsten Schritt haben wir nicht allein in der Hand.
Sondern wir brauchen Menschen, die uns dabei zur Seite stehen, oder z.B. eine Gesellschaft, in der wir uns heimisch fühlen, oder eine Familie, der wir vertrauen, oder, oder
Und ich persönlich glaube, wir brauchen auch die Kraft, die nicht nach menschlichen Maßstäben gemessen wird, die nicht in unserer Verfügungsgewalt liegt. Ich nenne diese Kraft Gott. Andere Menschen haben dafür andere Namen.
Von außen kommt Gottes Kraft; genauer gesagt, sie umgibt uns, wir sind mittendrin; aber wir verfügen eben nicht über sie. Das ist nichts zum An- und Abschalten.
Aber es gibt sie. Und Paulus stellt sich sie vor, indem er schreibt: (er) wird uns auch auferwecken mit Jesus und wird uns vor sich stellen ….
Wir können uns versuchen vorzustellen, dass Paulus das ganz handfest gemeint hat; als würde eine Mutter ein Kind an den Armen nehmen und vor sich hinstellen und zu ihm sagen: Und ich weiß, du schaffst das.
Ich sehe das als ein liebevolles Mutmachen; ich höre das als ein starkes Hoffnungszeichen; ich erlebe Menschen, die das glauben, als solche, die den nächsten – manchmal kleinen – Schritt in ihrem Leben wagen, obwohl sie gerade noch in dem Gefühle gefangen waren, es hätte doch alles keinen Zweck.
Christenmenschen können nicht fliegen; sie sind auch nicht die Besseren; und Angst kennen sie auch, und Mutlosigkeit.
Aber dann kennen sie eben auch den nächsten Schritt.
Das ist ja das Faszinierende am Kreuz. Nach dem Kreuz Jesu konnten alle nur noch an das Grab denken. Stattdessen macht Gott einen Schritt neu ins Leben. Die dunkle Nacht wechselt in den anbrechenden Morgen. Die Not wendet sich in den Aufbruch. Die Einsamkeit verwandelt sich in neues liebevolles Leben.
Und Gott hilft daran mit.
Heute ist Tauftag.
Die Menschen zu Jesu Zeit wurden bei der Taufe ganz untergetaucht. Und wenn sie dann aus dem Wasser wieder hochkamen, hatten sie eine Idee von dem Versprechen Gottes, der neues Leben schenkt.
So ist das auch noch heute in unserer modernen Zeit jetzt.
Ihr Täuflinge werdet getauft auf das Versprechen Gottes, der sagt: Ich schenk dir einen neuen Anfang – immer wieder neu.
Das möge Euch Euer Leben lang als gute, liebevolle, hilfreiche Idee begleiten. Mal erinnert Ihr Euch selbst daran, mal tun es Menschen in Eurer Nähe. Mal tut es Gott auf seinen eigenen Wegen. Aber das Versprechen gilt:
Mit Gott wird das Leben neu, jeden Tag.
Amen.
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zum Sonntag Miserikordias Domini am 14. April 2024
von Pastorin Karopka
Liebe Gemeinde,
vertraute Texte und lebensbegleitende Bilder hören wir an diesem Sonntag, der im Kirchenjahr auch als Hirtensonntag bezeichnet wird. Die Worte des 23. Psalms und Jesus Wort „Ich bin der gute Hirte“ lassen uns in das Vertrauen fallen, dass wir auf Gottes Führung hoffen dürfen, in allen Lebenslagen.
In unserem heutigen Predigttext wirkt das zunächst ganz anders. Es ist eine Geschichte zweier starker Frauen – für beide hat Gott große Verheißungen. Es ist aber auch eine Geschichte, in der beide in ihrer schwierigen Situation menschliche Schwäche zeigen. Es ist die Geschichte von Sarai und Hagar, wie sie uns aufgeschrieben ist im 1. Buch Mose im 16. Kapitel:
Sarai, Abrams Frau, gebar ihm kein Kind. Sie hatte aber eine ägyptische Magd, die hieß Hagar. Und Sarai sprach zu Abram: Siehe, der Herr hat mich verschlossen, dass ich nicht gebären kann. Geh doch zu meiner Magd, ob ich vielleicht durch sie zu einem Sohn komme.
Und Abram gehorchte der Stimme Sarais. Da nahm Sarai, Abrams Frau, ihre ägyptische Magd Hagar und gab sie Abram, ihrem Mann, zur Frau, nachdem Abram zehn Jahre im Lande Kanaan gewohnt hatte. Und er ging zu Hagar, die ward schwanger. Als sie nun sah, dass sie schwanger war, achtete sie ihre Herrin gering. Da sprach Sarai zu Abram: Das Unrecht, das mir geschieht, komme über dich! Ich habe meine Magd dir in die Arme gegeben; nun sie aber sieht, dass sie schwanger geworden ist, bin ich gering geachtet in ihren Augen. Der Herr sei Richter zwischen mir und dir. Abram aber sprach zu Sarai: Siehe, deine Magd ist unter deiner Gewalt; tu mit ihr, wie dir’s gefällt. Da demütigte Sarai sie, sodass sie vor ihr floh.
Aber der Engel des Herrn fand sie bei einer Wasserquelle in der Wüste, nämlich bei der Quelle am Wege nach Schur. Der sprach zu ihr: Hagar, Sarais Magd, wo kommst du her und wo willst du hin? Sie sprach: Ich bin von Sarai, meiner Herrin, geflohen. Und der Engel des Herrn sprach zu ihr: Kehre wieder um zu deiner Herrin und demütige dich unter ihre Hand. Und der Engel des Herrn sprach zu ihr: Ich will deine Nachkommen so mehren, dass sie der großen Menge wegen nicht gezählt werden können. Weiter sprach der Engel des Herrn zu ihr: Siehe, du bist schwanger geworden und wirst einen Sohn gebären, dessen Namen sollst du Ismael nennen; denn der Herr hat dein Elend erhört. Er wird ein Mann wie ein Wildesel sein; seine Hand wider jedermann und jedermanns Hand wider ihn, und er wird sich all seinen Brüdern vor die Nase setzen. Und sie nannte den Namen des Herrn, der mit ihr redete:
Du bist ein Gott, der mich sieht. Denn sie sprach: Gewiss hab ich hier hinter dem hergesehen, der mich angesehen hat. Darum nannte man den Brunnen: Brunnen des Lebendigen, der mich sieht. Er liegt zwischen Kadesch und Bered. Und Hagar gebar Abram einen Sohn, und Abram nannte den Sohn, den ihm Hagar gebar, Ismael. Und Abram war sechsundachtzig Jahre alt, als ihm Hagar den Ismael gebar.
Liebe Gemeinde,
diese Geschichte von Hagar und Ismael gehört hinein in den großen Erzählzusammen-hang von Sarah und Abraham, den die Bibel schon in ihren ersten Kapiteln entfaltet. Abraham (Abram, wie er zunächst noch heißt), erhält von Gott den Auftrag, aus seiner vertrauten Umgebung zu gehen, aufzubrechen in ein ihm fremdes Land. Mit Gottes Segen darf er ziehen und bekommt viele Nachkommen versprochen.
Abraham und Sara (anfangs noch Sarai genannt) ziehen aus – allein getragen vom Vertrauen auf Gott. Aber das Vertrauen bekommt Risse. Sara wird nicht schwanger. Es stellt nicht nur ihre Würde als Frau infrage, sondern eigene Kinder waren damals vor allem für die Altersversorgung sehr wichtig. Sie ist traurig über ihre Kinderlosigkeit, aber vor allem sieht sie auch die Verheißung gefährdet, dass Abraham viele Nachkommen geschenkt werden. Deshalb macht sie ihrem Mann den Vorschlag, er soll zu ihrer Magd Hagar gehen. Vielleicht kann Sara durch sie zu einem Sohn kommen.
Aus ethischer Perspektive sind es sehr fragwürdige Bilder, die diese biblischen Zeilen hervorrufen, aber damals war es durchaus übliche Praxis.
Hagar, die ägyptische Magd, wird schwanger und sie fühlt sich dadurch gestärkt. Sie fühlt sich nicht länger als die Untergebene ihrer Herrin, sondern sie hat ihr nun deutlich etwas voraus. Das wiederum hält Sara nicht aus. Sie will die schwangere Hagar demütigen. Und Abraham erlaubt es ihr: „Siehe, Hagar, deine Magd ist unter deiner Gewalt. Tu mit ihr, wie dir’s gefällt.“
Da sieht Hagar keinen anderen Ausweg, als vor ihrer Herrin zu fliehen. Sie flieht mitten hinein in die Wüste, in die trockene Einöde. Mit drei verschiedenen Blicken können wir dort auf Hagar sehen:
Hagar, die Geflohene
Aus Angst davor, dass Sara ihr Gewalt antun wird, sieht sie keinen anderen Ausweg, als in die Wüste zu fliehen, mit ihrem noch ungeborenen Kind.
Nach ihr ging und geht es bis heute Tausenden Frauen so, dass sie aus ihren Häusern und vertrauten Umgebungen fliehen, weil die Lebensgrundlage weg ist, weil sie von Gewalt umgeben oder bedroht sind, weil sie aus der grauen Hoffnungslosigkeit in einen neuen Morgen ziehen wollen.
Hagars Weg führt in die Wüste, in die trockene, karge Einsamkeit. Alles andere als die Fülle des Lebens liegt vor ihr. Aber an einer Wasserquelle begegnet ihr der Engel des Herrn.
Hagar, die Gefundene
Der Engel stellt ihr Fragen, die auch uns selbst immer wieder bewegen: Wo kommst du her und wo willst du hin? Fragen, die unser Handeln und Denken beeinflussen und gleichzeitig immer wieder neu ausrichten können.
In diesen Fragen begegnet ihr ein Engel als Bote Gottes, der zeigt, dass Gott sie sieht - in ihrer Erniedrigung, in ihrer Einsamkeit, in ihrer Not. Er weiß, aus welcher Situation Hagar kommt. Und gleichzeitig weist er ihr einen Weg, der von großer Verheißung begleitet wird. „Kehre wieder um zu deiner Herrin und demütige dich unter ihre Hand. Gott will aber deine Nachkommen so mehren, dass sie der großen Menge wegen nicht gezählt werden können.“
Hagar erhält ihre Würde wieder, auch wenn sich an ihrem Stand als ägyptische Sklavin nichts geändert hat. Sie spürt, dass sie von Gott gesehen und mit neuer Hoffnung beschenkt wird, so wie Gott immer wieder Menschen aufrichtet und sie ermutigt. So wird sie
Hagar, die Dankbare
„Du bist ein Gott, der mich sieht“, kann sie voller Freude sagen und singen. Sie erhält neues Selbstbewusstsein allein dadurch, dass sie von Gott angesehen und somit wahrgenommen wird. Das verändert ihre Haltung – äußerlich und innerlich.
„Du bist ein Gott, der mich sieht“, aus dieser Zusage schöpfen wir bis heute unsere Zuversicht, dass wir von dem lebensspendenden Gott begleitet werden, dass er uns somit ein guter Hirte ist, wohin der Weg uns auch führt.
„Du bist ein Gott, der mich sieht“ – ich wünsche Ihnen, dass es auch in Ihrem Leben wie das Loblied Hagars klingt.
Ihre Pastorin Mechthild Karopka
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zum Sonntag Quasimodogeniti am 07. April 2024
von Pastorin Parra
Zur Tauferinnerung am 07.04.2024 über Joh 20,19ff:
Liebe Gemeinde,
meine kleine Enkelin ist 7 Monate alt und immer wenn ihre Eltern den Raum verlassen, hört sie auf, mit mir zu spielen und weint sie. Da kann ich als Oma immer wieder sagen: „Mama geht nur ganz kurz etwas holen, sie kommt gleich wieder!“ Es braucht seine Zeit und ganz viele Male, in denen genau das passiert: Mama kommt wieder und nimmt sie in den Arm.
Ich tröste mich damit, dass das in dem Alter ganz normal ist. Es zeigt, wie fest die Bindung zu den Eltern ist und dass sie nun deren Abwesenheit ganz bewusst und schmerzlich wahrnimmt. Hunderte Male den Glanz im Auge der Mutter sehen, hunderte Male vom Vater liebevoll in den Arm genommen und getröstet werden – und dann: mutig um die Ecke schauen, was das Leben noch bereithält, weil man immer zurückkehren kann. Im Herzen die Gewissheit: Meine Eltern sind für mich da, auch wenn ich sie gerade nicht sehen oder berühren kann. So funktioniert das Heranwachsen.
Und so funktioniert auch das Wachsen im Glauben. Das Evangelium für diesen Sonntag „Quasimodogeniti“ (d.h.: „Wie die neugeborenen Kinder“) erzählt davon, wie die Freunde von Jesus im Glauben wachsen, besonders einer: Thomas.
Er erinnert sich genau an alles: Sie haben so viel mit ihm erlebt. Immer waren sie zusammen und Jesus hat ihnen so viel über Gott erklärt: Dass der alle Menschen liebt und nie im Stich lässt. Dass man immer zu ihm zurückkommen kann, ganz egal, was passiert ist. Er hat es mit Worten erklärt aber auch dadurch, wie er mit ihnen umgegangen ist: In allem haben sie seine Liebe zu ihnen gespürt.
Und nun ist er fort. Thomas hat gesehen, wie er am Kreuz starb und ins Grab gelegt wurde. Kein Wunder, dass Thomas denkt, Jesus werde nie wiederkommen. Kein Wunder, dass er nicht weiß, wie es weitergehen soll, Angst hat und weint. Das ist nicht nur bei Kindern so, sondern auch bei Erwachsenen wenn plötzlich alles weg ist, worauf sie vertraut haben.
Da hilft es auch wenig, dass seine Freunde erzählen: „Wir haben Jesus gesehen!“ Thomas war nicht dabei an dem Tag. Während alle anderen schon fröhlich sind und neue Pläne schmieden, besteht er darauf: „Erst will ich selbst die Wunden von den Nägeln an seinen Händen sehen. Mit meinem Finger will ich sie fühlen. Und ich will meine Hand in die Wunde an seiner Seite legen. Sonst kann ich das nicht glauben!“
Acht Tage vergehen. Thomas ist immer noch so traurig. Aber er geht nicht fort. Er bleibt bei den anderen. Täglich hofft er, dass das alles wahr ist. Dass ein Wunder geschehen ist und Jesus lebt. Aber wirklich glauben kann er das nicht. Was, wenn die anderen sich das alles nur einbilden? Er muss Gewissheit haben.
Und dann ist Jesus plötzlich wieder da. Er fordert Thomas auf: „Leg deinen Finger hierher und sieh meine Hände an. Streck deine Hand aus und leg sie in die Wunde an meiner Seite. Sei nicht länger ungläubig, sondern komm zum Glauben!“ Und Thomas ruft aus: „Mein Herr und mein Gott!“ Er kann Jesus sehen und er darf ihn auch berühren. Er muss seinen Finger nicht mehr in die Wunde legen. Ich stelle mir vor, dass er Jesus ganz fest umarmt.
Und ich denke: Manchmal wünsche ich mir auch solche Gewissheit wie Thomas. Wie meine kleine Enkelin, wenn ihre Mama zu ihr kommt sie in den Arm nimmt.
Wir heute müssen glauben ohne zu sehen. Vielleicht können wir fühlen, dass es stimmt, dass Gott alle Menschen liebt und nie im Stich lässt. Vielleicht spürst Du es, wenn jemand sanft zu Dir spricht wie ein plätschernder Bergbach, wenn Dir die warme Frühlingssonne ins Gesicht scheint und Dich wie mit zärtlicher Hand streichelt. Vielleicht merken Sie es an der Liebe im eigenen Herz. Aber dennoch: Beweise sind das nicht. Das Glauben nimmt uns niemand ab.
Heute, wenn wir uns an unsere Taufe erinnern, bekennen wir: Wir glauben: Gott liebt uns. Er hat uns nicht im Stich gelassen. Er hat mit uns gelitten, er war tot, aber jetzt lebt er und auch wir dürfen leben!
Wir lassen uns mit einem Wasserkreuz segnen und zünden Kerzen am Osterlicht an. So können wir doch etwas spüren und sehen. Manchmal hilft das, so wie es Thomas damals geholfen hat. Hilft uns, im Glauben zu wachsen. Dazu gehört wie bei Thomas auch manchmal das Zweifeln. Dazu gehört es, hartnäckig zu bleiben und nicht mit einfachen Antworten zufrieden zu sein. Dazu gehört es, trotzdem dran zu bleiben und das Unmögliche doch irgendwie für möglich zu halten – im tiefsten Innern. Und dann den Augenblick nicht zu verpassen, sich berühren, aufrichten und lebendig machen zu lassen.
Ihre Pastorin Ute Parra
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zum Ostersonntag am 31. März 2024
von Pastorin Parra
Liebe Gemeinde,
Auferstehung, was ist das eigentlich? Wie sieht das aus, ganz konkret?
Vor Augen haben wir in der großen Stadtkirche nur das Bild des Gekreuzigten. Ein von der Folter gezeichneter Körper mit gesenktem Kopf, der Gewalt ausgeliefert, sterbend. Vor Augen haben wir das Leid der Welt, das wir oft nicht ändern können. Wir haben uns schon fast daran gewöhnt. So ist es eben und so war es doch seit Menschengedenken.
Ohnmacht hat viele Gesichter heutzutage:
Ronja gehört in ihrer Klasse einfach nicht dazu. Beim Sport wird sie immer als letztes gewählt und bekommt fast nie den Ball. Die Jungs schubsen und drängeln, damit sie im Kreis nicht neben ihr stehen müssen und die Mädchen tuscheln und kichern, wenn sie etwas sagt. Woran das liegt? An den guten Noten, der Brille oder daran, dass sie ein bisschen stottert wenn sie aufgeregt ist? So geht Ronja lieber ganz hinten mit etwas Abstand, als sie von Mathe rüber in die Turnhalle müssen. Vor ihr drei Mädchen, die sich tuschelnd umsehen. Und plötzlich fällt die schwere Tür vor ihr ins Schloss. Die drei haben das Band weggenommen, das das verhindert. Die Klingel hört in der Halle eh keiner und Klopfen hat auch wenig Sinn. Sie sieht ja schon die hämischen Gesichter der Mitschülerinnen am Fenster. So setzt sie sich auf die Stufen vor dem Eingang und packt ihr Buch aus.
Mayram ist wie über 1700 andere Bootsflüchtlingen letztes Wochenende auf Lampedusa gelandet. Die Schrecken der Überfahrt stecken ihr noch in den Knochen und die Bilder einer Kindheit im Bürgerkrieg plagen sie wenn ihr die Augen zufallen. Gerettet? Hier ist alles heillos überfüllt. Es gibt keinen Platz, um sich von den Strapazen auszuruhen. Was ist aus ihrem Bruder geworden? Sie haben sich aus den Augen verloren, als das Schiff in Seenot geriet. Am meisten Angst hat sie davor, dass Europa ihr verschlossen bleibt, dass man sie wieder abschiebt und alles umsonst war.
Ohnmacht hatte immer schon viele Gesichter. Zum Beispiel vor fast 2000 Jahren: Maria ist mit ihrer Freundin auf dem Weg zum Grab ihres Lehrers. Seinen grausamen Tod konnten sie nicht verhindern. Nun wollen sie wenigstens seinen toten Körper salben, aber wie, wenn doch der schwere Stein davor liegt? Ihr Kopf schwirrt von den grausamen Szenen seiner Kreuzigung. Sie fühlt sich vom Leben abgeschnitten, wie selbst gefangen in der dunklen Grabeshöhle hinter dem schweren Felsblock.
Und vor 3000 Jahren: Hanna hält das Sticheln von Pennina, Elkanas anderer Frau nicht mehr aus: „Hanna, die Kinderlose! Elkana liebt mich eben mehr. Und Gott auch, darum schenkt er nur mir Kinder. Und dich wird Elkana bald satt haben, Guck doch, Du Heulsuse, dir kommen ja schon wieder die Tränen!“ Nach dem Essen steht Hanna auf und läuft in den Tempel. Dort klagt sie Gott ihr Leid – und der hört sie. Sie bekommt einen Sohn, Samuel, der später König David salbt, aus dessen Haus auch Jesus stammt. Hanna, die Kinderlose wird Mutter, Mutter auch unseres Vertrauens:
Gott hört mich. Gott ist da, wenn es mir am schlechtesten geht. Auf das Dunkel folgt Licht, auf die Nacht der Morgen, auf Enge und Ausweglosigkeit weiter Raum und auf den Tod das Leben.
Als sie den Samuel in den Tempel bringt, damit er lernt, ein Diener Gottes zu sein, betet Hanna mit diesen Worten:
Mein Herz ist voll Freude über den Herrn.
Der Herr hat mich wieder stark gemacht…
4Der Bogen der Starken wird zerbrochen,
die Schwachen aber bekommen neue Kraft.
5Die Satten müssen sich ihr Brot verdienen,
die Hungrigen aber sind den Hunger los.
Die Unfruchtbare bringt sieben Kinder zur Welt,
doch das Glück der Kinderreichen schwindet.
6Der Herr tötet und macht lebendig,
er führt ins Totenreich und wieder heraus.
7Der Herr macht arm und macht reich.
Er drückt nieder und richtet wieder auf.
8Den Geringen zieht er aus dem Staub,
den Armen holt er aus dem Dreck.
Seinen Platz gibt er ihm bei den Fürsten
und lässt ihn mit Würde auf einem Thron sitzen.
Denn die Säulen der Erde sind von dem Herrn,
er hat die Welt auf sie gegründet. (1. Sam 2,1ff)
Hanna singt in Loblied auf den Gott, der alles verwandelt. Ein Loblied auf den Gott, der aus dem Staub zieht, aufrichtet, lebendig macht.
Maria bleibt erst noch stumm als sie in den ersten Sonnenstrahlen des Ostermorgens den Engel im weißen Gewand erblickt. Das Neue ist so unbegreiflich, so befreiend, dass es ihr Angst macht. Doch dann kommt die Freude: Er lebt! Und sie läuft los und jubelt mitten in die tränenüberströmten, ungläubigen Gesichter der anderen hinein: Er ist auferstanden, Halleluja!
Auferstehen mitten im Leben, im Hier und Jetzt – vorweggenommen werden in ein Haus aus Licht (M.-L. Kaschnitz) - ins Offene geleitet – Gibt es das auch für all die Ronjas und Mayrams, für die Ausgegrenzten und Eingesperrten, denen die Tür zum Leben verschlossen zu bleiben scheint?
Die Osterbotschaft lautet: Ja, das gibt es!
"Christus spricht: Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle." (Offb 1,18)
Die Tür der Turnhalle öffnet sich einen Spalt. Ein schüchtern lächelndes Gesicht erscheint. Frieda hat nie mitgemacht, wenn die anderen gemein zu Ronja waren. Aber bis heute hat sie auch nie etwas dagegen getan. Nun legt sie das Band wieder über den Türgriff und kommt raus zu Ronja. Sie streckt ihr die Hand entgegen. Ronja steht auf und die Beiden gehen zum Sportunterricht als wäre nichts gewesen, aber mit einem ganz warmen, lebendigen Gefühl im Bauch. Und das Komische: Alle haben durch die Fenster zugeguckt und waren ganz still. Niemand hat eine blöde Bemerkung gemacht. Ob jetzt alles anders wird für Ronja?
Mayram muss noch eine ganze Weile in dem Lager bleiben. Aber sie trifft dort Menschen, die ihr helfen, ihren Bruder zu finden. Die Beiden fallen sich in die Arme und danken Gott, dass er sie am Leben sind. Nun wollen sie auch helfen. Wo es möglich ist, legen sie mit Hand an. Wenn Neue kommen, zeigen sie ihnen alles und machen ihnen Mut. Mayram möchte später Krankenschwester werden. Und sie glaubt fest daran, dass sie das schaffen wird.
Gott richtet auf und gibt Würde. Gott eröffnet uns das Leben mit all seinen Möglichkeiten, dass wir auferstehen. Heute hören wir Ostergeschichten – auch um sie weiter zu tragen in Wort und Tat. So wie Hanna, wie Maria und viele andere. Wem wollen Sie die Osterbotschaft bringen? Und wie?
Ihre und Eure Pastorin Ute Parra
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zum Sonntag Lätare am 24. März 2024
von Pastorin Pfeifer
Liebe Gemeinde,
heute ist Palmarum, auch Palmsonntag genannt. Der Sonntag, an dem wir uns in der Kirche traditionell an den Einzug Jesu in Jerusalem erinnern.
An den tosenden Jubel Hosianna, mit dem Jesus in Jerusalem empfangen wurde, bevor sich das drohende Unheil immer mehr über ihm zusammenzog und sie dann bald genauso enthusiastisch das: Kreuziget ihn schrien.
Und so wird die kommende Woche in unserer Kirche auch geprägt sein von der Erinnerung an den Leidensweg Jesu Christi, der dann an Karfreitag seinen traurigen Abschluss findet.
Unsere Erinnerung ist geprägt durch die Überlieferungen, wie sie uns in den Evangelien überliefert sind.
Vor allem die ersten drei Evangelien, Matthäus, Markus und Lukas beschreiben den Leidensweg Jesu eindringlich und bedrückend. So viel Verrat, Verleugnung und Einsamkeit, soviel Leiden und Schmerz, dass es einem bis heute unter die Haut geht und bedrückt, allein schon beim Hören.
Nur bei Johannes, im 4. Evangelium hört sich das ganze irgendwie anders an. Wirkt Leiden, Sterben und der Tod Jesu Christi weniger bedrückend, sogar irgendwie entrückt und ist von allen menschlichen Erfahrungen seltsam abgehoben.
Eingebettet, durchdacht und durchdrungen von der ganz besonderen und spezifischen Theologie des Johannes. Für Johannes ist im Blick auf den Tod Jesu Christi seine Teilhabe am menschlichen Elend und Leid gar nicht so wichtig. Für ihn ist der Tod Jesu Christi viel eher die Erhöhung des Christus, der am Ende seines irdischen Weges wieder zurück kehrt an den Ort, den er vor aller Zeit und vor seiner Geburt schon innegehabt hat und an den er gehört. Und den er nun an der Seite Gottes, seines himmlischen Vaters, wieder einnimmt, nachdem er seinen Auftrag in dieser Welt erfüllt hat.
Aber hören Sie selbst noch einmal einen Auszug, wie das im Evangelium des Johannes klingt. Was Jesus Christus da in den Abschiedsreden im sogenannten hohepriesterlichen Gebet im 17. Kapitel des Johannesevangeliums sagt.
Jesus hob seine Augen auf zum Himmel und sprach:
Vater, die Stunde ist da: Verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrliche…
Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie waren dein, und du hast sie mir gegeben, und sie haben dein Wort bewahrt.
Nun wissen sie, dass alles, was du mir gegeben hast, von dir kommt.
Denn die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, und sie haben sie angenommen und wahrhaftig erkannt, dass ich von dir ausgegangen bin, und sie glauben, dass du mich gesandt hast.
Liebe Gemeinde, ich gebe es zu, ich tu mich nicht leicht mit diesen Worten, die Johannes als Worte Jesu überliefert.
Mir ist das zu abgehoben und die Worte, die Jesus im Garten Gethsemane sagt, wie sie die drei anderen Evangelien überliefern, liegen mir näher: Vater ist´s möglich so lass diesen Kelch an mir vorübergehen. Jesu tiefe Menschlichkeit, seine Angst, sein Zittern und Zagen vor seinem Tod liegen mir näher und tun mir auch irgendwie gut. Vielleicht auch, weil ich mich dann mit meiner Angst vor dem Tod nicht so alleine fühle. Es tut mir gut diese Angst auch bei Jesus Christus zu entdecken, weil ich mich dann auch viel eher mit ihm identifizieren kann. Mit dem Menschen, der als Mensch gestorben ist, dann aber auch als Mensch an Ostern wieder auferweckt worden ist zu neuem Leben. Das macht mit Mut und lässt mich hoffen, dass Gott es mit mir und für mich auch eines Tages so machen wird.
Aber um diese Hoffnung geht es in unserem Predigttext auch nicht.
Dem Evangelisten Johannes liegt vielmehr daran die göttliche Seite in Jesus Christus zu betonen. So wie wir es am Anfang des Johannesevangeliums hören: Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns.
Und nun, mit diesem Tod kehrt dieses Wort wieder zum Vater zurück und wird erhöht an den Ort an den es gehört, von dem es zu uns gekommen ist.
Dem Evangelisten Johannes liegt daran, seiner Gemeinde zu zeigen, dass Gott, der Unendliche, selbst in die Endlichkeit dieser Welt und unseres Seins gekommen ist und sich ihr unterworfen hat, um die Menschen zu sich zu ziehen und ihnen seine Liebe zu zeigen. Und sie zum Glauben an Gott, wie er sich in Jesus Christus gezeigt hat, zu bringen. So, wie das Christus in unsrem Predigttext sagt: Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart… nun wissen sie, dass alles, was du mir gegeben hast von dir kommt. Denn die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben.
An anderer Stelle hat Johannes das so gesagt: Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben nicht verloren gehen sondern das ewige Leben haben.
Dass Jesus Christus da war und in dieser Welt gelebt, gehandelt, gepredigt und gewirkt hat, gründet also ganz und gar in der unbegründeten, und schier unergründbaren Liebe Gottes. Der die Menschen in dieser Welt liebt, der uns, dich und mich liebt und der seinen Sohn deshalb gesandt hat, damit wir das glauben und damit wir uns darauf verlassen können. Damit wir gewiss sind, woher wir kommen und wohin wir nach diesem Leben wieder gehen, damit wir erfahren, wozu wir gesandt sind und wofür wir hier leben. Und was unsere persönliche Lebensaufgabe ist: An Gott zu glauben und auf Gott zu vertrauen und in unserer ganz persönlichen Weise in der Nachfolge Jesu zu leben, damit wir nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben.
In unsrem Predigttext hören wir, dass Jesus diesen Auftrag erfüllt hat. Wenn er sagt:
Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart. Sie haben dein Wort bewart. Nun wissen sie, dass alles, was du mir gegeben hast, von dir kommt. Denn die Worte, die du mir gegeben hast, haben sie angenommen und wahrhaftig erkannt, dass ich von dir ausgegangen bin.
Sie glauben, dass du mich gesandt hast.
Liebe Gemeinde, Jesus hat seinen Auftrag in dieser Welt ganz sicher erfüllt. Die frohe Botschaft von der Liebe Gottes verkörpert und verkündigt. Und uns den Zuspruch und Anspruch Gottes auf unser ganzes Leben nahegebracht.
Aber das, was Johannes hier Jesus sagen lässt scheint mir dann doch etwas vollmundig. Und ich Zweifel ein bisschen, ob wir Christen die Worte Jesu tatsächlich so angenommen haben, wie Jesus das bei Johannes sagt. Ob wir unseres Glaubens tatsächlich so sicher und felsenfest sind, wie das nach unserem Predigttext den Anschein hat.
Mir geht es da viel eher wie Petrus, dem Jünger Jesu, der sich seines Glaubens einerseits sicher, dann aber auch wieder ganz unsicher war. Der selbst zu Jesus gesagt hat: Ich glaube, Herr hilf meinem Unglauben. Und der aufgrund seines eigenen Kleinglaubens auch schon mal nahe daran war unterzugehen. Wenn Jesus nicht an ihm festgehalten und ihn gerettet hätte. Glaube und Zweifel gehören wahrscheinlich meistens
zusammen und sind aus dem Leben auch der gewissenhaftesten und ernsthaftesten Christen kaum wegzudenken.
Aber vielleicht ist ja auch schon dieser zaghafte und immer wieder zweifelnde Glaube für Gott genug. Vielleicht reicht es ja aus, daran festzuhalten und darauf zu hoffen, dass Gott sich mir selbst nahebringt, wenn ich auf das, was Jesus gesagt und getan hat, höre. Vielleicht reicht schon die Hoffnung, dass Gott mir in der Person Jesus Christus begegnet. Weil Gott sich dann selbst seinen Weg in mein Herz in mein Denken und Fühlen bahnt.
Dass ich darauf hoffen darf, dass Gott mich auch mit meinem ganzen Zaudern und Zweifeln gernhat und annimmt, und mich so nimmt, wie ich bin.
Unser Predigttext scheint allerdings von etwas anderem auszugehen. Da geht es nicht um Glauben und Zweifel, die in einer Person miteinander ringen und streiten.
Er scheint vielmehr davon auszugehen, dass es die einen und die anderen, diejenigen die glauben und diejenigen die nicht glauben gibt.
Diejenigen, die in Jesus den Christus, die Verkörperung der Liebe Gottes erkennen. Und diejenigen, die in ihm nichts anderes als den Menschen Jesus von Nazareth sehen. Jesus nichts weiter als ein Mensch unter Menschen.
Vielleicht versucht er Evangelist Johannes hier die offene Frage zu klären: Warum manche Menschen glauben und andere nicht. Warum manche Menschen von der Liebe Gottes in Jesus Christus überzeugt sind, während andere sich davon kaum oder gar nicht ansprechen und berühren lassen.
Im Johannesevangelium scheint es so, als wolle Jesus diese ganz unterschiedlichen Reaktionen erklären.
Indem er sagt, dass Gott selbst ihm manche Menschen gegeben und zugeführt hat. Sie waren dein und du hast sie mir gegeben. Sie glauben nun, dass du mich gesandt hast. In letzter Konsequenz ist es also Gott selbst, der den Glauben wirkt und die Menschen bewegt an Christus glauben zu ihm zu kommen. Gott bewirkt also selbst, dass die einen Glauben andere dann aber eben auch nicht.
In unsrem Predigttext wirkt es beinahe so, als sei das alles schon von Gott festgelegt und bestimmt.
Viele Jahrhunderte hindurch haben sich Theologen mit dieser Vorstellung einer Vorherbestimmung der Menschen beschäftigt und sich damit herumgeschlagen.
Mich überzeugt diese Vorstellung nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gott in seiner schier unerschöpflichen Liebe einige Menschen bevorzugt und andere schlicht übergeht. Das kann ich mit dem, was Christus gezeigt und gelehrt hat, nicht in Einklang bringen. Aber Gott hat den Menschen auch mit der Freiheit begabt, gewollt und geschaffen sich von ihm ab oder zu ihm hinzuwenden. Gott selbst wünscht und will unsere freiwillige Aufmerksamkeit, Hinwendung und Liebe.
Und wünscht sich Menschen die an ihn glauben und ihm vertrauen. Darum sandte er seinen Sohn in die Welt, damit wir bis heute von Gott und seiner Liebe erfahren und hören, damit wir dadurch berührt und dazu bewegt werden an ihn zu glauben und ihm zu vertrauen.
Möge Gott uns allen, liebe Gemeinde, diese Hoffnung und dieses Vertrauen geben. Und möge diese Zuversicht uns begleiten, wenn wir mit dem heutigen Palmsonntag in die Karwoche gehen.
Amen
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zum Sonntag Judika am 17. März 2024
von Pastorin Parra
Liebe Gemeinde,
im Konfirmandenunterricht habe ich mich kürzlich mit meinen Konfirmanden auf eine Reise gemacht. Dafür haben sie aufgeschrieben, was sie gerne mitnehmen würden, wenn sie sich einmal am Ende dieses Lebens auf ihre letzte Reise machen. Das haben sie dann jeweils in einen Koffer gepackt und durch die dunkle Große Kirche in die erleuchtete, warme Kleine Kirche getragen. Da haben wir ausgepackt – im Schein der Osterkerze, dem Symbol für den auferstandenen Christus und überhaupt für die Auferstehung. Ganz verschiedene Dinge kamen zum Vorschein: Etliche Handys, natürlich mit Ladekabel, Verpflegung, sogar ein Koch und ein Butler, Geld, Taschenlampe, Autos… Lauter praktisches Equipment. Wir haben überlegt: Wird man so etwas dort brauchen? Gibt es da überhaupt Steckdosen? Vielleicht ist alles ganz anders dort?
Am Beispiel der Kleidung haben wir herausbekommen, dass es gar nicht so sehr um das Materielle geht, sondern mehr darum, dass Ihr noch Ihr selbst seid mit dem, was Euch ausmacht. Ihr wollt Eure Leidenschaften und Erinnerungen mitnehmen, Sonne und Schnee, die Menschen und Tiere, die Ihr liebt, Musik und Freude.
Werden wir weiter wir selbst sein in einem Leben nach dem Tode? So richtig vorstellen konnten wir uns nicht, dass dann alles wie hier ist. Und vielleicht wollen wir das auch gar nicht. Ja, wir wollen wir selbst sein. Auch die schweren Erinnerungen wollen wir behalten, weil sie zu uns gehören. Aber es gibt auch die Sehnsucht danach, dass etwas Neues dazukommt, etwas ganz anderes, Größeres.
Paulus schreibt in seinem 1. Brief an die Gemeinde in Korinth: „Du sähst nur ein nacktes Samenkorn…Aber Gott gibt ihm die Gestalt, die er vorhergesehen hat. Und zwar jeder Samenart ihre eigene.“ (1. Kor 15, 37b-38)
Es wächst etwas Neues. Vorher muss das Samenkorn sterben. Wenn es nicht stirbt, bringt es keine Frucht. Aber wenn es stirbt, keimt, wächst und blüht es, bringt Frucht auf seine je eigene Weise, die schon in ihm angelegt war:
Jürgen Henkys dichtete in einem Passionslied: „Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt, Keim, der aus dem Acker in den Morgen dringt - Liebe lebt auf, die längst erstorben schien: Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.“ (EG 98,1)
Es wird ganz anders sein dann. Das kann uns Angst machen, weil Ungewissheit bedrohlich wirken kann. Aber es kann auch Hoffnung machen, gerade in einer Welt, in der Krieg, Gewalt und Machtkampf an der Tagesordnung sind und es immer darum geht, wer an erster Stelle steht. So ist es dann nicht. Das macht Jesus in unserem Evangelium (Mk 10, 45-45) seinen Freunden Jakobus und Johannes unmissverständlich klar. Sie wollen im Reich Gottes ganz oben an der Tafel sitzen, direkt neben Jesus. Aber so funktioniert das nicht! Dort entscheidet Gott – nach ganz anderen Maßstäben als wir Menschen.
Etwas davon können wir hier schon erahnen, wenn wir uns anstecken lassen von der Liebe Gottes, wenn wir ihr in diesem Leben Raum geben. Jesus erklärt seinen Freunden: „Ihr wisst: Diejenigen, die als Herrscher der Völker gelten, unterdrücken die Menschen, über die sie herrschen. Und ihre Machthaber missbrauchen ihre Macht. Aber bei euch ist das nicht so: Sondern wer von euch groß sein will, soll den anderen dienen. Und wer von euch der Erste sein will, soll der Diener von allen sein.“
Jesus hat das vorgelebt. Er war für seine Freunde da, hat ihnen sogar die Füße gewaschen wie ein Diener. Er hat sich sogar als Verbrecher hinrichten lassen, hat sein Leben dahingegeben.
Und damit hat er einen neuen Anfang für uns Menschen gesetzt. Nicht erst nach dem Tod beginnt das andere. Auch schon jetzt können wir den neuen Weg einschlagen und die Liebe unter uns wachsen lassen: Liebe wächst wie Weizen und ihr Halm ist grün!
Heute taufen wir zwei KonfirmandInnen: Malea und Jesko. Wir taufen mit Wasser. Mit Wasser, das alte Strukturen und Ängste wegspült und Neues möglich macht. Wir taufen sie hinein in Jesu Tod und seine Auferstehung, dass sie neu beginnen können. Für diesen neuen Beginn haben sie sich schöne Bibelworte ausgesucht: Sie wollen Gott mehr gehorchen als den Menschen (Apg 5,29), wollen sich nicht hineinziehen lassen in Machtspiele und Zwänge. Uns sie wollen alles, was sie tun, in Liebe geschehen lassen (1. Kor 16,14).
Die Taufe kann wie der Anfang eines neuen Lebens sein. Jesus wurde ganz untergetaucht im Jordan bei seiner Taufe. Die beiden bekommen nur symbolisch ein bisschen Wasser auf den Kopf. Aber dabei gilt genauso: Etwas Neues beginnt und kann wachsen.
Auch zum Wachsen braucht es Wasser. Das Wasser der Taufe lässt den grünen Halm der Liebe hervorsprießen: Liebe wächst wie Weizen und ihr Halm ist grün!
Immer, wenn Altes zu Ende geht und Neues beginnt, kann einem das Angst machen: Die Kindheit der KonfirmandInnen endet und sie gehen hinüber ins Erwachsenenalter, in eine Welt, die im Umbruch ist. Sie entscheiden sich, in der Taufe und in deren Bekräftigung, der Konfirmation, diesen Weg mit Gott zu gehen. Sie entscheiden sich, einen anderen Maßstab als den des Machtkampfes und der Gewalt an ihr Leben anzulegen: Den der Liebe.
Und indem sie das tun, stellen sie ihre Zeit in Gottes Hand. Ihre Zeit hier auf der Erde, aber auch das, was danach kommt und von dem wir noch nichts wissen. Wir legen heute all das, was die KonfirmandInnen ausmacht, was sie in ihren Koffern mitgenommen haben auf den Altar, bringen es im Vertrauen vor Gott, damit er es liebevoll ansieht und daraus das Neue wachsen lässt, dass wir jetzt kaum erahnen können.
Wenn wir heute zu Taufzeugen werden, können wir uns dabei auch an unsere eigene Taufe zurückerinnern und mit einstimmen, wenn wir gemeinsam singen:
„Meine Zeit steht in deinen Händen. Nun kann ich ruhig sein, ruhig sein in dir. Du gibst Geborgenheit, du kannst alles wenden. Gib mir ein festes Herz, mach es fest in dir.“
Eure und Ihre Pastorin Ute Parra
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zum Sonntag Lätare am 10. März 2024
von Propst Faehling
Liebe Gemeinde,
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater und dem Herrn, Jesus Christus.
Amen.
Text
Lk 22, 54-62
Sie ergriffen ihn aber und führten ihn ab und brachten ihn in das Haus des Hohenpriesters. Petrus aber folgte von ferne. Da zündeten sie ein Feuer an mitten im Hof und setzten sich zusammen; und Petrus setzte sich mitten unter sie. Da sah ihn eine Magd im Licht sitzen und sah ihn genau an und sprach: Dieser war auch mit ihm. Er aber leugnete und sprach: Frau, ich kenne ihn nicht. Und nach einer kleinen Weile sah ihn ein anderer und sprach: Du bist auch einer von denen. Petrus aber sprach: Mensch, ich bin’s nicht. Und nach einer Weile, etwa nach einer Stunde, bekräftigte es ein anderer und sprach: Wahrhaftig, dieser war auch mit ihm; denn er ist auch ein Galiläer. Petrus aber sprach: Mensch, ich weiß nicht, was du sagst. Und alsbald, während er noch redete, krähte der Hahn. Und der Herr wandte sich und sah Petrus an. Und Petrus gedachte an des Herrn Wort, wie er zu ihm gesagt hatte: Ehe heute der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und Petrus ging hinaus und weinte bitterlich.
Der weinende Petrus berührt mich sehr.
Petrus war ja überhaupt so ein Gemütsmensch, auch ein bisschen ein Chaot. Jesus ist immer wieder ungeduldig, ärgerlich, aber auch berührt mit Petrus umgegangen. Sogar als Satan hat er ihn mal beschimpft und ihn fortjagen wollen.
Und dann aber auch wieder ist Petrus der Fels – Petrus heißt übersetzt Fels – auf den Jesus seine Kirche bauen will.
Was ist vor dem Weinen geschehen?
Der Hahn hat gekräht. Er hat den Morgen angekündigt, den Tag der Kreuzigung.
Fast ist es, als würde Petrus aufwachen und erkennen, die Sache mit Jesus ist verloren.
Und wo das schon schwer auszuhalten ist, wird es noch viel schwerer, weil Petrus sich selbst Mitschuld gibt.
Er hat Jesus zwar verteidigen wollen und einem Soldaten ein Ohr abgeschlagen. Aber Jesus hat ihn dafür kritisiert. Und dann ist Petrus weggelaufen, wie alle anderen auch.
Und dann hat er sich ans Feuer getraut, hat es gewagt, zum Palast des Herodes zu kommen, in dem Jesus verhört und gefoltert wurde.
Aber als er dann erkannt wird, sich bekennen könnte, vielleicht sogar das Schicksal Jesu teilen müsste, wenn er auch verhaftet würde, da lügt er.
Drei Mal tut er das. Hier sind drei Mal gar nicht aller guter Dinge, sondern die Lüge wird verstärkt, verdoppelt, verdreifacht.
Ich denke mir, Petrus hat sich ausweglos gefühlt.
Und das Schlimme ist: Jesus hat das kommen sehen und dem Petrus schon angekündigt, als der vollmundig behauptete, er würde das Kreuz Jesu genauso tragen wollen.
Petrus in der Klemme.
Ich will ihn an dieser Stelle seines Lebens nicht dafür kritisieren.
Man könnte ihn ja treulos nennen, einen Verräter fast wie Judas, einen Freund, auf den man sich nicht verlassen kann.
Ja, das könnte man.
Man könnte aber auch feststellen: Schon wieder, dass Jesus mit einem echten Menschen eng zu tun hat. Petrus, der Verleugner, Judas, der Verräter, die beiden Söhne des Zebedäus, die unbedingt einen Sonderplatz neben Jesus wollten.
Hat Jesus kein Glück mit seinen Jüngern?
Ich glaube eher, Jesus macht sehr deutlich und erträgt es am eigenen Leib, dass das Leben hier auf der Erde letztlich immer wieder durch Krisen hindurch verläuft.
Die besten Grundsätze der Menschen halten niemals ein Leben lang. Menschen sind keine Helden, nicht unfehlbar.
Stattdessen sind sie naiv und überschwänglich und manchmal auch treulos und böse.
Und Jesus?
Wieder einmal macht er keinen Umweg, weicht nicht aus, idealisiert nicht. Wieder einmal macht er deutlich: Höhen und Tiefen, auch die schweren Wechselfälle des Lebens sind Bestandteil des Lebens – es gibt das Leben nicht ohne Krise.
Und der Glaube ist unter diesen Bedingungen eine Beziehungsgeschichte; und Treulosigkeit kommt leider auch vor.
Und Jesus kehrt das auch nicht unter den Teppich, lässt 5 nicht gerade sein.
Sondern er blickt den Verräter nach dem dritten Mal an, schaut ihm sozusagen ins Herz. Und jetzt kommts – und was er in diesem Herzen findet, blickt er liebevoll an – will auch, dass einer wie Petrus den Weg zum Leben findet, zurechtkommt mit seinen Fehlern.
Als wollte er Petrus an der Schwelle zum Kreuz noch eine Idee geben davon, dass auch der bitterlich weinende einen Platz hat im Plan, den Jesus vom Leben hat.
Glaube wird so zu einer Beziehungsgeschichte, in der Schuld, Trauer, Leid, Verrat allesamt einen Ausgang zum Leben haben.
Und diesen Ausgang finden wir nicht aus eigener Kraft, sondern bekommen ihn geschenkt durch diese Lebensidee, die über das Kreuz, über den Verrat, über den Tod hinausreicht.
Ich stelle mir dabei all das, was Gott für mich bedeutet, wie einen Raum vor, der viel größer ist, als das, was ich vom Leben weiß. Ich könnte diesen Raum nie betreten. Ich würde an Wänden, an Vorbedingungen, an meinen eigenen Fehlern und Defiziten scheitern und an denen anderer Menschen, von denen ich mich bedroht, verraten, missverstanden und verlassen fühle.
Doch dann gibt es diesen Jesus, der diesen Ideenraum, diesen Erlebnisraum, diesen Gedankenraum, diesen begrenzten Raum menschlichen Denkens durchbricht, öffnet, weitet für lauter Möglichkeiten, die ich alleine nicht gestalten könnte.
Beten, Zukunftshoffnung, Glaube an eine Zeit nach meiner Zeit, seelische Heilung, eine Welt liebevoller Möglichkeiten, Versöhnung, Erlösung, all das und noch mehr sind Begriffe, die ich mit diesem Raum verbinde.
Man muss das nicht glauben. Man ist auch kein besserer Mensch, wenn man das glaubt, sondern es ist eine Idee, die Seele leicht zu machen, sie weit kommen zu lassen, sich getragen zu fühlen mitten im Verrat, sich lebendig zu fühlen mitten in der Bedrohung, eine Zukunft zu ahnen, direkt dort, wo alle anderen nur ein Ende sehen.
Dieser Raum ist ein Geschenk Gottes. Wer mit Moral und Wille, mit Verstand und Anstrengung dahinkommen will, wird an solchen inneren Grenzen wie Petrus scheitern; da ist auf einmal die Angst größer als die Liebe und es geschieht Verrat.
So ist diese Geschichte wie alles, was uns von Gott her entgegenkommt, eine Einladung. Wir sind eingeladen, mit unserem Scheitern und mit unserem bitterlichen Weinen uns an einen Gott zu wenden, der weiter denkt und sieht und handelt.
Damit wir leben.
Mitten in der Welt, wie sie ist.
Das ist Gottes Angebot.
Amen
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zum Sonntag Okuli am 03. März 2024
von Pastorin Karopka
Predigt 1. Petrus 1, 18-21
Denn ihr wisst ja, was es Gott gekostet hat, euch aus der Sklaverei der Sünde zu befreien, aus einem sinnlosen Leben, wie es schon eure Vorfahren geführt haben. Er hat euch losgekauft, aber nicht mit vergänglichem Silber oder Gold, sondern mit dem kostbaren Blut eines unschuldigen und fehlerlosen Lammes, das für uns geopfert wurde – dem Blut von Christus. Schon bevor Gott die Welt erschuf, hat er Christus zu diesem Opfer bestimmt. Aber erst jetzt, in dieser letzten Zeit, ist Christus euretwegen in die Welt gekommen. Durch ihn habt ihr zum Glauben an Gott gefunden. Gott hat Jesus Christus von den Toten auferweckt und ihm seine göttliche Herrlichkeit gegeben. Deshalb setzt ihr jetzt euer Vertrauen und eure ganze Hoffnung auf Gott.
Ich schlendere gerne über Märkte. Die Verkäuferinnen haben ordentlich dicke Jacken an, ihnen ist es bestimmt an so manchem Tag kalt, aber trotzdem sind sie vor der größten Kälte und Nässe in ihren Wagen geschützt. Das war früher anders – ich erinnere mich, als ich selbst Kind war, da saßen viele auf dem Markt nur an einfachen Tischen – verkauften ihre Blumen, ihr Gemüse, oder auch ihre Ledertaschen und gewebten Schals. Und noch ein paar Jahrzehnte zurück, da wurden die Waren lautstark angepriesen.
Alle Sachen hatten einen bestimmten Wert. Die Händler schwammen abends sicher nicht im Geld, wie es ein Sprichwort so schön sagt. Aber wenn sie Glück hatten, war das Geschäft gut gelaufen – sie hatten einiges an Geld eingenommen und konnten sich dafür nun wieder andere Sachen kaufen – Schuhe, Seifen, Schafwolle. In der Bibel wird uns auch so manche Geschichte von derartigem Handel erzählt. Da wird gehandelt um eine Höhle für ein Begräbnis, mal soll ein Weinberg verkauft werden oder Tiere.
Bis heute ist es das Prinzip unserer Wirtschaft. Inzwischen läuft vieles sehr viel komplizierter, aber das Grundprinzip ist noch immer der Tausch: In ganz wenigen Fällen ist es noch ein direkter Tausch wie z.B. Du hilfst mir beim Hacken des Holzes und bekommst abends dafür Holz für deinen Kamin. Du hilfst mir beim Pflücken von Himbeeren und bekommst dafür 3 Gläser Marmelade, wenn sie fertig sind. Meistens geht der Tausch über Geld – wir bezahlen Brötchen, Hosen oder auch den Musikschulunterricht. Sachen und auch zu erbringende Leistungen können wir be-werten. Aber wenn wir das übertragen wollen auf Menschen, dann merken wir, hier kommen wir auf falsche Pfade. Menschen sollen und dürfen wir nicht mit einem materiellen Wert beziffern, Menschen haben keinen materiellen Preis, den wir bezahlen – damit sie dann uns gehören wie ein Gegenstand, dass wir über sie bestimmen, wie es uns gerade gefällt. In der Geschichte hat es das durchaus gegeben – dass auch Menschen gekauft wurden für Geld. Sie waren dann Sklaven desjenigen, der sie gekauft hatte.
Aber diese Zeiten, dass Menschen wie Dinge gehandelt werden, dass sie mit einem Wert bemessen wurden, sind zumindest in unserem Land dankenswerter Weise vorbei. Manchmal setzen wir noch eine andere Messlatte an und fragen: Ist das der Mensch wert? Au ch das ist eine falsche Frage, denn alle haben eine Würde – von Anfang an. Nicht umsonst heißt es in unserem Grundgesetz gleich im 1. Artikel: Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Nun ist das Grundgesetz gerade erst einmal bald 75 Jahre alt, gesetzlich geregelt ist alles also alles erst seit 1949.
Bei Gott aber haben wir diese Würde schon lange – von Anfang an – und sind bei ihm somit in ganz besonderer Weise wertvoll, so wertvoll, dass er seinen Sohn Jesus in diese Welt geschickt hat, um uns aus der Sklaverei der Sünde zu befreien, aus einem sinnlosen Leben, wie es schon eure Vorfahren geführt haben. So heißt es ganz theologisch in unserem heutigen PT.
Ja, damals war auch auf dem religiösen Markt eine Menge los. Folgt unserem Gott der Fruchtbarkeit. Nein, unser Gott ist viel besser, wendete dann ein anderer an – in diese Welt der vielen Stimmen setzt Gott seinen Sohn – Jesus, der zeigen sollte, dass jeder von uns einzigartig und etwas ganz Besonderes ist.
Diesen Auftrag hat Jesus erfüllt. Er hat viele ermutigt, vielen einen neuen Weg aufgezeigt, aber auch ermahnt, auf einem gottgewollten Weg zu bleiben. Durch ihn habt ihr zum Glauben an Gott gefunden, so erinnert sich der Schreiber unserer heutigen biblischen Zeilen.
Das hat nicht allen gefallen – es gab Neid und Missgunst der Herrschenden, die ihre Macht eingeschränkt sahen, die sahen – dieser Jesus, der sogar die ganz einfachen Menschen be-achtet, kann für uns gefährlich werden. So kam es zur Anklage von Jesus und zu seinem Tod. Schon bevor Gott die Welt erschuf, hat er Christus zu diesem Opfer bestimmt. So haben wir es in unserem Bibeltext gehört – also Gott wusste es, dass der Weg für Jesus, der so fehlerlos war wie ein Lamm, so sein musste – ABER: Er hat sein so kostbares Blut für uns gegeben, dass wir spüren – Gott liebt uns so sehr, dass ihm keine Gabe zu groß ist. Bei ihm sind wir anerkannt, wir müssen uns nicht erst seine Liebe verdienen oder etwas ganz Großes dafür leisten. Jeder und jede – egal wie alt, wie klug, wie erfahren, wie groß, ist ein Kind Gottes. Gott möchte uns von dem Denken befreien, dass wir erst gut genug sind, wenn wir viel verdienen oder nur Einsen und Zweien in der Schule haben. In diesem Sinne hat er uns befreit aus einem ganz engen Denken, das auch manchmal bei uns wie die Logik des Marktes ist: Wenn du drei Medaillen gewinnst, bekommst du 50 Euro. Wenn du aber mit 4 Medaillen nach Hause kommst, dann gibt es noch 20 Euro dazu. Nein, auch ohne Medaillen sind wir von Gott geliebt.
Natürlich müssen wir alle in gewisser Weise auch haushalten mit unserem Geld, mit unserer Zeit, mit unseren Kräften. Aber egal wieviel wir davon haben, egal wieviel andere Menschen um uns herum davon haben – bei Gott sind wir alle in besonderer Weise wert-voll. Einzige Voraussetzung: Einen von Gott gewollten Weg gehen. So zu helfen, wie wir es gerade können. Ihn als Gott anzunehmen, wie es unserer Art entspricht.
Und dann öffnet sich eine Weite, die auch schon in unserem biblischen Text anklingt:
Gott hat Jesus Christus von den Toten auferweckt und ihm seine göttliche Herrlichkeit gegeben. Da leuchtet schon etwas von Ostern auf.
Heute aber sind wir noch mitten in der Passionszeit, haben auf unseren Text etwas genauer hingeschaut und gehört: Die Wirtschaft lebt vom Tausch – und so lange es fair ist, kann das auch akzeptiert werden. In unserem christlichen Miteinander aber, in unserem Denken und Handeln geht es nicht um Bares für Rares, sondern Gottes Liebe ist unbezahlbar, weil er sie schon gegeben hat und immer wieder neu gibt – uns allen, die wir alle viel wertvoller sind als der größte Haufen Silber oder Gold. Amen.
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zum Sonntag Reminiszere am 25. Februar 2024
von Pastorin Parra
Liebe Gemeinde,
„Erinnere dich, Gott, an deine Barmherzigkeit und deine Güte!“ (Ps 25,6) so steht es im Wochenpsalm für den heutigen Sonntag Reminiszere. Muss Gott denn daran erinnert werden? Er, der Allmächtige und Allwissende, kann doch eigentlich gar nichts vergessen, oder?
Manchmal kommt es uns trotzdem vielleicht so vor, als hätte Gott etwas oder jemanden vergessen, sonst könnte er doch nicht all dem Leid in dieser Welt einfach zusehen - wenn er barmherzig und gut wäre und nichts und niemanden vergessen hätte - oder?
Jetzt, wo der Krieg in der Ukraine schon mehr als zwei Jahre andauert und auch der in Israel und Gaza schon monatelang wütet - jetzt, wo Europa seiner Willkommenskultur müde wird und ein Rechtsruck durch die politische Landschaft geht - jetzt, wo Klimaschutz angesichts der schwachen Konjunktur zum Luxusproblem zu werden droht und die überfluteten Wege und Wiesen um den Kirchsee Bilder davon im Kopf erzeugen, was die Klimakatastrophe bringen wird… gerade jetzt liegt der Verdacht nahe.
Besonders auch deshalb, weil wir selbst gegen das alles so wenig tun können. Aber: Müssten wir nicht? Wer, wenn nicht wir Christen sollte sich für das Gute einsetzen? Doch wir bleiben halbherzig und verzagt, wissen selbst nicht, wie es weitergehen soll. „Die Erde klagt uns an bei Tag und Nacht“, so heißt es in dem Lied „Holz auf Jesu Schulter“. Und wir: Wir werden immer weniger. Viele von uns sind ratlos, wie es mit der Kirche weitergehen soll. Viele fühlen sich erschöpft: Die schrecklichen Bilder in den Nachrichten, mein Ohnmachtsgefühl… Manchmal kommt man sich angesichts der Schreckensbilder fast vor wie das berühmte Kaninchen vor der Schlange…
Apropos Schlangen: Sie spielen im heutigen Predigttext eine wichtige Rolle. In der Bibel in Gerechter Sprache beginnt er so:
Als sie von Hor, dem Berg, in Richtung Schilfmeer aufgebrochen waren, um das Land Edom zu umgehen, wurde das Volk kurzatmig auf dem Weg und sprach sich deshalb gegen Gott und gegen Mose aus: „Warum hast du uns hinaufgeführt aus Ägypten, nur damit wir in der Wüste sterben? Denn es gibt kein Brot und kein Wasser! Unsere Kehlen ekeln sich vor dem Würgebrot!“ (Num 21,4-5)
Über dreißig Jahre zieht das Volk Israel schon durch die Wüste auf ihrem Weg ins gelobte Land, aber noch immer ist ungewiss, wann sie es erreichen werden. Sie sind müde. „Kurzatmig“ so übersetzt die Bibel in gerechter Sprache das Wort „Tiqzar-Näfesch“. Ihnen geht die Puste aus auf ihrem jahrzehntelangen Weg und das Brot vom Himmel, das Gott ihnen schenkt, wird für ihre Kehlen zum ekligen „Würgebrot“.
Näfesch kann „Kehle“ heißen, aber auch „Seele“. Dann wäre es so, dass die Seele des Volkes zu schrumpfen scheint, aufgezehrt wird von den Anstrengungen und der Perspektivlosigkeit, dem Ekel und der Eintönigkeit. Sie verlieren den Mut und ihr Ohnmachtsgefühl macht sich Luft in Vorwürfen – Nicht nur gegen Mose, sondern auch gegen Gott. Das hat schwerwiegende Folgen:
Da schickte ’GOTT’ dem Volk Seraf-Schlagen, die das Volk bissen, und viele Menschen aus Israel starben. Nun kam das Volk zu Mose und sie sagten: „Wir haben uns vergangen, weil wir uns gegen ’GOTT’ und gegen dich ausgesprochen haben. Bete zu ’GOTT’, damit die Schlange von uns weiche!“ (Num 21,6-7)
In höchster Bedrängnis wendet sich das Volk - über Mose - an Gott. Dieser Hilferuf kommt mir ein bisschen vor wie der Ruf im Lied „Holz auf Jesu Schulter“: „Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn!“ In der Not erkennt das Volk: Ohne Gott ist es so gut wie tot. Die einzige Hoffnung ist, sich ihm anzuvertrauen.
So betete Mose für das Volk, und ’GOTT’ sagte zu Mose: „Fertige dir einen Seraf und setze ihn auf eine hohe Stange: Wer gebissen wird und ihn ansieht, wird leben.“ So fertigte Mose eine Schlange aus Kupfer an und setzte sie auf eine hohe Stange. Und es geschah: Wenn eine Schlange jemanden biss, fixierte er oder sie die Kupferschlange und blieb am Leben. (Num 21,8-9)
Gott müsste es doch ein Leichtes gewesen zu sein, die Schlangen einfach wegzuschicken. Aber das macht er nicht. Er verbietet ihnen auch nicht, zu beißen. Eigentlich ist alles so schrecklich wie zuvor - mit einem Unterschied: Da ist diese Kupferschlange. Sie ist selbst kein Gott, kein Zauberstab. Sie steht für die gute Nachricht: Der Himmel sagt: „Alles ist vollbracht!“ Ihr seid bewahrt. Die Welt ist bewahrt.
Aber die Kraft der ehernen Schlange entfaltet sich nur, wenn die Menschen sie ansehen. „Fixieren“, so formuliert die Bibel in gerechter Sprache. Ganz fest müssen sie hinsehen. Erst dann verlieren die tödlichen Schlangen ihre Schrecken. Erst dann sind sie gerettet.
Mir ist das immer ein bisschen grausam vorgekommen: Wem es gelingt, den Blick von der Bedrohung zu lösen und nicht mehr wie das Kaninchen vor der todbringenden Schlange dazustehen, der wird gerettet. Was ist mit den anderen? Was ist das für eine Rettung, wenn ich sie nur für mich selbst ergreife und andere im Leid zurücklasse?
Das fühlt sich für mich so ähnlich an, wie wenn ich bei den Sicherheitsbelehrungen im Flugzeug höre: „Setzen Sie sich bei Druckabfall zunächst selbst die Sauerstoffmaske auf und helfen Sie dann erst den anderen.“ Das mag einem auch egoistisch vorkommen, aber an diesem Beispiel wird verständlich: Wenn ich selbst zu Grunde gehe, kann ich niemanden mehr retten. Je kurzatmiger ich werde, desto weniger Kraft habe ich. Und so ist das auch mit der Seele: Zusammengeschrumpft, erschöpft und ängstlich ist sie kraftlos. Wenn man ihr aber die Hoffnung auf Rettung vor Augen stellt, dann wird sie stark und frei.
Die Israeliten damals haben auf die Bronzeschlange geblickt. Ein schöner Anblick war das wohl auch nicht: Wieder eine Schlange - Symbol des Todes. Aber: diese Schlange wurde ihnen zum Symbol des überwundenen Todes. Wir blicken in unserer Kirche auf das Kreuz. Wir sehen: totes Holz und einen sterbenden Menschen. Aber aus dem toten Holz wachsen Knospen. Wie die leblos scheinenden Bäume im Frühjahr austreiben, so scheinen die Knospen am Rand des Kreuzes kurz davor zu sein, aufzubrechen.
Das Kreuz als Baum des Lebens ist ein uraltes Hoffnungsbild. Wenn wir darauf schauen, sagt es uns: So hat Gott die Welt geliebt, dass er selbst mittendrin ist in all ihrem Leid, in all ihren Schrecken. Dass er das alles aushält, selbst daran zu Grunde geht und am Ende den Tod von innen heraus besiegt.
Mit dem Kreuz will Gott uns aus den Toten rufen, will unserer Seele neuen Atem einhauchen, dass sie wächst und einen langen Atem hat auf dem Weg durch die Wüste. Dass da genug Hoffnung zum Teilen ist - und Weite.
Die Probleme der Welt verschwinden nicht. Wir lösen sie auch nicht auf einmal, aber wir vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit und darauf, dass er bei uns ist in alldem. Indem wir ihn an seine Barmherzigkeit erinnern, erinnern wir auch uns selbst daran, dass wir auf ihn vertrauen können. Und Gott ruft uns aus den Toten.
Ihre Pastorin Ute Parra
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zum Sonntag Invokavit am 18. Februar 2024
von Pastor Lüdtke
Gott gebe uns ein Wort für unser Herz.
Und ein Herz für sein Wort.
Amen.
Liebe Gemeinde,
Jesus und der Teufel in der Wüste.
Eine theologische Debatte von zwei Schwergewichten, die sich auskennen.
„Wenn es schwer ist – nimm’s leicht!“, dachte ich mir.
Und wählte darum als Textfassung diejenige in Leichter Sprache.
Übrigens auch für den Kita-Alltag sehr geeignet!
Mir gefällt diese sogenannte „Leichte Sprache“, weil sie mich auf neue Aspekte des biblischen Textes aufmerksam machen kann.
Für Matthäus 4,1-11 ist das der Fall gewesen.
Drei Beispiele dazu:
Der erste Vers heißt: „Einmal ging Jesus in die Wüste.“
Doch bei Luther und anderen Übersetzungen ist es der Geist, der Jesus in die Wüste führt.
Und darum vermute ich, dass diese Wüsten-Führung Teil des göttlichen Plans ist.
Warum?
Um dem Teufel mal aufzuzeigen, wo dessen Grenzen sind. Gegen Gott kommt der Teufel nicht an – das wusste er allerdings schon.
Aber eben auch nicht gegen Gottes Sohn – nicht einmal dann, wenn dieser durch ein 40tägiges Fasten extrem geschwächt ist.
Denn dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zer-störe.
Tja, Teufelchen, wenn du jemanden hereinlegen willst, musst du dich wohl an die Menschen halten …
Bei denen kannst du dich auf die Schulter setzen und unentwegt Versuchun-gen flüstern – direkt gegenüber vom Engelchen.
Überhaupt, die Engel.
Denn als nächster Unterschied ist mir aufgefallen, dass diese bei der zweiten Versuchung fehlen. Jedenfalls in der Fassung der leichten Sprache.
Die Engel glänzen zwar generell – aber diesmal durch komplette Abwesenheit.
Kein Tragen auf den Händen, damit der Fuß Jesu und – in seiner Nachfolge – der aller Täuflinge nicht an einen Stein stößt.
Stattdessen geht es um die Gefahr, sich das Bein zu brechen. Das leuchtet mir bei solch einem Sturz auch viel eher ein. Und dazu Jesu Gebot: Die Menschen sollen keinen Unsinn machen.
Heide Simonis ist auf irgendeiner Kieler Woche da noch sehr viel deutlicher geworden.
Und zum Dritten. Da liegt der für mich größte Unterschied in der Ergänzung der Bibel in Leichter Sprache.
Es geht darum, dass Jesus den Teufel anbeten soll.
Dann könne er – Jesus – selber König sein. Und er – Jesus – könne – Ach-tung: jetzt kommts: – allen Menschen befehlen, dass sie das tun sollen, was in der Bibel steht.
Damit bekommt die letzte Versuchung Christi noch einmal eine neue Wendung, oder?
Alles tun, was in der Bibel steht.
Geht’s auch eine Nummer kleiner, Herr Luzifer?
Mir persönlich würde ein Verinnerlichen der Bergpredigt schon reichen.
Jesus bezieht sich in seiner dritten Abfuhr an den Versucher nur auf das Anbe-ten. Das gebührt Gott alleine.
Die Versuchung mit "Bibel-Geltung für alle“ überspringt Gottes Sohn ganz ele-gant durch Ignoranz.
Vielleicht auch darum, weil er weiß, dass sein göttlicher Vater uns Menschen nun mal den freien Willen gegeben hat.
Und letztendlich ja auch – für der Preis unserer Sterblichkeit – die Fähigkeit, das Böse vom Guten zu unterscheiden.
So weit, so leicht.
Und nun?
Ich nehme mir die drei Text-Unterschiede noch einmal vor.
I. Die Führung und der Weg.
II. Die Engel.
III. Die Bibel und das Anbeten.
Und beziehe sie auf meine Arbeit als Prozessbegleiter und später als theologi-scher Referent in der Kita-Arbeit, die in zehn Tagen endet.
Wer geht den Weg? Wer wird geführt? Und vom wem?
Von allen guten Geistern? Oder von selbigen verlassen?
Der Kirchspielprozess ist eine echte Zumutung.
Ich kenne keine Hauptamtlichen, keine Ehrenamtlichen, die um einen Struktur-prozess gebettelt haben, weil sie bis dato vor Kraft kaum laufen konnten und sich langweilten.
Eine echte Herausforderung.
Und ich nutze diese – vermutlich für mich letzte Möglichkeit – um zu betonen, dass ich dankbar für den Synodenbeschluss bin, die Entscheidungen für Dienstsitze, Aufgabenwahrnehmung und Rechtsform den KGRs der Kirchspie-le zu übertragen.
Und eben nicht von oben nach unten durchzuregieren.
Und vor Ort?
So viele Sitzungen, so viele Absprachen zwischen den Gemeinden.
Und gefühlt geht es oft nicht voran.
Ja, stimmt.
Aber es gibt eben auch diejenigen Kirchspiele, die schon länger in ihrer selbst-gewählten Rechtsform arbeiten.
Die einen neuen Gottesdienstplan ebenso mit Leben füllen wie den gemein-samen Gemeindebrief.
Die ihre Bezirke neu geordnet haben.
Die Lust daran haben, etwas Neues, etwas Gemeinsames, etwas Schönes für die Menschen zu planen und durchzuführen.
Auf dem Weg sind die einen genauso so wie die anderen.
Dankbar möchte ich im Rückblick jeden einzelnen Schritt anerkennen und wertschätzen.
Und wenn eine Sitzung ohne messbare Fortschritte die Beteiligten eben nicht auseinandergebracht hat, dann erkenne ich auch darin Gottes Geist.
Sprechen wir über etwas Konkretes. Ich komme zu meinem Punkt II. - die En-gel.
Engelsgeduld fällt mir ein.
Damit wird im Kita-Alltag vieles ertragen.
Die Forderung „Mehr Zeit für jedes Kind“ wird wohl jede Leitung unterschrei-ben; das weiß ich aus Gesprächen.
Und zugleich erlebt eben diese Kita-Leitung, dass sie ohne den Einsatz von Zeitarbeitskräften die Woche gar nicht planen kann.
Und dann noch Zeit für Fortbildungen des Teams? Längerfristig? „Mit Gott groß werden“ – wenn das Kita-Team durch einen nur mäßig interessierten KGR, mangelnde Ausstattung oder bauliche Mängel kleingehalten wird …
Engelsgeduld.
Ortswechsel.
Und die Engel gehen mit.
In den Kirchspielen habe ich Menschen kennengelernt, die „wie mit Engels-zungen reden“, damit sich niemand vor den Kopf gestoßen fühlt.
Oder, ein anderer Punkt: Oft ging das über das gemeinsame Essen, das Teil der Sitzungen war.
In einem Kirchspiel hat die Steuerungsgruppe innerhalb von vier Monaten je-weils zum Auftakt ihrer Treffen einen Gemeindegottesdienst der Nachbarge-meinde besucht.
Dann gab es eine Führung zu den wichtigen Gebäuden der Gastgeberin, Mit-tag für alle und schließlich eine gemeinsame Sitzung der KGR-Delegierten zum Kirchspielprozess.
Das war richtig gut!
In einem anderen Kirchspiel sorgt der geografisch in der Mitte liegende Gast-geber regelmäßig für belegte Brötchen bei den Sitzungen.
Und zwar ohne dann im Anschluss den anderen mitzuteilen, dass sie jeweils noch ein Drittel der Ausgaben überweisen müssten.
Bevor Sie jetzt denken, dass es mir nur um das Essen geht: diese Maßnah-men, um Leib und Seele zusammenzuhalten, kann man gar nicht hoch genug einzuschätzen.
Kompromissbereitschaft in Veränderungen ist ein weiterer Punkt.
Oder die Fähigkeit, nicht auf Positionen zu beharren, sondern sich über die je-weiligen Bedürfnisse auszutauschen.
Mit Engelszungen und Engelsgeduld.
Die Bibel und das Anbeten.
Und – davon abgeleitet – die Fragen: was ist mir wichtig? In meiner Arbeit? In meinem ehrenamtlichen Engagement? Warum bin ich als Pastorin auf einer Teampfarrstelle? Oder eben alleine?
Wie wichtig nehme ich mich?
Kann es sein, dass die Zusammenarbeit mit der Nachbargemeinde nicht so richtig in die Gänge kommt, weil ich ja eh‘ vor 2030 in Pension gehe?
Und darf es wirklich sein, dass ich die Komfortzone meiner gewohnten geisti-gen Laufwege nicht verlassen möchte – und dabei vergesse, dass ich mit dem KGR und den anderen Mitarbeitenden nach dem suchen soll, was Christum treibet und was der Gemeinde guttut?
Solche Situationen auszuhalten, sind für mich eine sehr große Versuchung gewesen.
Oh, wie gerne wäre ich der Prozess-König Andreas I. gewesen, der die nächs-ten Schritte zur Zusammenarbeit einfach mal anordnet.
Zack, Bumm.
Senkrecht von oben!
Ja, das stimmt.
Und genauso wahr ist es auch, dass dieser Strukturprozess eben auch etwas Inneres berührt bei denjenigen, die für solche Empfindungen sensibel sind.
Ein gottesdienstlicher Ort – Kirche, Kapelle, Gemeindehaus – wo zuvor jeden Sonntag Gottesdienst gewesen ist – und jetzt nur noch alle zwei Wochen.
Das ist mehr als eine Frage von Ressourcenoptimierung und Synergieeffekt und all diesen anderen Worten, mit denen sich so prima "Bullshit-Bingo" spie-len lässt.
Die erwähnten Veränderungen berühren Fragen wie: Was halte ich hoch? Was ist mein Credo? Meine Berufung?
Das ist jetzt eine ziemliche pastorale Sichtweise – ich kann ich eben auch nicht aus meiner Haut.
Darum diese Ergänzung: Wie mag dann denen zumute sein, die in einer Kir-chengemeinde nicht nur arbeiten, sondern beheimatet sind?
Die in einer Kapelle getraut wurden, in der jetzt keine Gottesdienste mehr statt-finden?
Dieses Fass ist viel zu groß, um es jetzt mal eben am Predigtende noch auf-zumachen.
Ich möchte nur dafür werben und darum bitten, dass sich die Menschen in die-sem Prozess auch weiterhin die Zeit dafür nehmen, sich über Befindlichkeiten und Gefühle und Trauer und zarte Hoffnungszeichen und Wünsche miteinan-der auszutauschen.
Und dass diejenigen in Leitungsverantwortung akzeptieren, dass sich nicht alle Verletzungen mit einem Verband bedecken lassen.
An manche Wunden muss auch Luft rankommen können.
Sie müssen gezeigt, gesehen, gewürdigt werden, um vielleicht irgendwann einmal heilen zu können.
Dann, liebe Gemeinde, kann der Segen, der auf dem menschlichen Miteinan-der liegt, spürbar werden.
Und vielleicht haben wir dann tatsächlich das Gefühl, dass die Engel uns be-dienen. Weil wir auf Gottes Spuren unterwegs sind.
Allen diesen Aufgaben habe ich mich gerne gestellt.
Inklusive meiner Zeit als Schönberger Pastor bin ich diesem Kirchenkreis 22 Jahre lang verbunden gewesen.
Meine Zeit hier endet.
Und auch auf dieser Kanzel.
Rührseligkeit entfällt.
Und ich denke mir: „Wenn es schwer ist – nimm’s leicht!“
Amen.
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zum Sonntag Estomini am 11. Februar 2024
von Pastorin Parra
Liebe Gemeinde,
„Gott lässt euch ausrichten: Ich hasse und verachte eure Feste und mag eure Versammlungen nicht riechen!“ (Am 5,21) – Ganz schön harte Worte sind das, die der Prophet Amos den Gottesdienstbesuchern damals, vor mehr als 2500 Jahren im Nordreich Israel, in der Haupt- und Kultstadt Samaria entgegengeschleudert hat. Amos ist kein Hofprophet, kein Gelehrter, sondern ein einfacher Mann vom Land, Hirte und Züchter von Maulbeerbaumfeigen. Er fährt wohl nicht im Trecker am Hofe von Samaria vor, sondern reitet allenfalls auf einem Esel. Und dennoch scheint er schon damals mit seinen Worten so ins Schwarze getroffen zu haben, dass man sie bis heute erinnert.
Was wenn hier heute in diesen Gottesdienst jemand mit so einem Satz hereinplatzte – auch noch ein Landwirt, so wie Amos, kein gelernter Theologe? Und: Hätte er denn Recht?
Wie ist es bestellt um unsere Gottesdienste? Gefallen sie Gott? Da gehen die Meinungen auseinander: Die einen meinen, langweilig seien sie, eine verstaubte Pflichtübung. Die Leute seien nicht mit dem Herzen dabei. Die anderen kommen in ihnen zu Ruhe und schöpfen neue Kraft.
Die einen meinen: politischer müssten sie sein, nicht so fromm und weltfremd; das sei doch verlogen. Die anderen schätzen es, aus dem Alltag in eine andere Welt einzutreten, ein heiliges Spiel.
Amos spricht ganz unverblümt aus, was Gott vom Kult an Hof und Tempel in Samaria hält:
„An euren Speisopfern habe ich kein Gefallen, und euer fettes Schlachtopfer sehe ich nicht an. Tu weg von mir das Geplärr deiner Lieder; denn ich mag dein Harfenspiel nicht hören!“ (Am 5,22-23)
Den Spiegel hält er der Elite des Nordreichs vor, der fast jedes Mittel zur eigenen Bereicherung recht zu sein scheint: Ausbeutung (4,1; 5,14), Rechtsbeugung (5,7) und Richterbestechung (5,10.12) – all das prangert Amos an und sagt auch klar, dass jedes der rauschenden Feste an Hof und Tempel nur durch zu Unrecht erworbenes Gut möglich wurde – auf Kosten der einfachen Bevölkerung. Und das, obwohl sie behaupten den Gott zu feiern, der aus der Unterdrückung befreit.
Juden, Christen, Muslime, wir alle berufen uns auf den einen Gott, den „Ich bin da“, dem Unrecht und Unterdrückung ein Greul sind, der die Versklavten frei macht und den der Tanz ums Goldene Kalb anwidert.
Wie kann es sein, dass bis heute in seinem Namen so viel Unrecht geschieht? Religiöses Sendungsbewusstsein wird zum Vorwand für Gewalt. Eigene Machtinteressen werden als Gottes gerechter Wille verkauft. Die Nachrichten sind voll davon:
Nach den brutalen Angriffen auf Israel spielen sich auf einigen pro-palästinensischen Demos in Deutschland Jubelszenen ab, so eine Schlagzeile auf www.ZDF.de.
Die Unterschrift unter einem Bild aus der neuen Zürcher Zeitung vom 30.01. lautet: „Der israelische Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir singt und tanzt am Sonntag mit anderen Mitgliedern der Siedlerbewegung an einer Konferenz zur Wiederbesiedlung des Gazastreifens“
Oder aber: Es wird weggesehen – um des eigenen lieben Friedens willen, um die wohltönenden gottesdienstlichen Gesänge nicht zu stören:
„Die Ergebnisse der ForuM-Studie (zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen in der Evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland) legen ein jahrzehntelanges Versagen der evangelischen Kirche und der Diakonie auf allen Ebenen und in allen Landeskirchen offen. Betroffene Personen wurden nicht gehört, Taten nicht aufgearbeitet, Täter geschützt und Verantwortung nicht übernommen“, so die gemeinsame Erklärung der Landeskirchen und des Rates der EKD sowie des Bundesvorstandes der Diakonie Deutschland vom 06.02.2024.
Amus fordert: „Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.“ (Am 5,24).
Und es gibt bis heute Menschen, die wie er den Mund aufmachen und Missstände anprangern – aus ihrem Glauben an den Gott, in dessen Auftrag schon Amos sprach:
Der Rat Berliner Imame erklärte im Oktober 2023: „Mord, Hass und Gewalt dürfen niemals geduldet oder gar bejubelt werden. Unsere religiösen Überlieferungen und unser Islamverständnis verbieten ein solches Verhalten und rufen zu Frieden, Barmherzigkeit und Mitgefühl auf… Unsere Gedanken und Gebete sind bei den Opfern und Angehörigen der Terrorakte und der Vergeltungsschläge“,
Die Synode der EKD beschloss am 5. Dezember 2023: „Die Synode … ruft die Landeskirchen und Gemeinden auf, allen Versuchen, Zivilgesellschaft zum Schweigen zu bringen und Demokratie zu zersetzen, klar und deutlich zu widersprechen, auch in den eigenen Reihen. Die Synode verurteilt in aller Schärfe die erschütternden antisemitischen Vorfälle und Übergriffe jedweder politischen Couleur, die im Herbst 2023 in Deutschland und weltweit zu beobachten sind“
Eine andere Welt, ein heiliges Spiel - Dürfen wir uns das Sonntag für Sonntag erlauben? Müssen wir nicht hinaus in diese Welt und unsere Stimme erheben? Der Theologe und Widerständler gegen das NS-Regime Dietrich Bonhoeffer hat den Satz geprägt: „Nur wer für die Juden schreit, darf auch gregorianisch singen“[i]. Ich denke: Wer Psalmen singt wie unseren Wochenpsalm: „Sei mir ein starker Fels und eine Burg, dass du mir helfest!“ (Ps 31, 3b) und sich dabei wirklich durchströmen lässt von der Hoffnung auf Recht und Gerechtigkeit Gottes für alle Menschen, der oder die kann und wird auch die Stimme gegen die Ungerechtigkeit dieser Welt erheben.
Wenn Kinder spielen, dann ist das ganz zweckfrei und doch brauchen sie das Spiel, um das Leben zu verstehen und Eindrücke zu verarbeiten. Das Spiel ist nicht Flucht aus der Realität, sondern ein Heraustreten und das Eröffnen neuer Räume. Die Seele braucht diesen Spielraum. Was hilft es dem Menschen, die ganze Welt zu gewinnen und Schaden zu nehmen an seiner Seele? (Mk 8,36)
Wenn Gottesdienst den Raum öffnet hin auf das Unverfügbare und Hoffnungen Ausdruck in Bildern finden - ein Fels, eine Burg, ein Strom - dann kann der Gottesdienst wirklich eine Kraftquelle für die Herausforderungen unseres Lebens sein.
Gottesdienst kann den Blick fokussieren auf das, was uns wirklich wichtig ist. Unser heutiges Evangelium spricht vom Ernst der Nachfolge. Es spricht davon, sein Leben zu verlieren, um es zu gewinnen. Wenn das heilige Spiel des Gottesdienstes mit solchem Ernst betrieben wird und der Ernst verantwortungsvollen Handelns gespeist ist von der spielerischen Leichtigkeit des Gottvertrauens, dann stehen beide nicht im Gegensatz zueinander, sondern machen sich erst gegenseitig wahrhaftig und echt. Dann fließt uns zu, was wir uns nicht aus eigener Kraft nehmen können.
„Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.“
Amen
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zum Sonntag Sexagesimae am 04. Februar 2024
von Pastorin Pfeifer
Liebe Gemeinde,
wenn ich mich rühmen soll, will ich mich meiner Schwachheit rühmen .Denn Gott sprach zu mir: Lass dir an meiner Gnade genügen , denn meine Kraft ist in Schwachen mächtig. Diese kurzen Sätze, liebe Gemeinde, haben es in sich. Darum möchte ich mich heute Morgen ganz darauf konzentrieren. Sie stammen aus dem 2. Brief des Apostel Paulus an die Korinther im 11. Kapitel.
Wenn ich mich rühmen soll, will ich mich meiner Schwachheit rühmen. Schon damals und erst recht heute ein merkwürdiger Satz.
Wer mag schon gern schwach sein oder wer würde sich seiner Schwäche rühmen. Wenn Krankheiten an einem rütteln und zehren, wenn die Zensuren in der Schule im Keller sind, wenn ich den Anforderungen im Beruf mehr schlecht als recht gewachsen bin. Schwächen haben und Schwäche zeigen ist da tatsächlich wenig gefragt und wird auch oft abgestraft.
Kein Wunder- denn jung und dynamisch, kraftvoll und leistungsstark sind ja die Leitbilder in einer immer stärker durchökonomisierten Welt. Fast jeder bleibt da unweigerlich irgendwann einmal auf der Strecke und erlebt, dass er oder sie durch welche Situationen auch immer plötzlich nicht mehr mitkommt und mitmachen kann.
Viele merken das erst, wenn der Stress im Beruf oder die Mehrfachbelastung mit Haushalt, Kindern und Beruf dabei sind, krank zu machen oder das dann tatsächlich zu einem Zusammenbruch führt. Wenn also gar nichts mehr geht und wir dann auch gar nichts mehr leisten oder machen können.
Und es ist anderen und vor allem uns selbst gegenüber wahrscheinlich grob fahrlässig, wenn wir uns keine Auszeiten und Phasen der Erholung gönnen und nehmen. Der biblisch begründete freie Sonntag, das freie Wochenende soll jedenfalls genau dazu dienen.
Und trotzdem: Wer kann und wer mag schon gern schwach sein oder sich wie Paulus sogar seiner Schwäche rühmen.
Schwäche – für uns normale Menschen alles andere als ein Anlass zum Lob. Selbst unter den Senioren sind heutzutage die jungen Alten gefragt, die dynamisch und schwungvoll ihr Leben meistern, auf Reisen gehen, helfen die Enkel zu versorgen oder sich in Ehrenämtern zum Wohle der Allgemeinheit einbringen. Und es ist wunderbar und trägt auch zum Wohlbefinden bei, wenn man sich selber einbringen kann und für andere Menschen hilfreich und nützlich ist.
Und um wieviel ärmer wären wir in unseren Familien, Vereinen und Verbänden und auch in unserer Kirchengemeinde ohne das Engagement unserer rüstigen Rentner und Rentnerinnen!
Allerdings – schon die Werbung im Vorabendprogramm weist darauf hin, dass körperliche Schmerzen und Gebrechen eben doch viele Menschen quälen und dass die Teilhabe an Aktivitäten für viele Menschen eben doch nicht so einfach machbar und möglich ist.
Und wir älteren wissen es längst, dass ein Leben ohne Schwäche und Krankheit, ohne Zeiten in denen ich mich schwach oder krank, ausgelaugt und unglücklich fühle, niemals zu haben ist.
Weil eine Krankheit oder auch eine Lebenskrise mir zusetzt und mir zu schaffen macht oder Sorgen mich kaum in den Schlaf finden lassen. Ein Leben ohne Schwäche, ohne Sorgen und Schattenseiten gibt es tatsächlich nicht.
Sie kennen vielleicht das Sprichwort: Unter jedem Dach ein Ach. Jeder muss irgendwann lernen mit Krankheit und Schwäche zurecht zu kommen und umzugehen. Und wahrscheinlich ist es sogar die besondere Aufgabe des hohen Alters sich mit dem Schwinden der Kräfte, mit der zunehmenden Gebrechlichkeit und der Angewiesenheit auf Hilfe abzufinden. Und dann auch Hilfe anzunehmen.
Joachim Fuchsberger hatte schon Recht, als er gesagt hat: Alter ist nicht für Feiglinge. Es braucht schon viel Mut und innere Kraft damit umzugehen und zurecht zu kommen!
Aber selbst Paulus hat schon in den besten Jahren echte Schwächen gehabt. Und hat unter anderen Menschen gelitten, ist verfolgt, verletzt, gedemütigt und gefangen genommen worden. Und trotzdem hat er nicht locker gelassen und es geschafft, die frohe Botschaft von der Liebe Gottes weiterzusagen und weiterzutragen die sich für ihn in Jesu Kreuzigung und in seiner Auferstehung in besonderer Weise gezeigt hat. Und so gelang es ihm dann auch viele christliche Gemeinden zu gründen.
Dabei war Paulus kein besonders charismatischer Typ oder brillianter Redner. So, wie er es an andere Stelle auch schreibt: Als ich zu euch kam, kam ich nicht um glänzende Reden oder gelehrte Weisheit vorzutragen. Zudem kam ich in Schwäche und Furcht, zitternd und bebend.
Paulus war da wohl wirklich eine eher farblose und mickrige Erscheinung. Ganz ähnlich denen, die Gott schon früher in den Dienst genommen hat.
Schon Mose ein kleiner Hirtenjunge und Stotterer , der sich genau wie die großen Propheten Jona, Jeremia oder Jesaja selbst wenig zugetraut hat. Der davon überzeugt war, dass er nun ganz bestimmt nicht das Zeug dazu hat, andere Menschen für Gott und seine frohe Botschaft zu gewinnen.
Es grenzt an ein Wunder , dass Gott gerade solche schwachen Menschen zu sich in den Dienst ruft und ihnen trotz und in ihrer Schwäche zutraut Gutes zu tun und Großes zu schaffen .Dass genau sie es sind , die Gott in den Dienst nimmt, um ihnen das Wohl und das Weh anderer Menschen anzuvertrauen. Darum spricht Gott auch zu Paulus und sagt: Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig
Es ist eine wunderbare Entdeckung, dass wir hier erfahren, dass Gott gerade in den Schwachen handelt, wirksam und mächtig ist.
Dass Gott solche schwachen, manchmal ziemlich kraftlosen und mutlosen Leute wie uns in den Dienst ruft und ihnen bis heute zutraut, sich anderen Menschen und auch besonderen Aufgaben zuzuwenden.
Und das erleben wir auch bis heute. Und es bewegt mich immer wieder, mitzuerleben und auch zu sehen, was manche Menschen tatsächlich schaffen.
Wieviel Liebe, Kraft und Durchhaltevermögen sie plötzlich entwickeln und ihnen innerlich zuwächst, wenn sie in besonderer Weise gefordert sind.
Männer und Frauen, die die Schrecken des Krieges, an der Front, bei der Ausbombung oder auf der Flucht erlebt , überlebt und überstanden haben. Und auch bis heute in der Ukraine, gar nicht weit weg von uns, überstehen. Weil ein wahnsinniger Menschenverächter und Narzist ihr Land überfallen und ihr Leben zerstört hat. Mutige Männer und Frauen , die versuchen, sich dagegen zu wehren und nun alles dafür tun sich selbst und ihre Lieben irgendwie über die Runden zu bringen.
Mutige Helfer und Helferinnen, die im Gazastreifen versuchen die Not zu lindern trotz der ständig drohenden Bombardierungen. Menschen in Israel, die nicht müde werden auf die Straße zu gehen, um für ihre verschleppten und entführten Angehörigen zu kämpfen. Und es ist gut, dass bei uns viele Menschen gegen rechts, gegen jede Menschenverachtung, gegen Rassismus und Antisemitismus auf die Straße gehen, um für Menschenrechte und Demokratie einzutreten. Auch das macht angesichts der vielen tagtäglichen
Aufgaben Mühe und kostet Kraft, ist aber wichtig, um unsere Demokratie zu verteidigen.
Aber auch im privaten Bereich sind viele Menschen bis an und die Grenze des Machbaren und Möglichen gefordert. Und entwickeln manchmal eine innere Stärke und Kraft, von der sie vorher noch nicht einmal ahnten, dass sie sie haben würden. Oder dass Gott sie ihnen, in der Not dann auch geben und schenken würde.
Männer und Frauen, die unermüdlich und treu ihren Ehemann oder ihre Ehefrau oder ihre alten Eltern so lange das irgendwie geht, Zuhause pflegen. Eltern, die auch die schlimmsten Eskapaden ihrer heranwachsenden Kinder aushalten ,zu ihnen stehen und dann auch noch die Kraft entwickeln, Grenzen zu setzen und ihnen entgegenzutreten.
Es gibt auch unter uns diese Erfahrungen, dass Gott tatsächlich im Schwachen mächtig ist. Dass manche Menschen tatsächlich vielmehr geschafft haben, als sie sich vorher jemals zugetraut hätten.
Aber zurück zu Paulus: Er schreibt: Gott hat zu mir gesagt: Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.
Es geht ihm also um die Kraft , das Durchhaltevermögen, das Können und Schaffen , das Gott uns schenken und geben will und so die feste Überzeugung des Paulus auch geben wird. Eine Kraft und Stärke also, die uns befähigt auch schlimme Zeiten und Situationen auszuhalten und durchzustehen.
So , wie Paulus das in seinem Leben auch selbst erlebt und erfahren hat.
Eine Glaubensstäke und Zuversicht ,die Paulus erfüllt und befähigt die frohe Botschaft von der Liebe Gottes weiterzutragen und weiterzugeben. Und er ist sich sicher, dass das nicht allein Menschenwerk ist , sondern dass das in erster Linie das Werk und die Kraft Gottes ist, die unter uns und in uns Menschen handelt und wirkt. Eine Kraft die uns innerlich zuwächst, wenn wir uns selber kraftlos und hilflos fühlen. Weil Gottes Kraft in den Schwachen mächtig ist.
So, wie das schon Jesus Christus das zeigt.
Der zu Beginn seines Lebens genauso hilflos und schwach war, wie wir alle. Und der dann erst recht hilflos und ohnmächtig war, als er am Kreuz hingerichtet wurde und starb.
Aber die Bibel erzählt auch, dass Gott genau dort wirksam ist, Wo nach menschlichem Ermessen alles zu Ende ist . Dass Jesus in der allergrößten Traurigkeit, Ohnmacht und Schwäche die haltende Nähe und Liebe Gottes gespürt und erfahren hat. Dass er nach der schlimmen Erfahrung der Gottverlassenheit und Gottesferne am Ende dann eben doch das Gefühl hatte, im Leben, Sterben und Tod und über den Tod noch hinaus bei Gott geborgen und gut aufgehoben zu sein. Sodas er am Ende voller Vertrauen sagen konnte:
Vater in deine Hände befehle ich meinen Geist.
Am Kreuz, zum Zeitpunkt seiner größten Ohnmacht und Schwäche hat Jesus erfahren, dass Gott dem schwachen und ohnmächtigen Menschen nah ist und nah kommt, an ihm handelt und in ihm wirkt. Sodass neue Hoffnung und Zuversicht wach werden kann und das Vertrauen wächst, dass wir niemals tiefer fallen können , als in Gottes Hand ,der uns auffängt und hält , von dem wir auch mitten im Leben gehalten und auch getragen sind. Weil Gottes Kraft in den Schwachen mächtig ist und er uns immer wieder neue Möglichkeiten und Perspektiven zum Leben eröffnet.
Darum ist für Paulus ganz klar, dass Gott immer ganz nah ist und da ist, wenn Menschen leiden.
Dass es Sinn macht auf Gott zu hoffen und ihm zu Vertrauen, wenn alle menschlichen Möglichkeiten und Sicherheiten fallen. Darum konnte Paulus auch schreiben: „Darum will ich mich am allerliebsten meiner Schwachheit rühmen. Damit die Kraft Christi bei mir wohne. Darum bin ich guten Mutes in Schwachheit und in Nöten, in Verfolgungen und Ängsten, um Christi willen. Denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark.“
Und das ganz allein durch Gott, der mir hilft, der in meiner Schwäche an meiner Seite ist, der an mir und in mir handelt und wirkt.
Mögen Sie, liebe Gemeinde und mögen wir alle diese Kraft, Stärke und Liebe Gottes immer wieder erfahren. Und mögen wir merken, dass Gott uns die Kraft gibt, Zeiten der Schwäche auszuhalten, durchzustehen und zu überwinden.
Amen
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zum letzten Sonntag nach Epiphanias am 28. Januar 2024
von Propst Faehling
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater und dem Herrn, Jesus Christus.
Amen.
2. Kor 4, 6-10
Gott hat einst gesagt: »Aus der Dunkelheit soll ein Licht aufleuchten! «Genauso hat er es in unseren Herzen hell werden lassen. Durch uns sollte das Licht der Erkenntnis aufleuchten: Die Herrlichkeit Gottes sollte sichtbar werden, die uns in Jesus Christus begegnet.
Wir tragen diesen Schatz aber in zerbrechlichen Gefäßen. So soll deutlich werden, dass unsere übergroße Kraft von Gott kommt und nicht aus uns selbst. Wir stehen von allen Seiten unter Druck, aber wir werden nicht erdrückt. Wir sind ratlos, aber wir verzweifeln nicht. Wir werden verfolgt, aber wir sind nicht im Stich gelassen. Wir werden zu Boden geworfen, aber wir gehen nicht zugrunde. Täglich erleben wir am eigenen Leib etwas von dem Sterben, das Jesus erlitten hat. Denn unser Leib soll auch das Leben zeigen, zu dem Jesus auferstanden ist
Am Montag hatte ich diesen Predigttext gelesen, um mich auf heute vorzubereiten. Gerne gehe ich sozusagen eine Woche lang in der Begleitung eines Predigttextes, um dann am Sonntag aus einem längeren Gedankenweg zu schöpfen.
Und dann hatte ich auf einmal schon am Montagabend eine Predigt. Schön, dachte ich.
Und am Donnerstagabend habe ich diese erste Predigt zur Seite getan.
Denn am Donnerstag kam die sogenannte ForuM-Studie heraus. Eine von der Evangelischen Kirche in Deutschland, der EKD initiierte Studie unabhängiger Wissenschaftler an mehreren deutschen Unis, die das Thema sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche seit 1946 bis heute erforschen sollte.
Das Ergebnis der Studie ist erschütternd.
Es zeigt uns, dass bundesweit tausende Kinder und Jugendliche tausendfach von kirchlichen Mitarbeitenden, darunter etwa 2/5 Pastoren sexualisierte Gewalt ausgesetzt war – und man muss realistischerweise sagen – auch ist.
Eine Unkultur des Schweigens, der Harmoniesucht, der kirchlichen Machtausübung, eine unzählige Menge von Räumen und Gelegenheiten hat seit 78 Jahren dazu geführt, dass ab einem Durchschnittsalter von etwa 11 Jahren Kinder in Kirche einer Gewalt ausgesetzt waren, die sie nicht verstehen, nicht einordnen und der sie nicht ausweichen konnten. Sie durften nicht darüber reden. Und wenn sie es doch taten, glaubte man ihnen nicht, bagatellisierte man, hatte man Angst vor den Folgen.
So trugen Kinder eine Last, unter der sich ihr Leben ein für alle Mal z.T. bis ins hohe Alter veränderte, und die heute, wo man beginnen kann, davon zu sprechen, schier unablegbar erscheint.
Und mit mir gibt es wirklich viele, die in tiefer Erschütterung für all das um Entschuldigung bitten.
Aber mal ehrlich, wer sollte heute schon so weit sein, all das zu vergeben.
Es ist ja noch nicht einmal alles benannt.
Und so liegt vor uns – so denke ich jetzt – ein langer Weg des Entgegennehmens von Lebensgeschichten. Vor uns liegt unausweichlich, uns der Verantwortung zu stellen, die diese Taten auch selbst dann für uns bedeuten, wenn andere sie getan haben.
Vor uns liegt ein elementarer Kulturwandel heraus aus einer Kirche, die den ehrlichen Blick, die harte Kritik fürchtet; heraus aus einer Kirche, die den Deckmantel des Schweigens so griffbereit hat; die so schnell schützende Zirkel bildet und Schuld verneint, verschiebt, verniedlicht.
Vor uns liegt, eine Kirche zu gestalten, in der Macht geteilt und denen ernsthaft weggenommen wird, die sie missbrauchen.
Vor uns liegt eine Kirche, die sich einer unabhängigen Gesetzgebung des Staates und entsprechenden Tatverfolgungen öffnet, damit Betroffene nicht mehr dorthin gehen und melden müssen, wo ihnen das Unrecht angetan wurde, sondern sich unabhängiger Strafverfolgung anvertrauen können.
Vor uns liegt der Weg in eine Kirche, die mit allerhöchster Sorgfalt darauf achtet, dass die biblische Botschaft nicht manipulativ, nicht als Schutz für das Zerbrechen von Seelen missbraucht werden kann.
Geht es Ihnen auch so?
Ich klinge in meinen eigenen Ohren als wohlmeinend aber auch hilflos, als viel zu schwach gegenüber dem unfassbaren Unrecht, das geschah und geschieht.
Und zugleich denke ich: Und was denn sonst soll ich tun, als neben dem Einstehen für allerenergischste Aufarbeitung einen Rest von Hoffnung bewahren, dass auch im größten Unheil noch von Zukunft die Rede sein darf?!
Sind nicht alle Menschen in lebensbedrohlichen Krisen, Kriegen und Gewaltsituationen darauf angewiesen, dass es jemand gäbe, der zum einen sieht und anerkennt und zugleich gleichsam aus der Ferne sich besinnt auf Gegenwehr, Widerstand, die Hoffnung auf Heilung und Zukunft?!
So will ich das eine tun und das andere auch für möglich halten.
Ich will zum einen der Wahrheit der sexualisierten Gewalt mit offenen Augen und ganzem Herzen Raum geben; und zugleich will ich mit ganzer Kraft die Zustände so verändern, dass es geschützte Räume, verfolgte Taten und eine bessere Zukunft gibt.
Ich vergleiche das, was ich tun will und was ich hoffe vor meinem inneren Auge mit einer Lage, als würde ich mitten in einem Krieg von der Aussicht auf Frieden sprechen.
Auch das ist immer eine waghalsige und brüchige Hoffnung, ohne die wir aber doch nicht leben könnten.
Nun habe ich vermeintlich die ganze Zeit nichts zum Predigttext gesagt.
Aber ich habe die ganze Zeit aus ihm heraus meinen Halt und meine Haltung gefunden, so zu sprechen, wie ich es getan habe, nämlich vom Vertrauen auf Licht, dass aus der Dunkelheit hervorleuchtet und im Bewusstsein, dass wir den Schatz dieser Hoffnung in so zerbrechlichen Gefäßen tragen.
Es wird ein langer Weg für uns als Kirche.
Ich will, dass wir ihn gehen.
Und das ist nichts gegen den unfassbar langen Weg, den die Betroffenen von sexualisierter Gewalt schon gegangen sind und noch gehen müssen.
Gott stehe ihnen und uns bei.
Ich kann nicht anders, als auch jetzt noch darum zu bitten.
Amen.
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zum 3. Sonntag nach Epiphanias am 21. Januar 2024
von Pastorin Glatthor
Liebe Gemeinde,
Es ist Sonntag und wie jede Woche freut sich Katrin schon so darauf in die Kirche zu gehen. Katrin ist Anfang 40, hat zwei Kinder, die in die Schule vor Ort gehen und wohnt mit ihrer Frau keine zwei Straßen von der Kirche entfernt. Als sie die Tür des Kirchraums öffnet, hört sie die anderen schon durch die Zwischentür. Viele vertraute Stimmen, die durcheinanderreden, kaum ein Wort ist konkret auszumachen – was vielleicht auch am Gurgeln der Kaffeemaschine oder dem rauschenden Wasserkochen in der Ecke liegen könnte. Der Teil mit dem Schnack über Gott und die Welt ist also wohl noch nicht ganz vorbei, denkt sie und schaut auf die Uhr. Ist ja auch erst 5 vor 4. Der Musikteil hat also noch gar nicht begonnen. Puh, doch noch pünktlich. Und ihren Liedwunsch hatte sie auch rechtzeitig auf der Wunschliste hochgeladen, damit nachher alle den Text haben. Dann kann heute ja nichts mehr schiefgehen. Als sie in den Kirchraum kommt, haben sich einige schon ihre Stühle und Decken geholt. Freundlich winkt sie der Pastorin zu, die noch ganz ins Gespräch vertieft zu sein scheint und lädt sich den heutigen Bibeltext aufs Handy. Heute lieg ich glaub ich hier, denkt sich Katrin, als sie ihre Decke neben dem Altar ausbreitet. Zum Tanzen aufstehen kann sie schließlich nachher immer noch. Kurz bevor sie die Augen schließt sieht sie noch Norbert hinten in der Ecke. Da er mit niemandem redet, hat er wohl wieder seine Ohrstöpsel drin. Beim letzten Mal hat er geweint. Ist mit seiner Trennung ja auch noch gar nicht so lange her. Und wo, wenn nicht hier ist der richtige Ort dafür- Vielleicht hatten sie ja nachher noch Lust auf ein Gespräch. Mit dem Wechsel vom roten auf das blaue Licht beginnt der Musikteil, woraufhin noch einige hineinströmen, andere schon nach Hause gehen, doch das sieht Katrin durch die geschlossenen Augen natürlich nicht. Entspannt liegt sie da und hört auf den Bibeltext, der vor jedem Gottesdienstteil nochmal vorgelesen wird.
Es bat ihn aber einer der Pharisäer, mit ihm zu essen. Und er ging hinein in das Haus des Pharisäers und setzte sich zu Tisch. 37Und siehe, eine Frau war in der Stadt, die war eine Sünderin. Als die vernahm, dass er zu Tisch saß im Haus des Pharisäers, brachte sie ein Alabastergefäß mit Salböl 38und trat von hinten zu seinen Füßen, weinte und fing an, seine Füße mit Tränen zu netzen und mit den Haaren ihres Hauptes zu trocknen, und küsste seine Füße und salbte sie mit dem Salböl. 39Da aber das der Pharisäer sah, der ihn eingeladen hatte, sprach er bei sich selbst und sagte: Wenn dieser ein Prophet wäre, so wüsste er, wer und was für eine Frau das ist, die ihn anrührt; denn sie ist eine Sünderin. 40Jesus antwortete und sprach zu ihm: Simon, ich habe dir etwas zu sagen. Er aber sprach: Meister, sag es! 41Ein Gläubiger hatte zwei Schuldner. Einer war fünfhundert Silbergroschen schuldig, der andere fünfzig. 42Da sie aber nicht bezahlen konnten, schenkte er’s beiden. Wer von ihnen wird ihn mehr lieben? 43Simon antwortete und sprach: Ich denke, der, dem er mehr geschenkt hat. Er aber sprach zu ihm: Du hast recht geurteilt.4 4Und er wandte sich zu der Frau und sprach zu Simon: Siehst du diese Frau? Ich bin in dein Haus gekommen; du hast mir kein Wasser für meine Füße gegeben; diese aber hat meine Füße mit Tränen genetzt und mit ihren Haaren getrocknet. 45Du hast mir keinen Kuss gegeben; diese aber hat, seit ich hereingekommen bin, nicht abgelassen, meine Füße zu küssen. 46Du hast mein Haupt nicht mit Öl gesalbt; sie aber hat meine Füße mit Salböl gesalbt. 47Deshalb sage ich dir: Ihre vielen Sünden sind vergeben, denn sie hat viel geliebt; wem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig. 48 Und er sprach zu ihr: Dir sind deine Sünden vergeben. 49Da fingen die an, die mit zu Tisch saßen, und sprachen bei sich selbst: Wer ist dieser, der auch Sünden vergibt? 50Er aber sprach zu der Frau: Dein Glaube hat dir geholfen; geh hin in Frieden! (Lukas 7,36-50)
Dann erklingen die ersten Töne. Heute kommen sie live von einer Geige „Am Fenster“ von City stand online im Plan. Kennt sie gar nicht, aber irgendwie berührt das, wenn es so pur durch das alte Gebäude hallt. Ob bei dem Essen Jesu wohl auch Musik gespielt hat, während die Frau weinte? Zu diesem Lied könnte ich jedenfalls auch weinen. Spannend, wie das, was die Leute sich so an Musik wünschen, den Bibeltext nachwirken lässt. Was es doch in Gottes Welt für wunderschöne Sachen gibt. Zu „Wer nur den lieben Gott lässt walten“ setzt sich Katrin auf – singt sich so einfach besser, auch wenn das nicht alle so zu sehen scheinen. Und dann kommt endlich ihr Wunschlied: „Wovon sollen wir träumen“ von Frida Gold. So oft hatte sie das Lied mit ihrer Schwester gehört und dazu waren sie durch die Küche getanzt. Und als sie es neulich im Radio hörte, wusste sie, das ist das richtige Lied für Sonntag. Da war sie ihrer Schwester nochmal ganz nah, ließ Gott sie nochmal aus der Ewigkeit herübergrüßen. Und so fühlte es sich tatsächlich an, als sie jetzt auf ihrer Decke tanzte. Barfuß und mit geschlossenen Augen, die Arme nach oben ausgestreckt, ganz in ihr Lied vertieft. Ich bin da, Gott. Hier bin ich. Danke, dass ich vor dir sein kann, wie ich bin. Amen.
An diesem Wochenende hat unser Kirchengemeinderat eine Klausur abgehalten. Wir haben uns damit beschäftigt, was wir für Träume und Wünsche für unsere Gemeinde haben, was wir als KGR in dieser Wahlperiode gerne gemeinsam anpacken wollen. Dabei ist uns aufgefallen, dass wir schon viele tolle Veranstaltungen und Gottesdienstformate in unserer Gemeinde haben. Diese Andacht war als Anregung gedacht – vielleicht auch eine Idee für ein Gottesdienstformat?! Genauso kann diese Andacht für jede und jeden von uns sein. Gott bewegt mich und dich und uns. Wir können uns davon bewegen lassen.
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Gruß zum 2. Sonntag nach Epiphanias am 14. Januar 2024
von Pastorin Karopka
Liebe Gemeinde,
Endhaltestelle der Bergseilbahn. Alle steigen aus, schnüren noch einmal die Schuhe fest zu – und machen sich auf den Weg. Gut vorbereitet sind die Wanderer – Proviant und warme Kleidung im Gepäck. Der blaue, wolkenlose Himmel gibt schon einmal den Blick auf den höchsten Berg der Gegend frei – Ziel der heutigen Wanderung. Mit leichtem Schritt und gut gelaunt gehen sie los, steigen Höhenmeter um Höhenmeter hinauf. Aber mit jeder Stunde wird es mühsamer. Die Sonne brennt auf der Haut, die Beine spüren die meisten von ihnen inzwischen bei jedem Schritt. Einige bleiben stehen, um den Atem in einen ruhigeren Rhythmus zu bringen. Andere fordern eine Pause ein – aber der Sportlichste der Gruppe ruft ihnen zu: „Kommt, geht weiter. Wir haben es bald geschafft.“ Ja, das Gipfelkreuz ist schon deutlich sichtbar, und doch wissen alle, dass der Weg dorthin noch mit einiger Anstrengung verbunden sein wird. So lächeln sie sich zu, ermutigen sich untereinander, reichen dem anderen die Hand, wenn Hilfe gebraucht wird. Vor ihnen der Gipfel in herrlichem Sommerlicht – mit diesem Ziel vor Augen gehen sie weiter und weiter.
Dieses Bild eines Wanderweges entstand in meinem Kopf, als ich den Predigttext für den 2. Sonntag nach Epiphanias las. Auch hier wird von einem Weg gesprochen – vom Glaubensweg. Die Gründung der ersten christlichen Gemeinden liegt lange zurück, die angekündigte Wiederkunft Jesu noch immer nicht geschehen. So kommt es zu Ermüdungserscheinungen der Christen. Und die durchlebten Verfolgungen lassen bei dem einen oder anderen Zweifel aufkommen, ob es nicht doch besser ist, sich wieder einer jüdischen Gemeinde anzuschließen. In diese Situation hinein schreibt der Verfasser des Hebräerbriefes seine Zeilen, die wir im 12. Kapitel lesen:
»Stärkt die kraftlosen Hände! Lasst die zitternden Knie wieder fest werden!« Bleibt auf dem geraden Weg, damit die Schwachen nicht fallen, sondern neuen Mut fassen und wieder gesund werden. Setzt alles daran, mit jedem Menschen Frieden zu haben und so zu leben, wie es Gott gefällt. Sonst werdet ihr den Herrn niemals sehen.
Klar wird uns vor Augen geführt, wie christlicher Umgang im Miteinander sein soll. Sich untereinander stärken, aufeinander achten und vor allem friedlich miteinander umgehen, das legt der Verfasser dieser biblischen Zeilen allen nahe, die sie lesen und hören. Es klingt vertraut in unseren Ohren, schon ganz häufig haben wir es gehört. Und doch brauchen wir diese Ermutigung, die Stärkung untereinander jeden Tag wieder neu. Auch in den biblischen Zeilen des Hebräerbriefes wird uns das bewusst gemacht:
Achtet darauf, dass keiner von euch an Gottes Gnade gleichgültig vorübergeht, damit sich das Böse nicht bei euch breitmacht und die ganze Gemeinde vergiftet. Keiner von euch soll ein unmoralisches Leben führen wie Esau, der Gott den Rücken gekehrt hatte. Für ein Linsengericht verschleuderte er das Vorrecht, als ältester Sohn das Erbe und den besonderen Segen seines Vaters zu erhalten. Später wollte er alles wieder rückgängig machen und flehte seinen Vater unter Tränen um diesen Segen an. Doch da war es zu spät.
Wie ein wolkenloser Himmel an einem lichtdurchfluteten Sommertag legt sich die Gnade Gottes über unser Leben und ist damit zeitloser Begleiter auf unserem Glaubensweg. Es gibt nur eine Bedingung – sie anzunehmen. Esau hatte es einst nicht getan, er hat die Gnade Gottes verachtet, als er seinen Erstgeburtssegen für ein Brot und Linsengericht an seinen jüngeren Bruder Jakob verkaufte. Wenn wir Gottes Gnade annehmen, öffnet sich der Bogen der Zuversicht, leuchtet immer wieder Hoffnung ins Leben. Sie will zu jeder Zeit unser Denken, unser Vertrauen, unser Handeln in Gottes Sinne bestimmen.
Der Verfasser der biblischen Zeilen im Hebräerbrief greift noch auf ein weiteres Ereignis in der Vergangenheit zurück – auf das Ankommen des Volkes Israel am Berg Sinai. So schreibt er:
Ihr habt noch Größeres erlebt als damals die Israeliten. Der Berg Sinai, zu dem sie gekommen waren, war ein irdischer Berg. Sie sahen ihn im Feuer lodern, als Mose von Gott die Gebote erhielt. Dann wurde es finster wie in der Nacht, ein Sturm brach los.
Ihr dagegen seid zum himmlischen Berg Zion gekommen und in die Stadt des lebendigen Gottes.
In der Wandergruppe wird sich untereinander mit mutmachenden Worten gestärkt, aber irgendwann brauchen dann doch alle eine Pause – selten schmeckt ein Käsebrötchen und heißer Kaffee aus der Thermoskanne so gut wie nach mühsamen Wanderstunden mit Blick in die Weite. „Seht mal, was wir schon alles geschafft haben“, sagt einer und zeigt auf die ersten, schon überwanderten Hügel. Und dann schauen alle auf den Gipfel – mittendrin sind Sie schon auf dem Weg dorthin. Noch nicht am Ziel, doch vor Augen steht Ihnen schon alles. Und jede Anstrengung lohnt sich, dort anzukommen. Gemeinsam mit gegenseitiger Hilfe werden Sie es schaffen – Zuversicht und Vorfreude bestimmen die Gedanken, als sie wieder aufbrechen.
Auf unserem Glaubensweg ist es ähnlich: Auf viele Vorbilder dürfen wir blicken, die biblischen Geschichten mit den Erfahrungen anderer im Glauben und mit Gott dürfen wir lesen und die Erinnerung an die Zusage Gottes steht: Du bist mein geliebtes Kind. Manchmal ist es trotzdem mühsam, auf dem Weg mit Gott zu bleiben. Manchmal kommen uns Zweifel, wir hören von Krieg und Zerstörung und werden mutlos beim Gebet. Aber am Ende der Zeit ist etwas ganz Großes verheißen. So schreibt der Verfasser des Hebräerbriefes:
Das ist das himmlische Jerusalem, wo ihr Gott zusammen mit seinen vielen tausend Engeln bei einem großen Fest anbetet. Ihr gehört zu seinen Kindern, die er besonders gesegnet hat und deren Namen im Himmel aufgeschrieben sind. Ihr habt eure Zuflucht zu Gott genommen, der alle Menschen richten wird. Ihr gehört zu derselben großen Gemeinde wie alle diese Vorbilder des Glaubens, die bereits am Ziel sind und Gottes Anerkennung gefunden haben. Ja, ihr seid zu Jesus selbst gekommen, der als Vermittler zwischen Gott und uns Menschen den neuen Bund in Kraft gesetzt hat.
In der Kirche in Prohn (bei Stralsund), wo ich viele Jahre Pastorin war, gibt es ein wunderschönes Glasfenster genau hinter dem Altar. Maria hat den neugeborenen Jesus auf dem Arm und sitzt vor Bauten, die das himmlische Jerusalem darstellen sollen. Wenn das Licht auf die vielen, kleinen Glasmosaiksteine fällt, schimmern die Bauwerke des himmlischen Jerusalems in gelben Farbtönen, was auf die Farbe Gold hindeuten soll. Oft habe ich vor diesem Glasfenster gestanden – in dem alles festgehalten ist, was im Leben eines Christen wichtig ist: die Geburt Jesu, mit dem wir am Ende der Zeit im himmlischen Jerusalem sind. Damit sehen wir zurück – und voraus – bei all dem noch mittendrin im Leben, für das uns Gott immer die nötige Stärkung geben möchte. Amen.
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Gruß zum 1. Sonntag nach Epiphanias am 07. Januar 2024
von Pastorin Parra
Liebe Gemeinde,
ob „driving home for Christmas“, der erste Besuch bei Tochters neuer Familie oder Silvester bei Freunden in Berlin mit Party am Brandenburger Tor, wir reisen viel in diesen Tagen um den Jahreswechsel. Wir sind zu Gast oder empfangen Gäste, begegnen einander. Zum heutigen Epiphaniasfest hören wir Geschichten von Begegnungen, die lange zurück liegen und uns doch heute noch etwas zu sagen haben: Die Weisen aus dem Morgenland waren nicht die ersten, die sich auf den Weg machten. Schon lange zuvor war es üblich, einem neuen König die Aufwartung zu machen und wertvolle Geschenke zu bringen. So reiste auch die Königin von Saba, das wohl im heutigen Jemen oder in Äthiopien lag, im 10. Jahrhundert vor Christus an den Hof Salomos, wie unser Predigttext aus dem 1. Buch der Könige berichtet:
Als die Königin von Saba von Salomos Reichtum und Weisheit hörte, da kam sie zu ihm, um ihn mit Rätselaufgaben zu prüfen. Ein riesiges Gefolge brachte sie mit. Außerdem viele Kamele mit Balsamölen, Gold und Edelsteinen beladen. Sie stellte ihm alle Fragen, die sie sich vorgenommen hatte. Und der König konnte ihr auf alles eine Antwort geben.
Angesichts all der Weisheit Salomos, des Tempel, der vornehmen Speisen, des Hofstaates und der Brandopfer stockte der fremden Herrscherin der Atem: „Es ist wahr, was ich in meinem Lande gehört habe von deinen Taten und von deiner Weisheit. Und ich hab’s nicht glauben wollen, bis ich gekommen bin und es mit eigenen Augen gesehen habe. Und dabei hat man mir nicht einmal die Hälfte gesagt. Du hast mehr Weisheit und Güter, als alle Gerüchte behaupten.“ Und sie lobte den Gott Salomos dafür, dass er ihn zum König gemacht hatte, damit dieser Recht und Gerechtigkeit schaffen konnte.
Sie schenkte Salomo all das Gold, die Edelsteine und das Balsamöl, das sie mitgebracht hatte. Mehr als jemals wieder ins Land kommen sollte. Er bekam auch Sandelholz und ließ daraus Schnitzarbeiten für den Tempel und Harfen und Zithern für die Sänger anfertigen.
Und König Salomo gab der Königin von Saba alles, was ihr gefiel und was sie erbat, außer dem, was er ihr von sich aus gab. Am Ende kehrt die Königin mit ihrem Gefolge in ihr Land zurück. (nach 1. Kön 10,1-13)
Um diese Begegnung ranken sich viele Sagen. Was genau verband die beiden? Kluge Gedankenspiele? ein Austausch über Staatsgeheimnisse? Dichtkunst und Musik von Zither und Harfe? vielleicht auch eine erotische Beziehung? Der König Salomo soll bei den Frauen sehr beliebt gewesen sein. Manche behaupten, er habe das Hohelied für die Königin von Saba geschrieben.
Eins ist sicher: Beide Seiten hat dieser Austausch sehr bereichert, auch im materiellen Sinne. Kein Besuch ohne Mitbringsel, nicht nur zur Weihnachtszeit. Bis heute ist es unter Herrschern üblich, Gastgeschenke mitzubringen und damit den eigenen Reichtum, das Wohlwollen und die Ehrerbietung gegenüber dem besuchten auszudrücken. Die Königin von Saba hat sich diesbezüglich gut vorbereitet. Sie bringt Gold, Edelsteine und Balsamöle, vielleicht auch duftend nach Weihrauch und Myrre. Aber sie prüft zunächst mit ihren vorbereiteten Rätselfragen, ob der fremde König diese wertvollen Gaben auch verdient hat. Das hat er! In jeder Hinsicht beeindruckt überreicht sie alle ihre Gastgeschenke und auch Salomo erfüllt ihr alle Wünsche. Nicht nur das: Er schenkt ihr aus eigenem Antrieb Dinge, die ihm wichtig sind. Für mich klingt das nicht nur nach einem Ritual unter Herrschern, sondern nach einem persönlichen Interesse am andern und dem Wunsch sie oder ihn an der eigenen Welt teilhaben zu lassen. Echte Geschenke eben, mit denen man immer auch ein Stück von sich selbst gibt.
Sogar Gottesdienst haben die beiden anscheinend zusammen gefeiert. Sie waren im Tempel und haben Salomos Gott Opfer dargebracht. Die fremde Königin lobt diesen Gott dafür, dass er durch Salomo Recht und Gerechtigkeit schafft. Sie sind zusammen vor dem Angesicht Gottes.
Sie, liebe Gemeinde, haben sich heute auch auf den Weg gemacht: hier zu uns in die Stadtkirche. Vielleicht sind auch Sie mit Fragen gekommen. Oder mit der Erwartung, irgendwie bereichert und beschenkt zu werden. Bei einer Predigt ist das manchmal Glückssache: Den einen erreicht sie, für die andere ist vielleicht auch gar nichts dabei. Die Kommunikation ist jedenfalls eine ziemliche Einbahnstraße. So möchten wir Sie und Euch einladen, jetzt untereinander ins Gespräch zu kommen. Fragen Sie doch Ihren Banknachbarn einmal das, was Sie schon immer wissen wollten. Zum Beispiel:
- Was ist in 2024 das Wichtigste - für diese Welt/Für Sie persönlich?
- Macht Ihnen der Klimawandel Angst? Wie gehen Sie mit dieser Angst um?
- Was können wir hier in Preetz für den Weltfrieden tun?
- Was macht Sie froh?
Nehmen Sie sich gern einen Moment Zeit für diesen Austausch und empfinden Sie vielleicht auch, dass er Teil unseres Gottesdienstes ist, also gewissermaßen vor dem Angesicht Gottes stattfindet. Wer diese Predigt zu Hause liest, ist herzlich eingeladen, sich dort eine/n Gesprächspartner/in zu suchen und/oder mit mir per Mail in einen Austausch zu kommen....(Gespräch/Austausch)
Falls Sie noch mittendrin sind: Wir laden Sie herzlich ein, heute nach dem Gottesdienst auf einen Kaffee oder Punsch zu bleiben und den Austausch fortzusetzen, bevor Sie hoffentlich wie die Königin von Saba am Ende reicher nach Hause zurückkehren als sie aufgebrochen sind. Sie hatte nämlich neben den materiellen Geschenken des Königs auch viele neue Eindrücke und Gedanken im Gepäck.
Mich erinnert gerade dieser Rückweg der Königin von Saba an die Weisen aus dem Morgenland, von denen unser Evangelium zum Epiphaniasfest erzählt. Was die Begegnungen unterscheidet: Die Weisen trafen Gott selbst, der Mensch wurde. Sie haben erkannt: Gott hat sich aufgemacht zu den Menschen, weil sie ihm so wichtig sind, und ihr Schicksal ihn zutiefst bewegt. Er ist gekommen, weil an seinem Kommen ihr Heil hängt. Darum beteten sie das Kind an. Am Ende gingen sie selbst reich beschenkt an Einsicht auf einem anderen Weg nach Hause. Die Begegnung mit dem Morgenstern, dem Kind, in dem Gott sich selbst schenkt, hat sie von Grund auf verändert. Sie spüren, dass sie selbst Gottes über alles geliebte Kinder sind.
Die Zeit, in der Menschen dem irdischen Jesus begegnen konnten und Anbetung und zwischenmenschlicher Austausch gewissermaßen in eins fielen, ist ja nun lange vergangen. Darum finde ich es schön, dass mit der Geschichte von Salomo und der Königin von Saba neben der Begegnung der Weisen mit dem göttlichen Kind die Begegnung zweier ganz und gar irdischer Menschen steht.
Unser Predigttext macht deutlich: Wo immer eine echte Begegnung mit Interesse und Wertschätzung stattfindet, wo echter Austausch passiert, da kommt man anders von dem Besuch zurück als man losgegangen ist und lässt den anderen anders zurück. In solchen Begegnungen blitzt auch etwas davon auf, was wir Gott bedeuten – jeder einzelne Mensch auf ganz eigene Weise. Wer ein Gespür dafür entwickelt, kann diese Begegnungen von anderen unterscheiden, die ausschließlich egoistischen Interessen dienen. Der König Herodes z.B. interessierte sich für die Weisen nur, weil er seine eigene Herrschaft mit allen Mitteln sichern wollte. In jedem Menschen steckt aber das Potential dazu, anderen wirklich zu begegnen. Daran erinnert uns Gott, der den Weisen im Kind in der Krippe als Mensch begegnete.
Wir können Gottes unbedingte Zuwendung zu uns spüren, indem wir, seine geliebten Kinder, einander wirklich begegnen und uns von diesen Begegnungen anrühren, bewegen und beschenken lassen.
Ich wünsche Ihnen viele segensreiche Begegnungen in 2024!
Ihre Pastorin Ute Parra
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zum Altjahrsabend am 31. Dezember 2023
von Pastor Kroglowski
Liebe Gemeinde,
1 Alles hat seine Zeit, und alles Geschehen unter dem Himmel hat seine Stunde:
2 geboren werden hat seine Zeit und Sterben hat seine Zeit; Pflanzen hat seine Zeit und Ausrotten, was gepflanzt ist, hat seine Zeit;
3 Töten hat seine Zeit und Heilen hat seine Zeit, Abbrechen hat seine Zeit und Aufbauen hat seine Zeit,
4 Weinen hat seine Zeit und Lachen hat seine Zeit; Klagen hat seine Zeit und Tanzen hat seine Zeit;
11 Er aber tut alles vortrefflich zu seiner Zeit, auch die Ewigkeit hat er in ihr Herz gelegt; und doch kann der Mensch das Werk, das Gott tut, nicht ergründen, weder Anfang noch Ende.
Ein Jahr geht zu Ende. Jeder von uns hat viel erlebt. Jahreswechsel, Sylvester auch immer Zeit um ein wenig Bilanz zu ziehen. Vieles hatte da seine Zeit. Lachen und Weinen. Tanzen und Freude. Vielleicht gehörten Abschiede dazu, neues Leben wurde geboren. Einiges ist uns gelungen, manche Dinge konnten wir nicht ändern. So fallen unsere Jahresrückblicke unterschiedlich aus. Das Glas ist für den einen halb voll, für den anderen halb leer.
Wie auch immer. Da ist der Prediger ganz nüchtern. Er ist am Ende seines Lebens angekommen und auch ans Ende seiner Illusionen. Der Prediger sagt: Alles hat seine Zeit - und auch das Gegenteil von allem. Zum einen sind wir selber dafür verantwortlich durch das, was wir tun oder wie wir es tun oder nicht tun. Zum anderen sind wir aber auch in Größeres hineingenommen und Dingen ausgesetzt, die wir nicht oder kaum beeinflussen können. Das ist normal so! Zeiten ändern sich! Und wenn Zeiten kommen, auf die wir nicht so programmiert waren oder wenn sie anders kommen, als wir sie programmiert haben, dann müssen wir schauen und unterscheiden, ob wir die Dinge ändern können oder ob wir unsere Haltung zu den Dingen ändern müssen.
Lass dir nicht weiß machen und lebe doch nicht in dem Wahn, in der Illusion, als gäbe es immer nur geboren werden und pflanzen und heilen und aufbauen und lachen und tanzen und sammeln und umarmen und bekommen und behalten und Liebe und Frieden. Nein, es gibt auch den Tod, das Ausrotten, Abbrüche und Zusammenbrüche, Weinen, Klagen, es gibt Verluste und Trennungen, es gibt das Schweigen, wo man keine Worte hat oder wo sie nur unangebracht wären, es gibt leider auch Streit und Hass und sogar Kriege. Denk nicht, dass Arbeit immer nur Spaß macht und nur Gewinn bringt und der Gewinn für immer bleibt. Freu dich an dem, was gut ist, genieße es, tu dir selber auch was Gutes, lebe nicht nur, um zu arbeiten, sondern genieße die Früchte der Arbeit, sieh das Gute in deiner Arbeit, freu dich an Essen und Trinken, das sind Gaben Gottes und lass dich immer wieder ermutigen. Das ist nichts Verbotenes! Das Leben ist eine Gabe Gottes und an allem Positiven dürfen wir uns freuen.
Und das Starke: Gott hat auch die Ewigkeit in das Herz der Menschen gelegt! Wer auf sein Herz hört, ahnt und weiß: Das hier kann nicht alles sein! Unser ständiges Vorwärtsstreben, unsere Suche nach Vervollkommnung verdanken wir letztlich unserer Sehnsucht nach Gottes vollkommener Ewigkeit, die in uns angelegt ist. Das Buch Prediger: Ein Ruf zur Nüchternheit. Jahreswechsel: Die Zeiten wechseln. Und einmal kommt der große Wechsel, wo die Zeit von der Ewigkeit abgelöst wird. Gott ist da. Auch wenn du Sein großes Tun nicht verstehst, kannst du dich in deinem kleinen Alltag auf IHN verlassen, egal, was für Zeiten kommen.
Ein gesegnetes Neues Jahr 2024, wünscht Ihr / Euer Pastor Lars Kroglowski
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zum 4. Advent/Heiligabend am 24. Dezember 2023
von Pastorin Parra
Liebe Gemeinde,
Lk 2, 1 Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. 2 Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. 3 Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt. 4 Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das judäische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, darum dass er von dem Hause und Geschlechte Davids war, 5 auf dass er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger. 6 Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. 7 Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.
Beate ist glücklich. Da sitzt sie nun mitten in einem Haufen Geschenkpapier und Kekskrümel auf der Couch. Die Gäste sind weg. Ihr Mann bringt gerade noch ihre Mutter zurück ins Seniorenheim. Sie hat alles Licht ausgemacht, nur der Tannenbaum leuchtet.
Irgendwie war das ein ganz besonderer Heiligabend. Aber was war eigentlich das Besondere? Wenn man es mal genau nimmt, ist doch so einiges schiefgegangen: Das Paket von Amazon mit dem Bildband für ihren Mann hatte der aus Versehen selbst geöffnet. Der Baum ist eher kläglich, weil sie wieder zu spät losgefahren sind, einen zu kaufen und dann sind auch noch die Würstchen geplatzt. Aber das nur, weil sie ganz plötzlich unerwarteten Besuch bekommen hatten: Ihre Nichte hatte mit dem Baby, der kleinen Joy, reingeschaut. Eigentlich wollte sie zu Beates Schwester, ihrer Mutter, aber weil es auf dem Weg lag, kam sie sich doch kurz persönlich für das Weihnachtspaket bedanken. Und Beates Mutter durfte ihr Urenkelkind auf den Schoß nehmen. Da sah sie gleich 20 Jahre jünger aus. Alle hatten die Würstchen bei dem Anblick vergessen.
Genau, dies Bild in ihrem Kopf ist es, das Beate noch jetzt glücklich macht. Ihr Blick wandert zu der kleinen Holzkrippe unter dem Baum: „Das Kind, das froh macht.“ Alle Figuren stehen um das Kind herum und die Gesichter strahlen. Maria und Josef, die Hirten, die weisen Männer…Nur das Kind zählt für sie. Alles andere lassen sie stehen.
Beate fallen wieder die Würstchen ein, die ihr heute geplatzt sind. Das Kind war wichtiger. Aber ihre Großnichte, denkt sie, ist doch eigentlich nur ein ganz gewöhnliches Baby. An Weihnachten sollte es doch um Größeres gehen. Um Gott, der Mensch wird. Das ist es doch, wovon die Engel reden und weswegen alles andere plötzlich unwichtig ist.
Lk 2, 8 Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. 9 Und des Herrn Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. 10 Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; 11 denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. 12 Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. 13 Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: 14 Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.
Beates Blick wandert zu der Engelfigur. Sie gehört nicht zur Krippe, sondern thront oben auf der Weihnachtsbaumspitze, von Tüll und Gold umhüllt mit einem handbemalten, ernst-verklärten Porzellangesicht. Beate war immer mehr für den Stern als Tannenbaumspitze gewesen, aber ihre Mutter liebte den Engel, weil er seit ihren Kindertagen da oben über alle wachte. Gerade in diesem Jahr hatte ihre Mutter immer wieder zu ihm geschaut. „Fürchtet euch nicht!“ sagt der Engel. Ihre Mutter fürchtet sich, das weiß Beate.
Man hat bei ihr Demenz diagnostiziert und sie hat oft das Gefühl, dass ihr alles entgleitet.
Wenn Beate ehrlich ist, fürchtet sie sich auch: Sie fürchtet, dass ihre Mutter ihr immer fremder wird, dass sie irgendwann stirbt und dann nicht mehr da ist.
Kinder werden geboren, Menschen bekriegen einander, beuten ihre Umwelt aus, werden krank, leiden und sterben. Die Welt ist doch irgendwie dieselbe geblieben. Ist ihr kleines Glück in diesem Moment nicht viel zu unbedeutend, als dass der Engel darüber so große Worte machen sollte? Beate steht von der Couch auf, blickt dem Engel streng ins ernste Gesicht und fragt: „Warum sollen wir uns nicht fürchten?“ und nach einer Pause: „Warum dürfen wir uns freuen?“
Lk 2,15 Und da die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen gen Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat. 16 Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen. 17 Da sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, welches zu ihnen von diesem Kinde gesagt war.
Der Engel bleibt stumm. Es ist ja auch bloß eine Porzellanfigur. Beate stellt sich vor, wie ihre Mutter als Kind jedes Jahr ein Stück gewachsen ist und dem Gesicht des Engels näherkam. So als ob man dem Geheimnis von Weihnachten auf dem Grund geht. Und gleichzeitig ist in der großen weiten Welt Krieg gewesen. Sie denkt: Frieden auf Erden– pah!
Die Hirten damals haben es geglaubt und überall weitererzählt, nachdem sie das Kind gesehen hatten. Ihr Leben wird sich objektiv gesehen danach wenig geändert haben. Sie waren weiter von denen abhängig, deren Schafe sie hüteten, mussten weiter Armut und Ausbeutung ertragen und nun sind sie lange tot.
Aber: Die Hirten haben geglaubt. Sie haben sich von der Freude anstecken lassen. Manche von den jüngeren Hirten sind vielleicht später Jesus nachgefolgt. Sie sind sicher auch miteinander anders umgegangen und haben sich nicht mehr so gefürchtet, auch nicht vor dem Tod. Immanuel, Gott mit ihnen, war ja da.
Wie soll man denn anfangen, Frieden zu machen, wenn man nicht daran glaubt, dass das Unmögliche möglich wird. Dass Gott mittendrin ist – Im Leid wie im Glück.
Der Engel sagt immer noch nichts aber blickt sie aus seinen Porzellanaugen ganz fest an als wollte er sagen: Du hast es doch heute selbst erlebt!
Lk 2,17 Und alle, vor die es kam, wunderten sich über die Rede, die ihnen die Hirten gesagt hatten. 19 Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. 20 Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.
Und dann fällt ihr auf: Ihre Großnichte Joy ist nicht „bloß ein Baby“ Wie sie so auf dem Schoß ihrer Uroma gelegen hat, da sah man genau: Sie ist ein Wunderwerk, ein „Ebenbild Gottes“. So wie jedes Baby. „Auch ich, damals vor nun fast 60 Jahren…Ach was, heute noch!“ Das wird Beate auf einmal klar. Wie gut, dass Gott uns an Weihnachten daran erinnert dass jeder Mensch ein Wunder ist, in dem er selbst Mensch wird – aus Liebe zu uns Wunderwerken.
Ein gesegnetes Weihnachtsfest mit vielen glücklichen
und besinnlichen Momenten!
Ihre und Eure Pastorin Ute Parra
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zum 3. Advent am 17. Dezember 2023
von Pastorin Parra
Am 3. Sonntag im Advent wird in manchen Gemeinden eine pinke Kerze angezündet. Als Zeichen der Vorfreude auf Weihnachten.
Liebe Gemeinde,
Weihnachten kommt dies Jahr gefühlt noch schneller, denn der 4. Advent ist auch schon gleich Heiligabend. Das bedeutet unter anderem: Eine Woche weniger Zeit, Adventslieder zu singen. Darum laden wir heute am 3. Advent noch einmal besonders dazu ein. Wir tun es dem alten Zacharias gleich, dem Vater von Johannes dem Täufer. Er, hatte nicht glauben können, dass er und seine Frau in so hohem Alter noch Eltern werden sollten. Die Worte des Engels, die ihm das Monate zuvor verhießen, hatte er wohl gehört, aber sie drangen nicht in sein Herz und noch weniger über seine Lippen. Seit ihm der Engel damals erschienen war hatte es ihm die Stimme verschlagen und er war stumm geworden. Doch als er von der Geburt seines Sohnes erfuhr, begann er zu singen:
„Gelobt sei der Herr, der Gott Israels!
Denn er ist seinem Volk zu Hilfe gekommen
und hat es erlöst.
Er hat uns einen starken Retter gesandt,
einen Nachkommen seines Dieners David.
So hat Gott es von jeher angekündigt
durch den Mund seiner heiligen Propheten –
Dann können wir ohne Angst Gott dienen
unser Leben lang – in seiner Gegenwart
als Menschen, die heilig und gerecht sind…
Und du, Kind, wirst ein Prophet des Höchsten genannt werden.
Du wirst dem Herrn vorangehen
und den Weg für ihn bereit machen….
Unser Gott hat ein Herz voll Erbarmen.
Darum kommt uns das Licht aus der Höhe zur Hilfe. Es leuchtet denen, die im Dunkel und im Schatten des Todes leben.
Es lenkt unsere Füße auf den Weg des Friedens.“ (Lk 1,67ff)
Der 3. Sonntag im Advent ist geprägt von dieser hellen Freude des Zacharias, der einfach nicht anders kann, als laut zu jubeln: Gott kommt! Er kommt mitten in unsere finstere Welt und leuchtet denen, die im Schatten des Todes leben. Und er lenkt unsere Füße auf den Weg des Friedens! Wie sehr wünschen wir uns das auch in diesen Tagen! Wir sehnen uns wohl alle nach einer friedvollen Welt, in der alle Menschen glücklich leben können. In diesen dunkelsten Wintertagen eines Jahres, das uns so viel schlimme Nachrichten gebracht hat, wird diese Sehnsucht besonders groß.
Und darum ist der Advent so wichtig. Die Schatten des Todes sind lang und finster. Um so heller muss das Licht der Hoffnung sein, das uns Menschen überall in der Welt Mut macht, die Dinge zu ändern und für Frieden einzutreten. Nur drei Wochen Zeit im Advent – das bedeutet auch weniger Zeit, dies Licht in uns wachsen zu lassen. Weniger Zeit zum Warten.
Das ritualisierte Warten im Advent gibt dem sich ausbreitenden Lichtschein Raum: Jeden Sonntag eine Kerze mehr. Jeden Sonntag etwas mehr Licht, ganz langsam und Stück für Stück. Und wir selbst sind daran beteiligt, dass es heller wird in der Welt. Während wir warten bereiten wir im Idealfall schonmal alles vor, kommen dem Erwarteten entgegen, genießen die Vorfreude. Die österreichische Lehrerin Maria Ferschl dichtete 1954:
„Wir sagen euch an den lieben Advent. Sehet, die erste Kerze brennt! Wir sagen euch an eine heilige Zeit. Machet dem Herrn den Weg bereit. Freut euch, ihr Christen, freuet euch sehr! Schon ist nahe der Herr.
Wir sagen euch an den lieben Advent. Sehet, die zweite Kerze brennt! So nehmet euch eins um das andere an, wie auch der Herr an uns getan. Freut euch, ihr Christen, freuet euch sehr! Schon ist nahe der Herr.
Wir sagen euch an den lieben Advent. Sehet, die dritte Kerze brennt! Nun tragt eurer Güte hellen Schein weit in die dunkle Welt hinein. Freut euch, ihr Christen, freuet euch sehr! Schon ist nahe der Herr.“
Wer wartet ist aber nicht immer so gelassen wie das Lied es beschreibt. Wer wartet, wartet weil etwas oder jemand fehlt, das oder der vermisst wird, gerät in eine manchmal schwer zu ertragende Anspannung. Schon der verspätete Zug zu einem wichtigen Termin, das noch nicht fertige Mittagessen nach einem langen Schultag oder die noch ausstehende Antwort auf einen Liebesbrief können mittelgroße Krisen auslösen. Um wieviel mehr die Düsternisse und Schrecken dieser Welt.
1622 schrieb der jesuitische Dichter Friedrich Spee unter dem Eindruck der finsteren Hexenprozesse seiner Zeit das Lied „O Heiland reiß die Himmel auf“ im Anklang an die mittelalterliche Adventsantiphon „Rorate caeli“. Sie benutzt die kraftvollen Bilder des Propheten Jesaja vom Heiland, der als Antwort auf das Sehnen mitten in dieser Welt hervorbricht. Die Melodie schwebt im Dorischen zwischen Moll und Dur - seltsam im Zwischenraum zwischen den Schrecken dieser Welt und ihrer strahlenden Verwandlung:
„O Heiland, reiß die Himmel auf,
herab, herab vom Himmel lauf.
Reiß ab vom Himmel Tor und Tür,
reiß ab, wo Schloß und Riegel für!
O Gott, ein’ Tau vom Himmel gieß,
im Tau herab, o Heiland, fließ!
Ihr Wolken, brecht und regnet aus
den König über Jakobs Haus.
O Erd’, schlag aus, schlag aus, o Erd’,
daß Berg und Tal grün alles werd’!
O Erd’, herfür dies Blümlein bring,
o Heiland, aus der Erden spring!
Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt,
darauf sie all’ ihr’ Hoffnung stellt?
O komm, ach komm vom höchsten Saal,
komm, tröst uns hier im Jammertal!
O klare Sonn’, du schöner Stern,
dich wollten wir anschauen gern.
O Sonn’, geh auf, ohn’ deinen Schein
in Finsternis wir alle sein!“
Und wenn wir so warten und uns sehnen, wenn wir die Zeit dazu finden, kann es uns vielleicht so gehen wie dem alten Zacharias: Das schier unglaubliche wird wahr. Was wir nicht mehr zu hoffen gewagt hatten, öffnet unseren Horizont. Gott ist da – mitten in den Schrecken dieser Welt. Sie wird sich verwandeln und das Dunkel wird hell werden. Hoffen bedeutet, durchs Leben zu gehen, ohne sich mit dem Dunkel abzufinden. So, dass es uns schreckt, aber nicht lähmt, weil wir das Licht ganz fest erwarten und darauf zugehen. Die Vorfreude bleibt: vielleicht sogar wie im mährischen Adventslied im Walzertakt schwingend:
1. Seht, die gute Zeit ist nah,
Gott kommt auf die Erde,
kommt und ist für alle da,
kommt, dass Friede werde.
2. Hirt und König, Groß und Klein,
Kranke und Gesunde,
Arme, Reiche lädt er ein,
freut euch auf die Stunde.
Ihre und Eure Pastorin Ute Parra
Elfchen-Adventsgedichte der KonfirmandInnen:
Warten
Zu lange
Ich bin gelangweilt
Aber doch voller Vorfreude
Warten
Hoffen
Froh erwarten
Dass er endlich
In dieser weihnachtlichen Zeit
Ankommt
Hoffnung
Klappt es?
Ich glaube daran
Ich gebe nicht auf
Glauben
Vorfreude
Bald ist
Endlich die Zeit
Fröhlich, glücklich zu sein
Weihnachten
Warten
Sich gedulden
Man hat Sehnsucht
Man freut sich darauf
Geduld
Advent
Der Advent
3 Kerzen brennen
Es wird Zeit
Weihnachten
Advent
Sehr dunkel
Türchen aufmachen
Die Vorfreude auf Heiligabend
Gemütlich
Geschenke
Vorfreude steigt
Ich bin ungeduldig
Jetzt ist die Bescherung
Freude
Warten
Freut Euch
Vier Lichter brennen
Kribbelndes Gefühl im Bauch
Advent
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zum 2. Advent am 10. Dezember 2023
von Propst Faehling
Liebe Gemeinde,
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater und dem Herrn, Jesus Christus. Amen.
Die Offenbarung, die Texte in diesem Buch gleichen einem dieser Träume, wie manche sie in Vollmondnächten haben oder in einer aufregenden Zeit, wo man manchmal morgens aufwacht und sich die Augen reibt und kopfschüttelnd noch einmal über das verrückte Zeug nachdenkt, was da nachts im Inneren abgelaufen ist.
Die Offenbarung des Johannes, sie ist so eine Art Traumbuch. Ihre Bilder sind immer ein bisschen bunter als der Rest der Bibel und superscharf und ein bisschen verschwommen zugleich, überzeichnet und seltsam unvollständig zugleich.
Ich picke einige Bilder heraus:
- Jemand mit gültiger Schlüsselgewalt schließt mir – oder wer ist mit dem Du gemeint – auf; eine Tür, die niemand schließen kann. Weil ich mit meiner kleinen Kraft Gottes Wort bewahrt und seinen Namen nicht verleugnet habe.
- Aber der mit der Schlüsselgewalt warnt mich auch vor denen, die mich anlügen, mich täuschen, mein Vertrauen zu Gott untergraben wollen.
- Davor verspricht er mir Schutz und Bewahrung, weil ich geduldig war, trotz der Versuchungen, die überall auf der Erde wirken.
- Dieser Gott, der zu mir spricht, will bald kommen – vielleicht ist das der berühmte Wimpernschlag bei Gott, der auf der Erde aber tausend und mehr Jahre braucht.
- Jedenfalls wird mir so etwas wie eine Krone versprochen, und dass ich Pfeiler in Gottes Bau werden soll.
- Und das macht mich auf Dauer sicher, ich trage Gottes Namen, als wäre ich Teil dieser Vision vom neuen Jerusalem, der Stadt Gottes, die wie ein Himmel erscheint, der schon jetzt beginnt.
- Ich soll und darf das Hören, was Gottes Geist den Gemeinden sagt – wohl am ehesten mit dem inneren Ohr meiner Seele.
Noch ist der Traum nicht viel klarer geworden, oder?
Und doch – geht es Ihnen auch so? – mein inneres Ohr bleibt an Bildern hängen.
- Jemand der mir aufschließt
- Jemand, der mich schützt,
- Jemand, der mein Vertrauen beantwortet
- Jemand, der meine Geduld wertschätzt
- Jemand, der mich sehr wertvoll findet
Wie wache ich auf aus einem solchen Traum?
Verwirrt? Ja, wohl.
Aber auch, als wäre mir warmherzig etwas zugesprochen worden. Als gäbe mir dieser Traum in der Welt, wie sie ist, einen inneren Halt, einen inneren Ton von Wertschätzung und Vertrauen. Als wäre wie in der jüdischen Legende meine Seele in der Nacht zum Himmel aufgestiegen, um morgens gestärkt wieder auf der Erde zu sein.
Ich finde das insgesamt stärkende Bilder vom Aufschließen, Schutz, vom Vertrauen, dass sich lohnt, von einem Platz, an dem meine Geduld mit Zukunft beantwortet wird.
Ich finde das stärkend in einer Zeit, deren Bilder mich und viele andere aufwühlen, beunruhigen, verwirren, empören, ratlos und manchmal auch schlaflos machen und mit dem Gefühl zurücklassen: Meine Kraft sei zu klein für all dies; schon es zu ertragen; erst recht, es zu ändern.
Was ich nicht ändern kann, bekommt für mein Hören durch diese biblischen Worte trotzdem einen Ausblick, als gäbe es Hoffnung.
Wie oft endet mein Blick auf die Nachrichtenlage mit einem Schulterzucken und einem Gefühl von weiter so, man kann nix machen.
Die Bilder der Offenbarung geben mir lauter kleine Bausteine dessen, was ich tun kann:
- Ich kann mich in meinem Gegenüber zu Gott als Mensch verstehen, dem Räume aufgeschlossen werden, Räume, in denen Gesten, Gebete, kleine Handlungen wichtig sind und nicht sinnlos.
- Ich kann mich von Gott geschützt fühlen, von dem, der soviel sieht und weiß, geschützt vor dem Gefühl, es habe alles ja doch keinen Zweck. Gott selbst begegnet uns in der Bibel immer wieder als der, der neu anfängt, die kleine Kraft wertschätzt, den ersten Schritt mutig macht.
- Wenn mir die Welt sagt: Traue niemandem, kann ich als der, dem Gott vertraut, trotzdem immer neu wagen, zu vertrauen, Vertrauen weiterzugeben. Ich kann versuchen, mich nicht runterziehen zu lassen, mich nicht entmutigen zu lassen.
- Geduld ist im Glauben nicht die Müdigkeit der Ohnmächtigen, sondern die Stärke derer, die darauf bauen, dass die Liebe siegt. Das mag unvernünftig erscheinen. Es ist in Wirklichkeit die einzige Chance, sich nicht in den Spiralen von Angst, Hass und Gewalt zu verlieren.
Ein Text wie ein Traum, und doch habe ich das Gefühl, aus diesem Traum wache ich gestärkt auf und kann der Realität, und zwar der problematischen wirklich begegnen.
Am Ende bleiben die Bilder grausam, die Kriege langandauend, das Böse unausrottbar. Und zugleich bleibt ein geradezu traumhaftes Bild von widerstehender Liebe, von berechtigter Hoffnung, von einem Gott, der mich sieht, bewahrt und mich braucht in dieser Welt, damit ich unbeirrt Vertrauen, Hoffnung und Liebe predige.
Am Ende gibt mir diese Haltung Halt.
Davon will ich erzählen.
Und mit ihr will ich in den neuen Tag gehen.
Amen.
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!
Gruß zum 1. Advent am 03. Dezember 2023
von Pastorin Pfeifer
Liebe Gemeinde,
O komm, o komm du Morgenstern, lass uns dich schauen, unsern Herrn. Vertreib das Dunkel unsrer Nacht durch deines klaren Lichtes Pracht. Freut euch, freut euch der Herr ist nah. Freut euch und singt Halleluja.
O komm, du Sohn aus Davids Stamm, du Friedensbringer Osterlamm, von Schuld und Knechtschaft mach uns frei und von des Bösen Tyrannei. Freut euch, freut euch, der Herr ist nah, freut euch und singt Halleluja.
Liebe Gemeinde, dieses Lied begleitet mich seit vielen Jahren im Advent. Das erste Mal habe ich von diesem Lied nur die Melodie auf einer Posaune gespielt gehört. Und das hat mich wirklich ergriffen. Die Melancholie dieser Melodie, mehr noch die Sehnsucht die darin erklingt, die aber trotzdem auch etwas Gewisses und sogar etwas Hoffnungsfrohes in sich hat. Jedenfalls klingt das so in meinen Ohren.
Und dann der Text dieses uralten Liedes aus der Mitte des 19.Jahrhunderts
So alt und trotzdem hat dieser Text immer noch nichts von seiner Aktualität verloren. Die innige Bitte: Vertreib das Dunkel unsrer Nacht, durch deines klaren lichtes Pracht, von Schuld und Knechtschaft mach uns frei und von des bösen Tyrannei. So viel Dunkel ringsherum ,immer noch und immer wieder. Wer von uns hätte gedacht, dass ein Despot wie Putin noch immer die Menschen in der Ukraine, aber auch russische Soldaten und ihre Angehörigen ins Unglück stürzt. Dass die Terroristen der Hamas, so viele Menschen überfallen, ermorden und verschleppen würden, sodass nun auch die palästinensische Bevölkerung unter Krieg und Zerstörung leidet. Wir wissen es längst, dass es durch Terror und Krieg immer und überall nur Verlierer gibt .Und trotzdem gibt es an vielen Orten immer wieder so viel Unrecht und Unterdrückung und Blutvergießen. So viele Menschen , die ihre Macht und ihren Einfluss missbrauchen und nicht zum Wohl ihrer Mitmenschen einsetzen. Und dabei auch ihre eigene Menschlichkeit verlieren.
In dieser Zeit erleben wir aber auch wieder die Hilflosigkeit und die Ratlosigkeit bei der Frage wie es überhaupt Gelingen könnte den Krieg mit all seinem Grauen und Unheil zu beenden. So viel Dunkel und Schuld , Knechtschaft und böse Tyrannei um uns herum und manchmal auch mitten unter uns.
Ein altes Sprichwort sagt Not lehrt beten. Manchmal besinnen wir Menschen uns tatsächlich besonders auf Gott, wenn wir mit unsrem eigenen Latein, mit unserem menschlichen Können und Machen am Ende sind. Wenn nichts mehr geht und wir keine Lösung haben und auch keinen Ausweg mehr sehen oder erkennen können.
Gut , wenn wir Menschen uns dann an Gott erinnern und wenigstens zaghaft oder auch nur ein bisschen auf Gott hoffen können. Wenn wir das Vertrauen auf Gott wieder entdecken und wiederfinden. Oder erst langsam und allmählich Vertrauen fassen.
Manchmal geschieht so etwas tatsächlich im Hören auf einen Text oder eine kleine Melodie, ein Lied, das uns an Gott erinnert und uns sogar ganz neu an ihn denken und auf ihn hoffen lässt. Das uns klar macht, dass da eben doch noch eine ganz andere und höhere Macht ist, an die wir uns wenden können. Die unser Dunkel erhellen will mit dem Licht ihrer Liebe. Und die uns in dem Kind in der Krippe an Weihnachten entgegen kommt und nah sein will, um uns Jahr um Jahr an die Liebe Gotte zu erinnern und uns auch dadurch neue Hoffnung und Zuversicht zu geben. Das Vertrauen, dass Gott uns auch in der größten Not nicht allein lässt. Das Vertrauen, dass wir von seiner Liebe und Güte umgeben gehalten und getragen sind., was auch immer geschieht. Und dass er will, dass allen Menschen geholfen wird .So wie das der erwachsene Jesus von Nazareth gelehrt und gezeigt hat. Und dass Gott will, dass Menschen in Frieden und Freundschaft und Gerechtigkeit miteinander leben. Daran soll uns das Kind in der Krippe immer wieder erinnern. Freut euch, freut euch der Herr ist nah. Freut euch und singt Halleluja. Ja wirklich, gelobt sie Gott, der uns entgegenkommt und in den Arm nimmt, wie ein guter Vater oder eine liebevolle Mutter, um uns zu trösten und uns zu tragen oder uns gelegentlich auch mal den Kopf zu waschen, damit wir wieder grade rücken, was uns daneben und schief gegangen ist.
Das Kind in der Krippe will uns aber auch dazu bringen, gerade das Kleine und Unscheinbare wertzuschätzen und wichtig zu nehmen. Gott kommt ja nicht mächtig und stark, sondern hilflos und klein in diese Welt, um unsere Herzen zu öffnen, sodass sie in dieser Zeit tatsächlich irgendwie weiter und wärmer werden und wir der Liebe Gottes auch wieder mehr Raum und Zeit in unsrem Leben geben.
Aber auch zu erleben, das diese Liebe dann auch in uns wirkt und weiterwirkt, sodass wir sie eben auch an andere Menschen weitergeben können. Und das muss dann auch gar nicht immer groß oder nach menschlichem Ermessen bedeutend sein. Das kann sogar ganz klein sein, wie ein kleines Lächeln, ein freundliches Wort oder ein verschmitzter Blick, der den Moment und den Tag irgendwie froher und heller macht.
Paulus schreibt: Wer den anderen liebt, der hat das Gesetz, die Gebote, den Willen Gottes erfüllt. Und so fasst Paulus denn auch die Gebote der Nächstenliebe in einem Satz zusammen: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Den anderen , wie dich selber lieben und wertschätzen.
Beides gehört wahrscheinlich zusammen, wenn wir es untereinander und miteinander gut haben wollen. Da geht es nicht um Selbstverleugnung oder Selbstaufgabe, auch nicht darum die eignen Bedürfnisse und Wünsche außer Acht zu lasen. Wir dürfen offen sagen, was uns wichtig ist, was für uns geht und auch nicht geht und dazu stehen. Aber es geht eben auch darum, den anderen, seine Wünsche und Bedürfnisse ganz genauso wahr-und wichtig zu nehmen , manches dann auch so das möglich ist ,zu erfüllen; das Wünschen und Wollen aber auch immer in einen guten Ausgleich zu bringen , um dann gemeinsam einen guten Weg miteinander zu gehen. In dieser Zeit finde ich besonders schön, dass das Wünschen plötzlich wieder wichtig ist. Dass wir die anderen wieder nach ihren Wünschen fragen- selbst wenn dann solche Sachen wie das neuste Computerspiel, eine Playstation oder ein Plüscheinhorn dabei herauskommen. Es ist doch wunderbar, dass wir uns tatsächlich viel Mühe geben anderen Menschen eine Freude zu machen .Und ihnen damit gleichzeitig zu zeigen, wie gern wir sie haben und wie wichtig sie für uns sind. Und manchmal sind es dann ja auch ganz andere Wünsche, die dann nach und nach deutlich werden, wenn wir uns daran machen unseren eigenen Wünschen und den Wünschen unserer Lieben auf die Spur zu kommen. Wenn wir plötzlich merken und darauf aufmerksam werden, was ihm oder ihr wirklich wichtig ist und Freude macht; ein langer Spaziergang am Ostseestrand, ein Abend zu zweit oder auch eine heiße Suppe, Ruhe und Zeit, um mit einem guten Buch auf dem Sofa zu liegen, zusammen zu spielen oder im Garten ein Feuer zu machen, ein gutes Gespräch zu führen, das anregt und inspiriert oder auch nur still und ganz für sich allein eine Kerze zu entzünden. All das mag klein und unscheinbar wirken, aber das ist eben auch Balsam für die Seele. Und wir haben einen Gott, der auch das Kleine und Unscheinbare schätzt und wichtig nimmt. Und der uns auch dadurch die Kraft gibt dann auch die anstrengenden Seiten unserer Mitmenschen, wenn das möglich ist auszuhalten, aber auch Probleme anzugehen und nach Möglichkeit zu lösen. Lieben ist allerdings gar nicht so einfach, erst recht nicht wenn uns unsere Mitmenschen und sogar unsere allerliebsten Menschen manchmal ganz gehörig auf die Nerven gehen. Da kann einem schon mal der Kragen platzen. Und manchmal tut das sogar ganz gut, weil das dann auch die Kraft hat die dicke Luft zu reinigen .Lieben ist bestimmt nicht immer leicht und kann mitunter sogar ganz schön anstrengend sein. Dabei hat Liebe so unendlich viele Facetten und Gesichter, lieben kann bedeuten sich in Geduld zu üben und dann dieselbe Geschichte auch das 100. Mal zu hören oder schon wieder mal auf den anderen zu warten. Lieben kann aber auch bedeuten handfeste Hilfe zu leisten, die alten Eltern zu pflegen und zu betreuen oder der alten Nachbarin die Einkäufe zu machen. Lieben kann bedeuten sogar noch nach einem langen Arbeitstag die Vokabeln abzufragen
Oder eben auch für die Gemeinschaft und die Gemeinde Tische und Stühle zu rücken oder das Essen vorzubereiten. Liebe hat unendlich viele unterschiedliche Gesichter. Und bei dem Satz: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst ist ganz bestimmt die eigene Aufmerksamkeit, Hilfsbereitschaft aber auch Hilfe in Wort und Tat gefragt –so gut wir das eben können.
Liebe Gemeinde, Liebe und auch der Frieden fängt tatsächlich ganz klein, im eigenen Herzen und Haus an. Wo immer sind können wir uns tatsächlich in der Liebe üben. Wir müssen dabei gar nicht alles schaffen und können, aber kleine Schritte sind eben wichtig und auch gefragt. Mit Gottes Hilfe wird es uns dann in der Gemeinschaft der Völker auch gelingen Frieden zu stiften, zu schaffen und in die Welt zu bringen. Und wir können Gott immer wieder und auch alle miteinander darum bitten.
O komm, o komm du heller Morgenstern, lass dich schauen, unsern Herrn, Vertreib das Dunkel unsrer Nacht durch deines klaren Lichtes Pracht, Von Schuld und Knechtschaft mach uns frei und von des Bösen Tyrannei.
Und vielleicht können wir dann auch jetzt und hier oder zumindest irgendwann auch mit einstimmen in das freudige Lob unseres Gottes: Freut euch, freut euch, der Herr ist nah. Freut euch und singt Halleluja.
Amen
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!