Gruß zum Sonntag
Gruß zum 21. Sonntag nach Trinitatis am 20. Oktober 2024
von Pastorin Parra
Liebe Gemeinde,
Im Wochenspruch für diese Woche heißt es: „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem“ (Röm 12,21) – leichter gesagt als getan. Es scheint in dieser Welt immer düsterer zu werden und immer mehr darauf anzukommen, die eigenen Anliegen auch mit den Ellenbogen oder gar mit Waffengewalt durchsetzen zu können.
Wo sollte also ein solcher Satz am rechten Platze sein?
Im Großen? Politische Macht und Durchsetzungsfähigkeit bemisst sich doch nach wie vor anscheinend durch militärische Potenz und die Bereitschaft von Staatsoberhäuptern, den Drohungen auch Taten folgen zu lassen. Wer sich heute noch für Abrüstung einsetzen möchte, dem wird – vielleicht zu Recht – Naivität vorgeworfen.
Dann im Kleinen? Wer sich bei Mobbing in der Schule oder am Arbeitsplatz nicht wehrt, wird früher oder später tun, was die Peniger bezwecken: Ihnen das Feld überlassen.
Also: Das Böse mir Bösem besiegen? Das kann auch keine Lösung sein, denn es verursacht eine Spirale der Gewalt bis das Gute sich am Ende nicht mehr vom Bösen unterscheidet. Und dann hätte ja auf jeden Fall das Böse gewonnen.
Martin Luther King drückte es so aus: „Gewalt mit Gewalt zu vergelten vermehrt die Gewalt und macht eine Nacht, die schon sternenlos ist, noch dunkler. Dunkelheit kann die Dunkelheit nicht vertreiben. Das kann nur das Licht.“
Es braucht also zumindest die Vision von etwas anderem, etwas Gutem, das dem Bösen widersteht. Jesus entwirft in seiner Bergpredigt eine solche Vision:
„Ihr habt gehört, dass gesagt ist (2. Mose 21,24): »Auge um Auge, Zahn um Zahn.« Ich aber sage euch, dass ihr nicht widerstreben sollt dem Bösen, sondern: Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar.“ (Mt 5,38ff)
„Auge um Auge – Zahn um Zahn“ – Das klingt erst einmal grausam, bedeutet aber auch: Rache hat Grenzen. Auf keinen Fall darf es so etwas wie „Blutfehden“ geben, bei denen sich ganze Familien gegenseitig auslöschen.
Jesus geht weiter: Wir sollen dem Bösen nicht widerstreben. Was er vorschlägt ist eher so etwas wie eine paradoxe Intervention: Wenn Dich einer auf entehrende Weise mit dem Handrücken auf die rechte Wange schlägt: Halte ihm auch die linke hin. Dann muss er mit der Handfläche zuschlagen. Wird er das tun? Wird er nicht stutzen und das eigene Handeln hinterfragen?
Wenn man sich vom Hass überwinden ließe und die Gewalt eskalierte, dann hätte die Gegenseite wie gesagt gewonnen. Also ist alles, was bleibt, sich nicht hineinziehen zu lassen. Eindrücklich macht das auch Antoine Leiris, der beim Terroristen Attentat in Paris am 13. November 2015 seine Frau verloren hat, in seinen Worten an die Terroristen deutlich: „Freitag Abend habt ihr das Leben eines außerordentlichen Wesens geraubt, das der Liebe meines Lebens, der Mutter meines Sohnes, aber meinen Hass bekommt ihr nicht.“
Es gibt Beispiele, wo das im Kleinen gelingt: Im Friedensdorf Newe Schalom / Wahat al-Salām leben auch nach einem Jahr Krieg noch Israelis und Palästinenser friedlich zusammen. Sie lassen sich nicht vom Hass überwinden, weil der Frieden, an den sie glauben, größer ist als jeder Hass. Dunkelheit kann Dunkelheit nicht vertreiben. So setzen sie auf das Licht. Leicht ist das sicher nicht. Auch weil Gefühle ja eben nichts Rationales sind, das Menschen wie auf Knopfdruck steuern können.
Jesus sagt weiter in der Bergpredigt:
„Ihr habt gehört, dass gesagt ist: »Du sollst deinen Nächsten lieben« (3. Mose 19,18) und deinen Feind hassen (Dazu fordert das 1. Testament an keiner Stelle auf). Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen, auf dass ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.“ (Mt 5,43ff)
Ja genau – warum eigentlich? Warum bestraft Gott die Bösen nicht? Er hätte doch die Macht?! Aber die „Güldne Sonne“ leuchtet auch über dem finstersten Gemüt.
Ich denke an die Geschichte von der Sintflut, die wir in der nächsten Woche in der Kinderbibelwoche erzählt bekommen. Da hat Gott einmal – vor aller Zeit, so wird erzählt – alles Böse versucht, auszulöschen. Der Himmel hat sich verdüstert und fast die ganze Menschheit wurde von Gott zerstört. Aber es hat nicht funktioniert. Das Finstere blieb in den Herzen der Menschen. Das Dichten und Trachten des Menschen ist böse von Jugend auf, so sagt es Gott. Und er erkennt, dass die Flut ein Fehler war. Dunkelheit kann man nur mit Licht vertreiben. Die Sonne bricht durch die Wolken und der Regenbogen in seiner bunt-lichten Pracht wird zum Zeichen: So etwas soll nie wieder geschehen.
Gott hat aus den Schrecken der Sintflut gelernt: Nie wieder!
Der Regenbogen steht für etwas, das in dieser Welt nur punktuell gelingt. Das Dunkel besiegen durch das Licht, das Trotzdem-Licht. Wir wissen inzwischen, wie so ein Regenbogen physikalisch gesehen entsteht, do das nimmt der Himmelserscheinung nicht ihren Zauber. Noch immer zeigt sie, was Wunderbares entstehen kann, wenn das Licht das Dunkel der Wolken durchbricht.
Gott lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute. Gott liebt seine Geschöpfe – alle. Liebt sie so sehr, dass er selbst Mensch wird. Dass er mitgeht in die tiefste Dunkelheit unserer Gottverlassenheit. Dass sein Leben erlischt. Und Gott überwindet durch seinen Tod unseren Tod. Mitten in der Todesnacht strahlt das Licht seiner Liebe. Mitten zwischen den Zorneswolken strahlt der Regenbogen. Gott lässt seine Liebe leuchten. Auch eine paradoxe Intervention?
Wir können nicht selber Liebe in unser Herz legen. Aber wir müssen unseren Gegnern auch nicht mit Hass begegnen. Wir können sagen: Meinen Hass kriegt ihr nicht!
Wir können beten wie Franz von Assisi: Herr, mach mich zu einem Werkzeug Deines Friedens,
dass ich liebe, wo man hasst; dass ich verzeihe, wo man beleidigt; dass ich verbinde, wo Streit ist;
Am Ende rät Jesus: „Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist.“ (Mt 5,48)
Aha? Aber das hat Gott doch gerade bei der Sintflut herausgefunden: Niemand ist vollkommen. Nicht mal in Newe Schalom begegnen sich immer alle in Liebe. Wir haben noch Anteil am Dunkel dieser Welt. Wenn wir nicht wissen, wie wir uns und andere sonst schützen können, greifen wir zur Gewalt. Staaten verteidigen ihre Bürger und Territorien, Verbrecher werden bestraft. So funktioniert unsere Welt. Macht gerät auch in falsche Hände, wird missbraucht.
Und doch: Da ist schon der Regenbogen mitten in den Wolken. Da ist das Licht der Osterkerze mitten in der Nacht des Todes. Di ist das Licht der Liebe Gottes in unseren Herzen. Das Dunkel wird hell. Gott liebt diese Welt und wir sind sein eigen. Wohin er uns stellt, sollen wir es zeigen.
Ihre und Eure Pastorin Ute Parra
P.S. Hier steht der Gruß zum Sonntag als PDF zum Download bereit!